BGH: Zur Terminsgebühr nach RVG

17.7.2024
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Eine Terminsgebühr fällt an, wenn der Gegner eine auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Erklärung zwecks Prüfung und Weiterleitung an seine Partei entgegennimmt.

BGH, Urteil vom 20. Juni 2024 – IX ZR 80/23

  1. Problemstellung

Welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit durch eine (telefonische) Besprechung zwischen den Bevollmächtigten der Prozessparteien eine Terminsgebühr entsteht, hatte der IX. Zivilsenat zu entscheiden.

  1. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Ein Rechtsschutzversicherer verlangt von der beklagten Rechtsanwaltsgesellschaft die Rückzahlung einer im Wege des Vorschusses für ein Berufungsverfahren ihres Versicherungsnehmers an diese geleisteten Terminsgebühr nebst Umsatzsteuer (1.782,14 €). Die Klage des von der Beklagten vertretenen Versicherungsnehmers gegen eine Bank wegen des Widerrufs eines Verbraucherdarlehensvertrags war in erster Instanz abgewiesen, das Urteil am 6. Juli 2019 zugestellt worden. Die Beklagte legte am 6. August 2019 für den Versicherungsnehmer Berufung ein und begründete diese unter dem 8. Oktober 2019. Die Berufung wurde durch das OLG mit Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Die Klägerin verlangt die Rückzahlung von 1.782,14 € und ist der Ansicht, eine Terminsgebühr sei nicht entstanden. Die Beklagte behauptet, einer ihrer Geschäftsführer habe am 6. August 2019 sowie am 8. Oktober 2019 der Prozessbevollmächtigten der Bank telefonisch einen Vergleichsvorschlag unterbreitet. Diese habe jeweils die Weiterleitung der Vergleichsvorschläge an ihre Mandantin zugesagt. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Die Beklagte könne bereits auf der Grundlage ihres Sachvortrags keine Terminsgebühr beanspruchen. Das erste Telefonat am 6. August 2019 habe keine auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung beinhaltet, weil bereits zehn Minuten nach dem Gespräch Berufung eingelegt worden sei, obwohl der Vergleichsvorschlag noch von der gegnerischen Rechtsanwältin an die Bank habe weitergeleitet und besprochen werden müssen. Hinsichtlich des zweiten Telefonats am 8. Oktober 2019 sei maßgeblich, dass die Rechtsanwältin der Bank darin nach dem Klägervorbringen einerseits die Weiterleitung des Vergleichsvorschlags zugesagt, andererseits aber in dem - nur zwei Minuten dauernden - Gespräch erklärt habe, dass sie nicht davon ausgehe, dass Vergleichsbereitschaft bestehe. Jedenfalls für eine solche Fallgestaltung sei die Rechtsprechung dahingehend zu verstehen, dass eine Terminsgebühr nicht allein dadurch anfalle, dass der Gegner die Weiterleitung des Vorschlags an seinen Mandanten zusage.  

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Mit der Begründung des Berufungsgerichts lässt sich ein Erstattungsanspruch der Klägerin nicht bejahen. Es trifft allerdings zu, dass der Rechtsanwalt aus dem Anwaltsvertrag mindestens entsprechend §§ 675, 667 BGB verpflichtet ist, denjenigen Teil eines ihm geleisteten Vorschusses zurückzuzahlen, der die tatsächlich geschuldete Vergütung übersteigt. Zudem ist es richtig, dass im Fall eines rechtsschutzversicherten Mandanten der Rückzahlungsanspruch wegen eines nicht verbrauchten Gebührenvorschusses gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG auf den Rechtsschutzversicherer übergeht, weil die Rechtsschutzversicherung eine Schadensversicherung ist und der Versicherer mit der Vorschussleistung an den Rechtsanwalt seinem Versicherungsnehmer im Sinne der Bestimmung "einen Schaden ersetzt". Hingegen kann der Anfall der Terminsgebühr mit der Begründung des Berufungsgerichts nicht verneint werden. Nach § 2 Abs. 2 RVG, Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 VV RVG verdient der Rechtsanwalt die Terminsgebühr auch durch die Mitwirkung an einer auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts. Nach der Intention des Gesetzgebers sollte mit dieser Regelung der Anwendungsbereich der Terminsgebühr erweitert werden; die Gebühr soll insbesondere bereits dann verdient sein, wenn der Rechtsanwalt an auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen mitwirkt, insbesondere, wenn diese auf den Abschluss des Verfahrens durch eine gütliche Einigung zielen. Dementsprechend stellt der Bundesgerichtshof an das Merkmal der - auch telefonisch durchführbaren - Besprechung keine besonderen Anforderungen und sieht die Terminsgebühr als entstanden an, wenn der Gegner die auf eine Erledigung des Verfahrens gerichteten Äußerungen zwecks Prüfung und Weiterleitung an seine Partei zur Kenntnis nimmt oder sich auch nur an Gesprächen mit dem Ziel einer Einigung interessiert zeigt. Dagegen genügt es nicht, wenn es in dem Gespräch nur um die grundsätzliche Bereitschaft oder abstrakte Möglichkeit einer Einigung oder um Verfahrensabsprachen wie beispielsweise um die Zustimmung zum Ruhen des Verfahrens geht. Verweigert der Gegner von vornherein ein sachbezogenes Gespräch oder eine gütliche Einigung, kommt eine auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung bereits im Ansatz nicht zustande. Die Voraussetzungen für die Auslösung einer Terminsgebühr durch eine außergerichtliche Besprechung können auch in einem Berufungsverfahren, in dem ein Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO erteilt wird, erfüllt sein, wenn die Besprechung bereits vor Erteilung des Hinweises geführt wurde.    

An diesen Grundsätzen ist auch unter Berücksichtigung einer teilweise abweichenden und von dem Berufungsgericht zugrunde gelegten instanzgerichtlichen Rechtsprechung, wonach die bloße Erklärung des anderen Prozessbevollmächtigten, das Angebot an den Mandanten zur Prüfung weiterzuleiten, nicht genügen soll, festzuhalten. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Entstehung der Terminsgebühr führt zu einer einfachen, klaren und rechtssicheren Abgrenzung. Das Urteil ist danach aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird die angebotenen Beweise zum Inhalt der behaupteten beiden Telefonate zu erheben haben.

  1. Kontext der Entscheidung

Ein allgemeines Gespräch über die grundsätzliche Bereitschaft oder abstrakte Möglichkeit einer außergerichtlichen Erledigung löst nicht schon die 1,2-fache Terminsgebühr nach Nr. 3104 RVG VV aus (BGH, Beschl. v. 27.2.2007 - XI ZB 38/05 - Rn. 10). Vielmehr muss es sich gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 3 Fall 3 RVG VV um eine auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung handeln. Mit der Regelung in Vorbemerkung 3 Abs. 3 Fall 3 RVG VV soll das ernsthafte Bemühen des Prozessbevollmächtigten um einen Abschluss des Verfahrens ohne Beteiligung des Gerichts honoriert und damit zugleich die außergerichtliche Streitbeilegung - auch zur Entlastung der Gerichte - gefördert werden, wie sich der. Begründung zum Gesetzentwurf eines Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes (BT-Drucks. 15/1971, S. 148, 209) entnehmen lässt. So hat der BGH eine Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 Alt. 3 RVG-VV zuerkannt, wenn der Prozessbevollmächtigte des Beklagten nach Zustellung einer wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage dem Anwalt des Klägers in einem Telefongespräch anstelle der geforderten eine inhaltsähnliche, abgemilderte Unterlassungserklärung anbietet, und der Anwalt des Klägers zusagt, für den Fall der Abgabe der Unterlassungserklärung zu prüfen, ob der Rechtsstreit mit Blick auf diese Erklärung namens des Klägers in der Hauptsache für erledigt erklärt werden könne (BGH, Beschluss vom 21. Januar 2010 – I ZB 14/09 –, Rn. 8). Eine auf eine Erledigung gerichtete Besprechung setzt als mündlicher Austausch von Erklärungen die Bereitschaft der Gegenseite voraus, überhaupt in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens einzutreten. Verweigert der Gegner von vornherein entweder ein sachbezogenes Gespräch oder eine gütliche Einigung, kommt eine Besprechung bereits im Ansatz nicht zustande. Im Unterschied dazu ist von einer Besprechung auszugehen, wenn sich der Gegner auf das Gespräch einlässt, indem er die ihm unterbreiteten Vorschläge zur Kenntnis nimmt und deren Prüfung zusagt. Da der Gebührentatbestand nicht an den Erfolg einer gütlichen Einigung anknüpft, sind an die mündliche Reaktion des Gegners über Kenntnisnahme und Prüfung des Vorschlags hinausgehende Anforderungen nicht zu stellen (BGH, Beschluss vom 20. November 2006 – II ZB 9/06 –, Rn. 8).

  1. Auswirkungen für die Praxis

Das Kostenfestsetzungsverfahren gem. §§ 103 ff. ZPO unterliegt nicht dem Amtsermittlungsgrundsatz, sondern dem allgemeinen Verhandlungs- und Beibringungsgrundsatz des Erkenntnisverfahrens. Darlegungs- und beweisbelastet ist im Allgemeinen der Kostengläubiger (BeckOK ZPO/Jaspersen, 53. Ed. 1.7.2024, ZPO § 104 Rn. 4 mwN.). Die Prozesspartei, die eine Terminsgebühr beansprucht, trägt daher die Darlegungs- und Beweislast für deren Entstehen. Demgemäß hat der BGH dem Berufungsgericht aufgegeben, die angebotenen Beweise zum Inhalt der behaupteten beiden Telefonate zu erheben (BGH, Urteil vom 20. Juni 2024 – IX ZR 80/23 –, Rn. 11. Zur Berücksichtigung eines Ansatzes genügt, dass er glaubhaft gemacht ist (§ 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Auf jeden Fall hat eine Partei Anspruch auf Festsetzung einer Terminsgebühr, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des Gebührentatbestandes zwischen den Parteien unstreitig sind. Erklärt die Prozessbevollmächtigte einer Partei ausdrücklich, mit dem Bevollmächtigten der anderen Partei eine fernmündliche Unterredung über eine vergleichsweise Erledigung des Rechtsstreits geführt zu haben, kann die beantragte Terminsgebühr nicht wegen der Beweisbedürftigkeit ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen unberücksichtigt bleiben (BGH, Beschluss vom 20. November 2006 – II ZB 6/06 –, Rn. 6). Ansonsten kann und muss ich der Rechtspfleger sämtlicher Beweismittel des § 294 Abs. 1 ZPO bedienen (BGH, Beschluss vom 27. Februar 2007 – XI ZB 38/05 –, Rn. 6).  

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