Zum werkmangelbedingten NUtzungsausfallschaden
1. Nach Abnahme des Werks kommt der Eintritt des Verzuges mit der Herstellungsverpflichtung nicht mehr in Betracht.
2. Der Verzug mit der Nacherfüllungsverpflichtung gem. §§ 634 Nr. 1, 635 Abs. 1 BGB setzt grundsätzlich eine Mahnung voraus. Fordert der Besteller den Unternehmer auf, den Mangel „schnellstmöglich, spätestens bis zum …“ zu beseitigen, können darin eine befristete Mahnung („schnellstmöglich“) und eine Fristsetzung zur Nacherfüllung („spätestens bis zum …“) liegen.
3. Verbindet der Besteller ein solches Nachbesserungsverlangen mit der Maßgabe, Termine unter Einhaltung einer Vorlaufzeit mit ihm abzusprechen, kann dies geeignet sein, die Frist für den Eintritt der Mahnung hinauszuschieben.
4. Zur Frage der Anspruchsgrundlage auf Schadensersatz wegen eines werkmangelbedingten Nutzungsausfallschadens („erweitertes Leistungsinteresse“).
5. Ein Schadensersatzanspruch wegen werkmangelbedingten Nutzungsausfalls gem. §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB kann wegen eines überwiegenden Mitverschuldens des Bestellers ausgeschlossen sein, wenn der Besteller ihm bekannte Mängel dem Unternehmer nicht anzeigt, die jener vor Schadenseintritt beseitigt hätte.
OLG Oldenburg, Urteil vom 5. November 2024 – 2 U 93/24
A. Problemstellung
Das OLG Oldenburg hatte zu entscheiden, über welche Anspruchsgrundlage Schadensersatz wegen eines werkmangelbedingten Nutzungsausfallschadens („erweitertes Leistungsinteresse“) geltend zu machen ist und ob ein Schadensersatzanspruch wegen werkmangelbedingten Nutzungsausfalls wegen eines überwiegenden Mitverschuldens des Bestellers ausgeschlossen sein kann, wenn der Besteller ihm bekannte Mängel dem Unternehmer nicht anzeigt, die jener vor Schadenseintritt beseitigt hätte.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger ist Landwirt, die Beklagte eine Gewerbeunternehmung zum Bau von Fahrsiloanlagen. Mit ihr schloss der Kläger am 9.3.2021 einen Vertrag, in dem die Beklagte sich verpflichtete, für den Kläger eine Fahrsiloanlage herzustellen. Zuvor hatte der Kläger für diese eine Baugenehmigung beantragt und erhalten, in der eine Dichtigkeitsprüfung durch einen Sachverständigen gefordert war. Im Juli 2020 fand sich auf Aufforderung des Klägers der Gutachter DD bei ihm ein. Gegenstand des Gesprächs war, dass die Fahrsiloanlage unter Mitwirkung des Gutachters hergestellt werden soll. Am 16.9.2021 nahm der Kläger das Bauwerk ab. Eine Dichtigkeitsprüfung hatte der Gutachter DD bereits vorgenommen. Die Termine hatte er jeweils mit dem Geschäftsführer der Beklagten besprochen, auf dessen Anforderung auch die Rechnung an die Beklagte adressiert und von dieser bezahlt wurde. Die Beklagte stellte ihre Leistungen mit Schlussrechnung vom 30.9.2021 in Rechnung (Anlage K 5). In dieser war ein Bruttorestbetrag von 5.898,06 € offen, der auch die Sachverständigenvergütung umfasste. Darin vermerkte die Beklagte, die „Unterlagen“ erst nach Begleichung der Schlussrechnung dem Landkreis zuzustellen, was sie gegenüber dem Kläger nach Ausbleiben der Zahlung am 13.10.2021 wiederholte. Spätestens am 14.10.2021 stellte der Kläger fest, dass – nach seiner streitigen Behauptung – die Anlage teilweise undicht sei und ihre Abflüsse sich nicht öffnen ließen. Nach einem Telefonat mit der Beklagten am 14.10.2021 rügte der Kläger mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 15.10.2021 andere Mängel an der Anlage, die bereits beseitigt waren. Am 25.10.2021 forderte der Kläger über ein weiteres Schreiben seines Prozessbevollmächtigten zur Beseitigung der Mängel (teilweise Undichtigkeit, Abflüsse ließen sich nicht öffnen) bis zum 8.11.2021 auf. Unmittelbar darauf veräußerte der Kläger den von ihm Anfang Oktober geernteten Mais. Weder darauf noch auf den Umstand möglicher und nunmehr geltend gemachter Folgekosten durch den dadurch notwendigen Zukauf von Futter wies der Kläger die Beklagte mit dem Schreiben vom 25.10.2021 oder sonst zu irgendeinem Zeitpunkt hin. Am 8.12.2021 übersandte der Gutachter DD den Prüfbericht der Fahrsiloanlage dem Landkreis.
Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von 66.977,40 €, weil er die Fahrsiloanlage mangelbedingt nicht rechtzeitig in Gebrauch nehmen konnte. Deswegen habe er seine Maisernte nicht in diese einbringen können, sondern verkaufen und zu höheren Preisen Futtermittelersatz zukaufen müssen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Ein Verzugsschadensersatzanspruch käme nicht in Betracht. Die Beklagte habe nicht gegen eine Fertigstellungsfrist aus dem Werkvertrag verstoßen. Zudem sei eine Mahnung erst mit dem 8.11.2021 wirksam geworden und damit zu einem Zeitpunkt, in dem der Schaden wegen des vorherigen Maisverkaufs bereits entstanden war. Selbst wenn sich aus dem Werkvertrag eine Fertigstellungsfrist ergebe, läge wegen der Abnahme kein Verzug vor. Das Zurückhalten des Prüfberichts durch die Beklagte rechtfertige kein anderes Ergebnis, weil eine mündliche Berichterstattung gegenüber dem Landkreis ausgereicht hätte und außerdem der Gutachter DD nicht Erfüllungsgehilfe der Beklagten gewesen sei, sondern der Kläger diesen beauftragt habe. Mängelansprüche kämen ebenfalls nicht in Betracht. Schadensersatz statt der Leistung wegen der behaupteten Mängel käme mangels Fristsetzung zur Nacherfüllung nicht in Betracht. Im Übrigen stünde nicht fest, dass die Beklagte dem Kläger vorgemacht habe, der Betrieb der Anlage sei an die Vorlage des schriftlichen Prüfberichts gebunden, so dass auch daraus kein Anspruch erwachsen könne.
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung des in Höhe von 66.977,40 € geltend gemachten Schadens unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu:
1. Verzug gem. §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 4 BGB:
Die Beklagte befand sich mit ihrer Herstellungsverpflichtung aus § 631 Abs. 1 BGB nicht in Verzug als der Schaden entstanden ist. In diesem Zusammenhang kann auf sich beruhen, zu welchem Termin die Parteien die Fertigstellung der Fahrsiloanlage vereinbart haben oder für welchen Zeitpunkt sich die Fertigstellungsverpflichtung aus den Umständen ergibt, § 271 Abs. 1 BGB. Denn mit der Abnahme der Fahrsiloanlage am 16.9.2021 ist die Erfüllung des Werkvertrages eingetreten. Mit dieser Erfüllung ist der durch den Abschluss des Werkvertrages entstandene Anspruch auf Herstellung der Fahrsiloanlage gem. § 362 BGB erloschen. Deswegen konnte die Beklagte ab dem Zeitpunkt der Abnahme am 16.9.2021 mit ihrer Herstellungsverpflichtung weder in Verzug geraten noch sein. Der seitens des Klägers geltend gemachte Schaden ist indes nach seinem eigenen Vorbringen erst dadurch ausgelöst worden, dass er am 26./29.10.2021 vorhandenen Mais aus Eigenbeständen nicht in die Fahrsiloanlage eingebracht, sondern verkauft hat. Ein Ursachenzusammenhang zwischen einem Verzug mit der Fertigstellung des Werks aus dem ursprünglichen Vertrag und dem geltend gemachten Schaden kommt deswegen nicht in Betracht.
Der Kläger kann den Schadensersatzanspruch auch nicht daran knüpfen, dass die Beklagte mit einer Nacherfüllungsverpflichtung gem. § 635 BGB in Verzug geraten wäre. Das ist zwar grundsätzlich möglich, vorliegend sind allerdings die Voraussetzungen nicht erfüllt. Ein Nacherfüllungsanspruch des Klägers käme hinsichtlich der streitigen Behauptung des Klägers, im Zeitpunkt der Abnahme sei die Fahrsiloanlage undicht gewesen und ihre Abflüsse hätten sich nicht öffnen lassen, in Betracht. Unterstellt man dieses streitige Vorbringen als zutreffend, wäre ein auf diese Mängel bezogener Nacherfüllungsanspruch zum Beginn der Schadensentstehung am 26. und 29.10.2021 infolge des Maisverkaufs fällig gewesen. Allerdings befand sich die Beklagte im maßgeblichen Zeitpunkt der Schadensentstehung mit der zugunsten des Klägers unterstellten Nacherfüllungsverpflichtung nicht in Verzug. Es fehlte an einer ausreichenden Mahnung des Klägers, die auch nicht gem. § 286 Abs. 2 BGB entbehrlich war. Der Kläger rügte erst mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 25.10.2021 erstmals nach der Abnahme die Undichtigkeiten der Fahrsiloanlage sowie den Umstand, dass die Abflüsse der Siloanlage sich nicht öffnen ließen. Es schloss sich in diesem Schreiben die Aufforderung an, diese Mängel „schnellstmöglich, spätestens jedoch bis zum 8.11.2021 zu beseitigen, weil „die Fahrsiloanlage von unserem Mandanten genutzt werden muss“. Damit lag eine befristete Mahnung vor. Zwar war für deren Verzugsbegründung nicht auf die Fristsetzung zum 8.11.2021 abzustellen, weil diese in erster Linie die weitergehenden Mängelgewährleistungsrechte auslösen sollte. Angesichts dessen blieb allerdings die Befristung durch das Adjektiv “schnellstmöglich“. Sie war auf den Verzugseintritt zu beziehen. Dies gilt umso mehr, weil der Kläger in dem Schreiben vom 25.10.2021 darauf hinwies, dass Mängelbeseitigungsarbeiten anzukündigen sowie abzusprechen wären und er dadurch selbst eine dem sofortigen Verzugseintritt entgegenstehende eigene Annahme- bzw. Mitwirkungshandlung statuiert hat. Die Beklagte hat das Mahnschreiben vom 25.10.2021, das ihr vorab per Email übermittelt wurde, frühestens an diesem Tage erhalten. Auch eine „schnellstmögliche“ Reaktion beim Kläger vor Ort benötigte angesichts der geforderten Maßnahmen, der örtlichen Entfernung vom Betriebssitz der Beklagten sowie des durch den Kläger statuierten Mitwirkungserfordernisses nach objektivem Verständnis zeitlichen Vorlauf. Dies gilt umso mehr als der Kläger selbst forderte, dass Mängelbeseitigungstermine „unter Berücksichtigung einer entsprechenden Vorlaufzeit - damit unser Mandant disponieren kann - entweder direkt mit unserem Mandanten oder über unser Büro abzusprechen“ seien. Deswegen war die Frist „schnellstmöglich“ aus der Mahnung weder bereits am 26. noch am 29.10.2021 abgelaufen, so dass ein Verzug mit der geschuldeten Nacherfüllung erst danach eintreten konnte. Soweit ein Verzug der Beklagten wegen der von dem Kläger behaupteten Mängel später eingetreten ist, fehlt es an der kausalen Verbindung mit dem durch den Kläger geltend gemachten Schaden.
Demgegenüber kommt ein Verzug der Beklagten mit einer Nacherfüllungsverpflichtung im Hinblick auf eine verspätete Überlassung des nach der Baugenehmigung erforderlichen Prüfberichts des Gutachters DD über die Dichtigkeit und Funktionsfähigkeit der Fahrsiloanlage schon im Ansatz nicht in Betracht. Der Bauvertrag umfasste die Überlassung eines solchen Prüfberichts entgegen der Auffassung des Klägers nicht. Aus dem schriftlichen Bauvertrag ergibt sich eine solche Leistungsverpflichtung nicht. Dort wird die „Vorlage aller statischen Unterlagen, Genehmigungen des Auftraggebers“ unter der Überschrift „§ 2 Vertragsgrundlage“ genannt. Diese Formulierung statuiert schon vom Wortlaut her mitnichten eine Leistungsverpflichtung der Beklagten, sondern vielmehr eine Mitwirkungsobliegenheit des Klägers. Diese beruht darauf, dass die Beklagte das Gebäude in Übereinstimmung mit dem öffentlichen Baurecht zu errichten hat und dafür die Baugenehmigung benötigt. Keinesfalls kann der Passus aber als eine Leistungserweiterung dahin verstanden werden, dass die Beklagte sich auch zur Einholung und Überlassung der für den Betrieb der zu errichtenden Anlage erforderlichen und dem Landkreis vorzulegenden Prüfzeugnisse erstreckt. Das lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass die Beklagte den Prüfbericht auf die Schlussrechnung gesetzt hat. Aus dieser nach Vertragsschluss liegenden Handlung kann nicht ohne Weiteres nachträglich konstruiert werden, dass die Überlassung des Prüfberichts bereits ursprünglich Teil der vertraglichen Bauleistungsverpflichtung geworden wäre. Der tatsächliche Verlauf spricht vorliegend eindeutig dagegen. So hat der Kläger vorgetragen, dass zwischen den Parteien des Rechtsstreits zunächst die Beauftragung des Sachverständigen durch ihn vereinbart gewesen ist. Erst im Laufe der Baumaßnahme hat die Beklagte den weiteren Kontakt zu dem Gutachter DD gesucht, ihn aufgefordert, die Rechnung für das Gutachten an sie zu richten, das Gutachten von ihm erhalten, dessen Rechnung beglichen sowie diesen Betrag mit der eigenen Schlussrechnung gegenüber der Klägerin geltend gemacht. Dies geschah, obwohl dies nach dem eigenen Vorbringen des Klägers „nicht zwischen den Parteien vereinbart worden war“. Eine Vertragserweiterung in Bezug auf den Bauvertrag der Parteien war damit genauso wenig verbunden wie die Eingehung einer eigenständigen vertraglichen Verpflichtung der Beklagten gegenüber dem Kläger, ihm den Prüfbericht zu verschaffen. Es fehlt an jedweder vertraglichen Abrede zwischen der Beklagten und dem Kläger in Bezug auf den Prüfbericht.
Selbst wenn die Beklagten entgegen der vorstehenden Ausführungen dem Kläger die Überlassung des Prüfberichts schuldete, war sie mit einer entsprechenden Nacherfüllungsverpflichtung im Zeitpunkt der Schadensentstehung nicht in Verzug. Eine Mahnung in Bezug auf die Überlassung des Prüfberichts sprach der Kläger bis zu diesem Zeitpunkt nicht gegenüber der Beklagten aus, § 286 Abs. 1 BGB. Diese war auch nicht entbehrlich. Insbesondere stellte die Verknüpfung von Zahlung und Überlassung der Unterlagen in der Rechnung vom 16.9.2021 und dem Schreiben vom 13.10.2021 keine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung der Beklagten gem. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB dar. An die Annahme einer solchen Erfüllungsverweigerung sind strenge Anforderungen zu stellen. Erforderlich ist grundsätzlich, dass der Schuldner die Erfüllung des Vertrages gegenüber dem Gläubiger unmissverständlich, endgültig und ernsthaft ablehnt, so dass jenseits vernünftiger Zweifel feststeht, dass er unter keinen Umständen mehr zur freiwilligen Erfüllung bereit ist. Die Weigerung muss als das „letzte Wort“ des Schuldners erscheinen. So liegt es bei den in Bezug genommenen Anlagen nicht. Aus ihnen geht lediglich hervor, dass die Beklagte den Rechtsstandpunkt vertrat, die Unterlagen bis zur Entrichtung der Vergütung nicht zu schulden und ihre Überlassung deshalb von der Zahlung der Vergütung abhängig zu machen. Selbst wenn dies zweimal erfolgte, lässt sich daraus keine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung entnehmen. Insofern ist nämlich auch in den Blick zu nehmen, dass in dem Verhalten lediglich der Rechtsstandpunkt der Beklagten zum Ausdruck kommt. Der Kläger hat durch sein Schweigen zu den Prüfunterlagen bis zur Schadensentstehung dem Beklagten gegenüber nicht einmal offengelegt, dass er insoweit einen anderen Standpunkt vertritt. Damit hat er das Entstehen einer rechtlichen Meinungsverschiedenheit der Parteien, die für sich genommen keine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung begründet, verhindert. Eine solche offen zutage tretende Meinungsverschiedenheit wiederum hätte durchaus eine Veränderung im Verhalten der Beklagten nach sich ziehen können.
2. Schadensersatzanspruch gem. §§ 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 und 3, 281 BGB:
Der Kläger kann die Erstattung des Schadens nicht aus den §§ 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 und 3, 281 BGB wegen der von ihm behaupteten Mängel der Fahrsiloanlage beanspruchen. Die streitigen Mängel hat die Beklagte jedenfalls zum Ablauf der Mängelbeseitigungsfrist am 8.11.2021 durch die Beklagte behoben. Es fehlt an der Voraussetzung einer erfolglos abgelaufenen Frist zur Nacherfüllung.
3. Schadensersatzanspruch gem. §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB:
Denkbar wäre deswegen allein ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte aus §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB. Auch er kommt aus nachfolgenden Gründen nicht in Betracht. Der Kläger macht einen Schaden geltend, der nach seinen Behauptungen darauf beruht, dass er die Fahrsiloanlage wegen eines Mangels in einem bestimmten Zeitraum nicht nutzen konnte. Es ist seit Einführung der Schuldrechtsreform Gegenstand streitiger Diskussion, auf Grundlage welcher schadensrechtlichen Vorschriften derartige Schäden zu erstatten sind. In Betracht kommen Schadensersatz neben der Leistung gem. §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB, Schadensersatz statt der Leistung gem. §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 3, 281 BGB oder Verzugsschadensersatz gem. der §§ 280 Abs. 2, 286 BGB. Nach der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH ist ein Betriebs- oder Nutzungsausfallschaden als Schadensersatz statt der Leistung zu qualifizieren, soweit er auf dem endgültigen Ausbleiben der Leistung infolge des Erlöschen der ursprünglichen Leistungspflicht beruht (BGH, Urteil vom 14. April 2010 – VIII ZR 145/09 –, Rn. 13). Dieser Fall liegt nicht vor, weil die Beklagte den für den Betriebs- oder Nutzungsausfallschaden maßgeblichen Mangel beseitigt und der Vertrag durchgeführt worden ist. Für diese Konstellationen, in denen der Besteller am Vertrag festhält, das beauftragte Werk aber wegen eines Mangels nicht nutzen kann und auf dieser Grundlage Schadensersatz verlangt, hat der V. Zivilsenats des BGH entschieden, dass der Anspruch des Bestellers sich nach den §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB richtet, so dass es weder des Verzuges noch einer Fristsetzung zur Nacherfüllung bedarf (BGH, Urteil vom 19. Juni 2009 – V ZR 93/08 –, BGHZ 181, 317-328). Dies ist allerdings in der dargestellten Pauschalität auf Kritik gestoßen, weil damit nicht geklärt sei, ob ein Nutzungsausfallschaden, der durch eine Mängelbeseitigung nach Fristsetzung verhindert worden wäre, überhaupt als Mangelfolgeschaden und damit nach den §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB geltend gemacht werden kann. Der VII. Zivilsenat des BGH trifft die Unterscheidung zwischen Schadensersatz neben der Leistung und Schadensersatz statt der Leistung dergestalt, dass die §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB nur für Schäden einschlägig sind, die aufgrund eines Werkmangels entstanden sind und durch eine Nacherfüllung der geschuldeten Werkleistung nicht beseitigt werden können, während der Ersatzanspruch nach den §§ 634 Nr. 4, 280, 281 BGB an die Stelle der geschuldeten Werkleistung tritt und das Leistungsinteresse des Auftraggebers erfasst (BGH, Urteil vom 7. Februar 2019 – VII ZR 63/18; dazu: Thode, jurisPR-BGHZivilR 9/2019 Anm. 1; Schwenker, jurisPR-PrivBauR 5/2019 Anm. 2 ). Hinsichtlich der Betriebs- und Nutzungsausfallschäden besteht die Schwierigkeit maßgeblich darin, dass sie ein erweitertes Leistungsinteresse betreffen. Eine Nacherfüllung kann diesen Schaden nicht beseitigen, aber, sofern sie rechtzeitig erfolgt, bereits seinen Eintritt verhindern. Auf der anderen Seite tritt ein Betriebs- oder Nutzungsausfallschaden niemals an die Stelle der Werkleistung selbst, sofern der Auftraggeber am Vertrag festhält. Vielmehr wird in diesen Fällen das Werk letztlich vertragsgemäß hergestellt und der Schaden daneben liquidiert. Die Einordnung als Schadensersatz statt der Leistung steht zudem in einem dogmatischen Spannungsverhältnis zu § 281 Abs. 4 BGB.
Der Frage der Erstattungsfähigkeit von Betriebs- oder Nutzungsausfallschaden soll sich deswegen zunächst wertungsmäßig angenähert werden. Es kann keinem durchgreifenden Zweifel unterliegen, dass diese nicht an eine Fristsetzung zu Nacherfüllung gekoppelt werden darf, soweit eine frühestmögliche Nacherfüllung den Eintritt des Betriebs- oder Nutzungsausfallschaden nicht verhindert hätte. Eindeutig erstattungsfähig müssen auf der anderen Seite Betriebs- oder Nutzungsausfallschäden sein, die nach Ablauf einer durch den Auftraggeber gesetzten angemessenen Frist zur Nacherfüllung entstehen. Problematisch sind hingegen Konstellationen, in denen ein Betriebs- oder Nutzungsausfallschaden durch eine frühestmögliche Nacherfüllung vermieden worden wäre, allerdings gar keine oder zunächst keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt worden ist. In dieser Konstellation ist es nicht einzusehen, warum ein nachbesserungsbereiter und -fähiger Auftragnehmer für Betriebs- oder Nutzungsausfallschäden haften soll, die maßgeblich darauf beruhen, dass ihm Mängel, die dem Auftraggeber bekannt sind, nicht rechtzeitig angezeigt wurden. Damit treten eine zeitliche sowie eine kenntnisbezogene Komponente in den Vordergrund. Unter diesem Blickwinkel wird vertreten, für die Einordnung von Betriebs- oder Nutzungsausfallschäden als Schadensersatz statt der Leistung oder als Schadensersatz neben der Leistung auf den Ablauf einer fiktiven angemessenen Frist zur Nacherfüllung abzustellen, die mit der Kenntnis des Auftraggebers von dem für den Betriebs- oder Nutzungsausfallschaden ursächlichen Mangel beginnt. Schäden vor Ablauf dieser fiktiven Frist fallen unter die §§ 634 Nr. 4, 280 BGB, Schäden nach ihrem Ablauf können nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen der §§ 634, 280, § 281 BGB liquidiert werden (Ostendorf NJW 2010, 2833, 2387). Damit einher geht die Einschätzung, dass Betriebs- oder Nutzungsausfallschaden je nach zeitlichem Anfall sowohl Schadensersatz statt als auch neben der Leistung darstellen können (Ostendorf NJW 2010, 2833, 2834, 2386f). Anstatt diese Gesichtspunkte des Mitverschuldens nach § 254 BGB bereits in die Abgrenzung der Schadensarten einzuarbeiten, ist es ebenso denkbar, den Betriebs- oder Nutzungsausfallschaden unter Berücksichtigung der bislang dazu ergangenen BGH-Rechtsprechung dogmatisch den §§ 634 Nr. 4, 280 BGB zuzuordnen und § 254 BGB auf der Rechtsfolgenseite zur Anwendung zu bringen. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen bedarf die Frage, ob der Betriebs- bzw. Nutzungsausfallschaden des Klägers nach den §§ 280 Abs. 2, 286, 288 Abs. 4, 635, gem. §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1, und 3, 281 BGB oder nach den §§ 634 Nr. 4, 280 BGB erstattungsfähig ist, keiner Entscheidung. Die Voraussetzungen des Verzugsschadenersatzes sowie des Schadensersatzes statt der Leistung liegen nach den Ausführungen oben A) und B) nicht vor. Ein Anspruch des Klägers wegen Mängeln der Anlage gem. §§ 634 Nr. 4, 280 BGB ist wegen eines weit überwiegenden Mitverschuldens des Klägers an dem konkreten Schadenseintritt ausgeschlossen. Er ist seiner aus § 254 Abs. 2 S. 1 BGB resultierenden Warnobliegenheit in eklatanter Weise nicht gerecht geworden. Nach seinen eigenen Angaben hat der Kläger die Maisernte Anfang Oktober eingefahren und in Kenntnis des Umstands, dass dies nicht dauerhaft möglich ist, am 26. und 29.10.2021 verkauft. Von den nunmehr gerügten Mängeln (Undichtigkeiten der Fahrsiloanlage; Abflüsse der Siloanlage lassen sich nicht öffnen) hatte der Kläger spätestens zwischen dem 10. und dem 14.10.2021 Kenntnis. Das ergibt sich aus dem Datum der dem Schreiben vom 25.10.2021 beigefügten Lichtbilder sowie dem Inhalt des Schreibens selbst. Demgegenüber hat der Kläger die Beklagte erst durch das Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 25.10.2021, das am selben Tag per mail vorab versandt wurde, unter Fristsetzung zur Beseitigung der Mängel aufgefordert. In dem vorangegangenen Schreiben vom 15.10.2021 wurde allein eine bereits behobene Pfützenbildung beanstandet, wie sich aus S. 2 der Anlage K 3 entnehmen lässt. Auf den Umstand, dass der Kläger den Mais zeitnah, nämlich in der letzten Oktoberwoche, verkaufen müsste und dass dadurch ein erheblicher Schaden durch den Zukauf von Futter entstehen würde, machte der Kläger den Beklagten weder mit dem Schreiben vom 25.10.2021 noch davor aufmerksam. Darin ist vielmehr erst nach der Fristsetzung auf den 8.11.2021 und im Übrigen pauschal die Rede davon, dass „die Geltendmachung des Schadens, der unserem Mandanten möglicherweise dadurch entstehen wird, dass die Anlage wegen der bestehenden Mängel nicht ordnungsgemäß genutzt werden kann, (…) ausdrücklich vorbehalten (bleibt). Die Beklagte hingegen hat auf die Fristsetzung mit Email vom 5.11.2021 dem Kläger mitgeteilt, dass sie Mängelbeseitigungsmaßnahmen binnen der gesetzten Frist, nämlich am 8.11.2021, durchführen würde. Genau so hat sie sich dann auch tatsächlich verhalten. Daraus lässt sich für den Senat der sichere Schluss ziehen, dass die Beklagte, wenn sie rechtzeitig, nämlich bereits nach dem Entdecken der Mängel durch den Kläger spätestens am 14.10.2021, nicht nur über die Mängel und den drohenden großen Schaden durch den anstehenden Maisverkauf ab dem 26.10.2021 informiert und zur Mängelbeseitigung aufgefordert worden wäre, die von ihr letztlich am 8.11.2021 vorgenommene Mängelbeseitigung tatsächlich schon bis zum 25.10.2021 abgeschlossen hätte. Dies war ihr angesichts neun verbleibender Werktage möglich. Der Umstand, dass sie die Mängel binnen der letztlich gesetzten Frist ohne Kenntnis von dem möglichen Schaden beseitigt hat, spricht eindeutig dafür, dass sie diese Möglichkeit in Ansehung eines in Höhe von über 66.000 € drohenden Schadens wahrgenommen hätte. Angesichts dessen hält der Senat es nicht für gerechtfertigt, die Beklagten für den geltend gemachten Betriebs- bzw. Nutzungsausfallschaden haften zu lassen, zumal das Verschulden der Beklagten an der streitigen Undichtigkeit der Anlage gering ist. So war die Anlage am 15.10.2021 nach Angaben des Gutachters DD, der an diesem Tag eine Dichtigkeitsprüfung vorgenommen hat, dicht. Deswegen kann eine schwerwiegendere handwerkliche Nachlässigkeit der Beklagten nicht angenommen werden. Vor diesem Hintergrund ist auch für einen geringen Haftungsanteil der Beklagten kein Raum.
C. Kontext der Entscheidung
Mit dem Schadensersatzanspruch neben der Leistung gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB kann Ersatz für Schäden verlangt werden, die aufgrund eines Werkmangels entstanden sind und durch eine Nacherfüllung der geschuldeten Werkleistung nicht beseitigt werden können. Hiervon erfasst sind mangelbedingte Folgeschäden, die an anderen Rechtsgütern des Bestellers oder an dessen Vermögen eintreten. Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB tritt an die Stelle der geschuldeten Werkleistung. Sein Anwendungsbereich bestimmt sich nach der Reichweite der Nacherfüllung. Da die Nacherfüllung gemäß § 634 Nr. 1, § 635 BGB auf Herstellung des geschuldeten Werks gerichtet ist, bestimmt dieses die Reichweite der Nacherfüllung. Die geschuldete Werkleistung ist dabei im Wege der Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Die Nacherfüllung erfasst danach die Beseitigung der Mängel des geschuldeten Werks, die auf einer im Zeitpunkt der Abnahme vorhandenen vertragswidrigen Beschaffenheit des Werks beruhen (BGH, Urteil vom 7. Februar 2019 – VII ZR 63/18 –, mwN.; dazu: Thode, jurisPR-BGHZivilR 9/2019 Anm. 1). Praktische Auswirkungen hat die Abgrenzung zwischen Schadensersatz neben der Leistung und Schadensersatz statt der Leistung bei einer unterbliebenen Fristsetzung, die über „das Sein und Haben“ des Schadensersatzanspruches entscheiden kann (Würdinger, jM 2019, 358). Wenn der Gläubiger die Mahnung mit den Worten verbindet, dass der Termin zur Leistungserbringung mit ihm abzusprechen sei, kann dies geeignet sein, die Frist für den Verzugseintritt nach hinten zu verschieben, da ja dann für die Leistungserbringung noch eine Terminabstimmung vorzuschalten ist (OLG Oldenburg v. 05.11.2024 - 2 U 93/24 - Rn. 22; Seichter in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 286 BGB (Stand: 12.11.2024), Rn. 68_1).
D. Auswirkungen für die Praxis
Das OLG hat die Revision zugelassen. Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO. Offen ist die Rechtsfrage, ob der auf einen werkmangelbedingten Nutzungsausfall gerichtete Schadensersatzanspruch neben der Leistung infolge eines Mitverschuldens des Bestellers durch eine vorwerfbar verzögerte Mangelanzeige auf Null reduziert werden kann. Falls das entgegen der Auffassung des Senats nicht der Fall sein sollte, stellt sich die Rechtsfrage, ob der Nutzungsausfallschaden, der durch eine Mängelbeseitigung nach Fristsetzung verhindert worden wäre, überhaupt als Mangelfolgeschaden gem. §§ 634 Nr. 4, 280 BGB geltend gemacht werden kann oder nur als Schadensersatz statt der Leistung erstattungsfähig ist (OLG Oldenburg, Urteil vom 5. November 2024 – 2 U 93/24 –, Rn. 53). Die Revision ist eingelegt worden, so dass in absehbarer Zeit mit einer höchstrichterlichen Entscheidung zu rechnen ist (BGH VII ZR 187/24).
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