BGH: Zur formwirksamen Schriftsatzübermittlung per beA

14.8.2024
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Reicht ein Rechtsanwalt über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach einen Schriftsatz, den ein anderer Rechtsanwalt verfasst, aber nicht qualifiziert elektronisch signiert hat, bei Gericht ein, ist dies nicht wirksam.

BGH, Beschluss vom 3. Juli 2024 – XII ZB 538/23

  1. Problemstellung

Wieder einmal (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2024 – IX ZB 30/23) hatte sich der BGH – diesmal der XII. Zivilsenat – mit den durch § 130a Abs. 3 ZPO gestellten Anforderungen an die formwirksame Übermittlung von Schriftsätzen zu befassen.

 

  1. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Antragsteller hat gegen den Teilbeschluss des Familiengerichts, mit dem sein Antrag auf Erteilung einer Auskunft über Einkünfte und Vermögen zur Geltendmachung eines familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs im Wege der Stufenklage zurückgewiesen worden ist, fristgerecht Beschwerde eingelegt. Nach Ablauf der bis zum 9. August 2023 verlängerten Beschwerdebegründungsfrist hat das OLG auf die Unzulässigkeit der Beschwerde mangels fristgerechter Begründung hingewiesen. Daraufhin hat der Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist beantragt und die Beschwerde zugleich begründet. Den Wiedereinsetzungsantrag hat er - unter Beifügung entsprechender eidesstattlicher Versicherungen beider Rechtsanwälte - damit begründet, der Rechtsanwalt, den sein Verfahrensbevollmächtigter unter Hinweis auf den Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist am 9. August 2023 um Übermittlung der Beschwerdebegründung an das OLG per beA gebeten habe, habe die Versendung vergessen. Das OLG hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Beschwerde verworfen.  

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass der Antragsteller die Beschwerde nicht innerhalb der mit dem 9. August 2023 abgelaufenen (verlängerten) Frist eingereicht hat. Ebenfalls im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung hält sich, dass das Beschwerdegericht dem Antragsteller auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Beschwerdebegründungsfrist verweigert hat. Denn die Fristversäumung beruht auf einem Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten, die sich der Antragsteller nach dem über § 113 Abs. 1 FamFG anwendbaren § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. Gemäß § 233 ZPO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn ein Beteiligter ohne sein Verschulden verhindert war, die Beschwerdebegründungsfrist einzuhalten, wobei ein Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten den Beteiligten zuzurechnen ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats muss der Wiedereinsetzungsantrag die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten. Hierzu gehört eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe, aus der sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen die Fristversäumung beruht. Besteht nach diesen von dem Beteiligten glaubhaft gemachten Tatsachen zumindest die Möglichkeit, dass die Fristversäumung vom Beteiligten beziehungsweise seinem Verfahrensbevollmächtigten verschuldet war, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht.

Der Wiedereinsetzungsantrag des Antragstellers und die eidesstattlichen Versicherungen der beiden Rechtsanwälte enthalten keine Schilderung der tatsächlichen Abläufe, die nach den vorstehenden Maßstäben ein fehlendes Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten annehmen ließen. Denn sie lassen nicht erkennen, ob der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers dem von ihm herangezogenen anderen Rechtsanwalt am 9. August 2023 die Beschwerdebegründung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur übermittelt hat. Nach § 130 a ZPO muss die Beschwerdebegründung als elektronisches Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Die Bestimmung stellt damit zwei Wege zur rechtswirksamen Übermittlung von elektronischen Dokumenten zur Verfügung. Zum einen kann der Rechtsanwalt den Schriftsatz mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Zum anderen kann er auch nur einfach signieren, muss den Schriftsatz aber sodann selbst auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130 a Abs. 4 ZPO einreichen. Ist der Verfahrensbevollmächtigte, der den Schriftsatz gefertigt und einfach signiert hat, nicht identisch mit der Person, die durch den sicheren Übermittlungsweg als Absender des elektronischen Dokuments ausgewiesen wird, ist das Dokument danach nicht wirksam eingereicht. In diesem Fall kann die als Absender ausgewiesene Person das Dokument nur dann wirksam einreichen, wenn sie es selbst qualifiziert elektronisch signiert und damit ihren unbedingten Willen zum Ausdruck bringt, auch eine entsprechende Verantwortung für den bestimmenden Schriftsatz zu übernehmen und dessen Inhalt zu verantworten und den Mandanten zumindest als Unterbevollmächtigter in Wahrnehmung des Mandats zu vertreten. Hat der Verfahrensbevollmächtigte dagegen den bestimmenden Schriftsatz mit einer qualifiziert elektronischen Signatur versehen und damit die Verantwortung für dessen Inhalt übernommen, steht es einer wirksamen Einreichung nicht entgegen, wenn bei der Übermittlung eine andere Person als Absender ausgewiesen wird.

Gemessen daran kann vorliegend die Möglichkeit, dass die Fristversäumung vom Antragsteller beziehungsweise seinem Verfahrensbevollmächtigten verschuldet war, nicht ausgeschlossen werden. Der Verfahrensbevollmächtigte hat lediglich vorgetragen, er habe die Beschwerdebegründung am Vormittag des letzten Tags der Begründungsfrist fertiggestellt. Ob und in welcher Form er die Beschwerdebegründung signiert hat, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Insbesondere lässt sich auch den Akten insoweit nicht entnehmen, dass die auf den 9. August 2023 datierte Beschwerdebegründung, die am 30. August 2023 qualifiziert elektronisch signiert und beim Beschwerdegericht eingereicht worden ist, zuvor schon einmal signiert worden wäre. Bei lediglich einfacher Signatur hätte die bloße Weiterleitung des Schriftsatzes durch den anderen Rechtsanwalt aber mangels Identität von verantwortendem und einreichendem Rechtsanwalt nicht zu einer wirksamen Einreichung der Beschwerdebegründung führen können. Ebenso wenig ist dargelegt, dass der Rechtsanwalt, der die Beschwerdebegründung für den Verfahrensbevollmächtigten übermitteln sollte, diese auch selbst qualifiziert elektronisch signieren sollte.  

  1. Kontext der Entscheidung

Nach § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO können Rechtsanwälte die in 130d ZPO angeordnete Nutzungspflicht bei der Übermittlung elektronischer Dokumente auf zwei Wegen erfüllen können: einmal kann das Dokument mit der qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) der verantwortenden Person versehen werden, zum andern reicht die einfache Signatur (= Unterschrift) der verantwortenden Person aus, wenn das Dokument auf einem sicheren Übertragungsweg eingereicht wird. Die qeS hat die gleiche Rechtswirkung wie eine handschriftliche Unterschrift. Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Signierung eines elektronischen Dokuments entsprechen daher ebenso denen bei der Leistung einer Unterschrift wie sie bei der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per beA denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax entsprechen (BGH, Beschluss vom 8. März 2022 – VI ZB 78/21). Bei der einfachen Signatur ( = Unterschrift) ist die Authentizität des Absenders dadurch sichergestellt, dass die Bundesrechtsanwaltskammer nach § 31a Abs. 3 Satz 1 BRAO für jedes Kammermitglied nach Überprüfung der Zulassung ein elektronisches Postfach führt, zu dem das Mitglied nur mittels Chipkarte und PIN Zugang erhält (Greger in: Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 130d Rn. 14). Neben diesen beiden „reinen“ Übermittlungsformen ist eine Mischung aus beiden zulässig (BGH, Beschluss vom 28. Februar 2024 – IX ZB 30/23). In dem diesem Beschluss zugrundeliegenden Sachverhalt hatte der Verfasser des Schriftsatzes nur einfach signiert, d. h. durch maschenschriftliche Einfügung seines Namens mit dem Zusatz „Rechtsanwalt“ unterzeichnet, während die Übermittlung durch einen anderen Sozietätsangehörigen in der Art erfolgt ist, dass dieser die – nicht von ihm stammende – Berufungsbegründung qualifiziert signiert und aus seinem beA an das Berufungsgericht übermittelt hat. Auch wenn ein ausdrücklicher Zusatz, "für" seinen Partner tätig zu werden, fehlt, lässt sich der Unterzeichnung durch einen anderen Rechtsanwalt gleichwohl entnehmen, dass er an dessen Stelle die Unterschrift leisten und damit als weiterer Hauptbevollmächtigter oder zumindest als Unterbevollmächtigter in Wahrnehmung des Mandats auftreten wollte, wie der BGH bereits für eine in Papierform eingereichte Berufungsschrift entschieden hat (BGH, Beschluss vom 14. März 2017 – XI ZB 16/16). Der dahinterstehende Gedanke, dass es sich für einen Rechtsanwalt im Zweifel von selbst versteht, mit seiner Unterschrift auch eine entsprechende Verantwortung für einen bestimmenden Schriftsatz zu übernehmen und nicht lediglich als Erklärungsbote tätig zu werden, gilt genauso für elektronisch übermittelte. Auch insoweit bedarf es daher keines klarstellenden Zusatzes eines Vertretungsverhältnisses, insbesondere nicht der Verwendung des Worts "für" (BGH, Beschluss vom 28. Februar 2024 – IX ZB 30/23 –, Rn. 13).  

  1. Auswirkungen für die Praxis

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn nach den glaubhaft gemachten Tatsachen zumindest die Möglichkeit offenbleibt, dass die Fristversäumung von dem Beteiligten bzw. seinem Verfahrensbevollmächtigten verschuldet war (BGH, Beschluss vom 1. März 2023 – XII ZB 228/22 –, Rn. 13, mwN.). Auch bei Vorliegen eines bloßen Mitverschuldens der Partei, ihres gesetzlichen Vertreters oder ihres Prozessbevollmächtigten an der Fristversäumung scheidet die Wiedereinsetzung aus (BGH, Beschluss vom 18. April 2000 – XI ZB 1/00 ). Beruht die Fristversäumung hingegen auf dem Verschulden eines Dritten, der weder selbst gesetzlicher Vertreter oder Prozessbevollmächtigter ist, steht das der Wiedereinsetzung nicht entgegen; § 278 BGB ist insoweit auch nicht entsprechend anwendbar (BeckOK ZPO/Wendtland, 53. Ed. 1.7.2024, ZPO § 233 Rn. 9). Im Übrigen würde es im besprochenen Fall dem Antragsteller (und seinem Verfahrensbevollmächtigten in einem sich anschließenden Regressprozess) im Ergebnis nicht helfen, wenn die formwirksame Einreichung der Beschwerdebegründung beabsichtigt gewesen wäre. Das schlichte Vergessen der Einreichung der Beschwerdebegründung wäre als Verschulden seines Unterbevollmächtigten zu werten wäre, das sich der Antragsteller wiederum nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsste (BGH, Beschluss vom 3. Juli 2024 – XII ZB 538/23 –, Rn. 13).

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