BGH: Zum AGB-Transparenzgebot
Eine Klausel in Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Wohngebäudeversicherung, die dem Versicherungsnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalls die Einhaltung aller gesetzlichen, behördlichen sowie vertraglich vereinbarten Sicherheitsvorschriften aufgibt, verstößt nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und benachteiligt den Versicherungsnehmer nicht unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
BGH, Urteil vom 25. September 2024 – IV ZR 350/22
- Problemstellung
Ob eine Obliegenheit des Versicherungsnehmers in Allgemeinen Versicherungsbedingungen in jedem Fall so konkret gefasst werden muss, dass sie jede erdenkliche Situation in ihrem Anwendungsbereich genau beschreibt, um dem Transparenzgebot zu genügen, hatte der IV. Zivilsenat zu entscheiden.
- Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger begehrt Versicherungsleistungen nach einem Brandschaden an einem Wohngebäude. Widerklagend machen die beklagten Versicherer Ansprüche auf Rückzahlung geleisteter Vorschüsse geltend. In den Versicherungsvertrag sind die Wohngebäude-Versicherungsbedingungen (VGB 2014) Stand 2014 einbezogen, deren Abschnitt B auszugsweise lautet: "B § 8 Obliegenheiten des Versicherungsnehmers 1. Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalls - a) Vertraglich vereinbarte Obliegenheiten, die der Versicherungsnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllen hat, sind aa) die Einhaltung aller gesetzlichen, behördlichen sowie vertraglich vereinbarten Sicherheitsvorschriften (siehe A § 17)". § 17 VGB 2014 lautet auszugsweise: "A § 17 Vertraglich vereinbarte, besondere Obliegenheiten des Versicherungsnehmers vor dem Versicherungsfall, Sicherheitsvorschriften 1. Sicherheitsvorschriften Als vertraglich vereinbarte, besondere Obliegenheiten hat der Versicherungsnehmer …".
Im September 2018 zerstörte ein Brand Teile des Dachstuhls und der Fassade des versicherten Gebäudes. Ausgangspunkt des Brandes war ein vom Kläger an der Hausfassade errichteter und mit einer Holzkonstruktion ummantelter Pizzaofen. Die Beklagten zahlten zunächst einen Vorschuss auf die Versicherungsleistung von 100.000 €. Im Rahmen der weiteren Sachverhaltsaufklärung teilte der Kläger seiner Versicherungsmaklerin im November 2018 schriftlich mit, der Streithelfer der Beklagten, der zuständige Bezirksschornsteinfegermeister, habe den in Bau befindlichen Ofen besichtigt. Zu diesem Zeitpunkt seien die rechte und die hintere Seite der Holzummantelung des Ofens mit Dämmung montiert und ein Teil des Hohlraums zwischen Ummantelung und Ofen mit Sand verfüllt gewesen. Der Streithelfer habe dem Kläger Vorgaben zum Weiterbau des Ofens gemacht und erklärt, dass er den fertigen Ofen nicht noch einmal sehen wolle. Tatsächlich hatte der Streithelfer nicht auf eine erneute Besichtigung des Ofens vor Erteilung einer Abnahmebescheinigung verzichtet. Die Beklagten haben dem Kläger eine arglistige Obliegenheitsverletzung und einen vorsätzlichen Verstoß gegen Sicherheitsvorschriften durch die Inbetriebnahme des Ofens ohne die gemäß Landesbauordnung erforderliche Abnahme vorgeworfen. Mit seiner Klage hat der Kläger den Ersatz weiteren ihm entstandenen Schadens und die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für den darüberhinausgehenden Schaden begehrt. Widerklagend haben die Beklagten die Rückzahlung der von ihnen geleisteten Vorschüsse verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und den Kläger auf die Widerklagen antragsgemäß verurteilt. Das Oberlandesgericht hat festgestellt, dass die Klage dem Grunde nach gerechtfertigt sei und die Sache für das Betragsverfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Widerklagen - an das Landgericht zurückverwiesen. Die Beklagten hätten nicht bewiesen, dass der Kläger mit seinem Schreiben vom November 2018 eine vertragliche Obliegenheit durch wahrheitswidrige Angaben dahingehend verletzt habe, die Verkleidung des Ofens sei bei der Besichtigung durch den Streithelfer schon teilweise vorhanden gewesen und der Streithelfer habe diese Konstruktion nicht beanstandet. Aus den übrigen Angaben im Schreiben vom November 2018 folge keine arglistige Obliegenheitsverletzung. Zwar habe der Kläger eingeräumt, dass der Streithelfer anlässlich der Besichtigung nicht erklärt habe, den Ofen nicht noch einmal in Augenschein nehmen zu wollen, es fehle aber an Indizien dafür, dass der Kläger mit seiner Falschangabe das Regulierungsverhalten der Beklagten habe beeinflussen wollen. Eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung könne ebenfalls mangels entsprechender Anhaltspunkte nicht festgestellt werden. Grobe Fahrlässigkeit werde zwar zulasten des Klägers vermutet, die Obliegenheitsverletzung sei aber weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich. Eine Verletzung der Obliegenheit aus B § 8 Nr. 1 a) aa) VGB 2014 komme nicht in Betracht. Die Klausel sei aufgrund ihrer für einen durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer unüberschaubaren Reichweite intransparent und damit unwirksam.
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Das als Grundurteil bezeichnete Berufungsurteil ist in der Sache ein Teilurteil iSv. § 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO, weil es jedenfalls die Feststellungsanträge des Klägers nicht umfasst. Als Teilurteil ist es unzulässig, weil die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen droht. Das Berufungsgericht hat auch eine Verletzung der Obliegenheit aus B § 8 Nr. 1 a) aa) VGB 2014 (im Folgenden: Klausel) mit nicht tragfähiger Begründung verneint. Ob eine Klausel in Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die dem Versicherungsnehmer die Einhaltung aller gesetzlichen, behördlichen sowie vertraglich vereinbarten Sicherheitsvorschriften auferlegt, dem Transparenzgebot genügt, ist allerdings umstritten (Nachweise in Rn. 15 – 17). Nach richtiger Ansicht genügt die Klausel den Anforderungen des Transparenzgebots aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Dieses verpflichtet den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Diesem Bestimmtheitsgebot kommt bei der Vereinbarung von Obliegenheiten wegen der einschneidenden Wirkung der Leistungsfreiheit besondere Bedeutung zu. Die Versicherungsbedingungen müssen erkennen lassen, was der Versicherungsnehmer im Einzelnen zu tun oder zu unterlassen hat, um seinen Anspruch auf die Versicherungsleistung nicht zu gefährden. Dem Versicherungsnehmer soll bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor Augen geführt werden, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden. Nur dann kann er die Entscheidung treffen, ob er den angebotenen Versicherungsschutz nimmt oder nicht. Maßgebend sind die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden. Insoweit gilt kein anderer Maßstab als derjenige, der auch bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen zu beachten ist.
Gemessen daran ist die Klausel nicht intransparent. Ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer entnimmt der Klausel zunächst, dass er zum Erhalt seines Versicherungsschutzes vor Eintritt des Versicherungsfalls vertraglich vereinbarte Obliegenheiten zu erfüllen hat. Die Klausel verdeutlicht ihm, dass zu diesen vertraglich vereinbarten Obliegenheiten die Einhaltung bestimmter Sicherheitsvorschriften gehört, die verschiedenen Ursprungs, nämlich gesetzlicher, behördlicher und vertraglicher Natur, sein können. Keine Schwierigkeiten bereitet dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer das Verständnis der sich für ihn aus vertraglich vereinbarten Sicherheitsvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten. Nähere Angaben zu solchen Sicherheitsvorschriften erwartet er schon nach dem Bedingungswortlaut und dem ihm erkennbaren Sinnzusammenhang im Versicherungsvertrag und damit in den diesem Vertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Nimmt der Versicherungsnehmer, dem Verweis in der Klausel folgend, die Regelungen in A § 17 VGB 2014 in den Blick, bestätigt sich ihm aus Überschrift und Wortlaut dieser Klausel, dass dort vertraglich als Obliegenheit vereinbarte Sicherheitsvorschriften aufgeführt sind. Zweifel an der Reichweite dieser Bezugnahme ergeben sich für ihn nicht. Auch die Bezugnahme auf gesetzliche und behördliche Sicherheitsvorschriften in der Klausel ist nicht intransparent. Für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer sind gesetzliche und behördliche Sicherheitsvorschriften rechtlich verbindliche Anordnungen staatlichen Ursprungs, die gerade das versicherte Risiko vor einer versicherten Gefahr schützen sollen. Unter einer Vorschrift im Sinne der Bedingungen versteht er eine rechtlich verbindliche Anordnung einer zuständigen Stelle, die nicht lediglich den Charakter einer Ermahnung, einer Empfehlung oder eines Ratschlags hat. Sinnzusammenhang und erkennbarer Zweck der Bedingung verdeutlichen ihm darüber hinaus, dass die Obliegenheit nur solche Vorschriften umfasst, die dem Versicherungsnehmer bestimmte Verhaltensweisen zur Erhaltung seines Versicherungsschutzes vorschreiben, ihm also Handlungs- oder Unterlassungspflichten auferlegen.
Unter welchen Voraussetzungen eine rechtlich verbindliche Anordnung zu einer bedingungsgemäßen Sicherheitsvorschrift wird, ist für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer ebenfalls ausreichend erkennbar. Der Wortteil "Sicherheit" zeigt dem Versicherungsnehmer, dass die von ihm zu beachtenden Vorschriften Schutzcharakter haben müssen. Nicht erfasst sind hierbei solche Schutzvorschriften, die in keinerlei Zusammenhang mit dem versicherten Risiko stehen. Erkennbarer Zweck der Obliegenheit ist vielmehr, den Eintritt des Versicherungsfalls zu verhindern oder zu erschweren. Der Versicherer und die Gemeinschaft der Versicherten sollen vor dem erhöhten Risiko geschützt werden, das im allgemeinen mit der Verletzung der Sicherheitsvorschriften verbunden ist. Unter Sicherheitsvorschriften versteht der durchschnittliche Versicherungsnehmer danach allein solche Anordnungen, die gerade das versicherte Risiko vor einer versicherten Gefahr schützen sollen. Das sind nur Vorschriften, die bezwecken, den Eintritt des Versicherungsfalls mindestens zu erschweren, und dazu bei abstrakter, vom Einzelfall losgelöster Betrachtung auch geeignet sind. Die Ausdrücke "gesetzlich" und "behördlich" verweisen den durchschnittlichen Versicherungsnehmer auf einen öffentlich-rechtlichen Ursprung der Sicherheitsvorschriften. Ein Gesetz ist nach allgemeinem Sprachverständnis eine vom Staat erlassene, rechtlich bindende Vorschrift. Der Ausdruck "behördlich" bezeichnet aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ebenfalls staatliche Tätigkeiten. In diesem Verständnis sieht sich ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer durch den ihm erkennbaren Sinn und Zweck der Obliegenheit bestätigt, mit der außervertragliche Normierungen vertraglich verbindlich gemacht werden sollen. Der Versicherer möchte sich erkennbar die Sachnähe und das Fachwissen öffentlicher Stellen zunutze machen. Damit verhindert er zugleich, dass die Versichertengemeinschaft anderenfalls für ein Verhalten des Versicherungsnehmers aufzukommen hätte, obwohl dieses von öffentlichen Stellen als gefährlich für das versicherte Risiko erkannt worden ist. Auch in zeitlicher Hinsicht bleibt nicht unklar, welche gesetzlichen oder behördlichen Sicherheitsvorschriften zu beachten sind. Zwar lässt der Wortlaut der Klausel offen, ob nur diejenigen gesetzlichen oder behördlichen Sicherheitsvorschriften erfasst sind, die bei Abschluss des Versicherungsvertrags gegolten haben, oder ob auch nach Vertragsschluss eintretende Änderungen an bestehenden Vorschriften oder neu hinzukommende Sicherheitsvorschriften beachtet werden müssen. Dem Sinn und Zweck der Obliegenheit entnimmt ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer aber, dass es sich bei der Klausel um eine dynamische Verweisung handelt. Maßgebend sind die im Zeitpunkt des Versicherungsfalls anwendbaren Sicherheitsvorschriften. Den bezweckten Schutz der versicherten Sache gewährt die Obliegenheit für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar nur dann lückenlos, wenn sie den Versicherungsnehmer auch zur Beachtung geänderter oder neu hinzukommender Sicherheitsvorschriften anhält. Ein Versicherer, der seine Leistungspflicht an das Einhalten gesetzlicher oder behördlicher Sicherheitsvorschriften knüpft, möchte für die versicherte Gefahr nur bei Beachtung der jeweils geltenden Anordnungen einstehen. Dies bestätigt den Versicherungsnehmer in seiner Annahme eines Gleichlaufs zwischen den für ihn geltenden öffentlich-rechtlichen Anordnungen und der vertraglichen Obliegenheit.
So verstanden ist der Inhalt der Obliegenheit ausreichend bestimmt. Die Verweisung auf Sicherheitsvorschriften außerhalb der Allgemeinen Versicherungsbedingungen steht der Bestimmtheit der Klausel nicht entgegen. Eine Verweisung auf andere Rechtsnormen ist dem geltenden Recht nicht fremd und auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nichts Ungewöhnliches. Eine Obliegenheit des Versicherungsnehmers kann nicht in jedem Fall so konkret gefasst werden, dass sie jede erdenkliche Situation in ihrem Anwendungsbereich genau beschreibt. Ohne Verweisungen können allzu detaillierte, unübersichtliche, nur schwer durchschaubare oder auch unvollständige Klauselwerke entstehen, die ihrerseits den Interessen der Versicherungsnehmer abträglich wären. Auch eine - wie hier - dynamische Verweisung auf ein anderes Regelwerk stellt an sich keine unangemessene Benachteiligung dar. Sie muss allerdings eindeutig als solche erkennbar sein, weil mit ihr dem Vertragspartner das Risiko zukünftiger Rechtsänderungen aufgebürdet wird, so dass er den Umfang der auf ihn zukommenden Belastungen anhand der bei Vertragsschluss geltenden Vorschriften nicht ermitteln kann. Das ist hier der Fall. Wie ausgeführt entnimmt ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer dem mit der Klausel verfolgten Sinn und Zweck, dem Gleichlauf zwischen den für ihn geltenden öffentlich-rechtlichen Anordnungen und der vertraglichen Obliegenheit, dass ihm die Einhaltung der jeweils für ihn geltenden gesetzlichen und behördlichen Sicherheitsvorschriften abverlangt wird. Die Klausel führt dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer auch hinreichend deutlich vor Augen, welche Vorschriften er als gesetzliche oder behördliche Sicherheitsvorschriften zu beachten hat, um den Versicherungsschutz nicht zu gefährden. Bei richtigem Verständnis verbleibt ihm kein zur Intransparenz führender ungerechtfertigter Beurteilungsspielraum. Ebenfalls erfolglos weist der Kläger darauf hin, dass der Versicherer die von der Klausel erfassten gesetzlichen und behördlichen Sicherheitsvorschriften durch einen ausdrücklichen Verweis auf brandschutzrechtliche Vorschriften der Landesbauordnungen oder die für das versicherte Gebäude geltenden Genehmigungen oder Brandschutzgutachten konkreter bezeichnen könnte. Einem etwaigen Gewinn an Klarheit für den Versicherungsnehmer stehen Rationalisierungsinteressen des Versicherers gegenüber. Wie die Beklagten zu Recht einwenden, ist es ihnen nicht möglich, sämtliche Sicherheitsvorschriften zum Schutz der versicherten Sache im Vorhinein aufzuzeigen oder in einer Weise zu konkretisieren, die dem Versicherungsnehmer einen Erkenntnisgewinn verschaffen könnte. Dies gilt insbesondere für behördliche Anordnungen gegenüber dem Versicherungsnehmer, die der Versicherer regelmäßig nicht kennt. Im Übrigen ist ein Verstoß gegen das Transparenzgebot nicht schon dann zu bejahen, wenn Bedingungen noch klarer und verständlicher hätten formuliert werden können.
Die Verweisung ist auch nicht deshalb intransparent, weil sich der Inhalt der in Bezug genommenen Sicherheitsvorschriften aus der Klausel selbst nicht ergibt. Grundsätzlich genügt es, dass der Text der Vorschrift, auf die verwiesen wird, für jedermann ohne weiteres zugänglich ist. Eine lediglich präzisierende Verweisung begründet deshalb regelmäßig keinen Verstoß gegen das Transparenzgebot. Intransparent ist eine Klausel erst dann, wenn sich ihr Regelungsgehalt überhaupt erst aus der in Bezug genommenen Vorschrift erschließt oder die Verweisung dazu führt, dass die kundenbelastende Wirkung unter Berücksichtigung alternativer Gestaltungsmöglichkeiten mehr verschleiert als offengelegt und der Kunde deshalb an der Wahrnehmung seiner Rechte gehindert wird. So liegt es hier nicht. Zwar ergibt sich, der Inhalt der in Bezug genommenen Sicherheitsvorschriften nicht aus der Klausel. Um zu erkennen, wie er sich im Einzelfall zu verhalten hat, um seinen Versicherungsschutz nicht zu gefährden, muss der Versicherungsnehmer die in Bezug genommenen Sicherheitsvorschriften konsultieren. Das ist ihm aber möglich und zumutbar. Die Beklagten weisen zu Recht darauf hin, dass es sich um für den Versicherungsnehmer verbindliche Vorschriften handelt, deren Inhalt er entweder kennt oder kennen kann, weil sie ihn infolge gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ohnehin treffen. Das gilt insbesondere für allein an den Versicherungsnehmer gerichtete Anordnungen. Auch über den Inhalt von behördlichen Sicherheitsvorschriften für einen größeren Adressatenkreis oder von gesetzlichen Sicherheitsvorschriften kann er sich an geeigneter Stelle informieren. Zusätzlich den Abdruck oder die Aushändigung von Vorschriften zu verlangen, die der Versicherungsnehmer unschwer einsehen kann, überspannte dagegen die Anforderungen an das Verständlichkeitsgebot.
Die Nichtanwendung der Klausel stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Sie benachteiligt den Versicherungsnehmer nicht unangemessen entgegen Treu und Glauben im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Klausel schränkt keine wesentlichen Rechte des Versicherungsnehmers in einer die Erreichung des Vertragszwecks gefährdenden Weise im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB ein. Nicht jede Beschränkung des Leistungsversprechens bedeutet eine Vertragszweckgefährdung. Sie liegt erst dann vor, wenn eine Einschränkung den Vertrag seinem Gegenstand nach aushöhlt und in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos macht. Das ist für das Leistungsversprechen in der Wohngebäudeversicherung nicht schon deshalb anzunehmen, weil der Versicherungsschutz entfallen kann, wenn der Versicherungsnehmer Sicherheitsvorschriften zum Schutz des versicherten Gebäudes vor dem vereinbarten Risiko verletzt, die er kraft gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ohnehin zu beachten hat. Die Klausel benachteiligt den Versicherungsnehmer auch nicht sonst unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Eine unangemessene Benachteiligung liegt vor, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Der Wohngebäudeversicherer hat ein schützenswertes Interesse daran, die vom Versicherungsnehmer ohnehin zu beachtenden öffentlich-rechtlichen Pflichten als Obliegenheiten zum Mindestschutzstandard für das versicherte Risiko zu erheben. Die Belange des Versicherungsnehmers sind zudem durch das Erfordernis eines inneren Schutzzweckzusammenhangs zwischen der Verletzung der Vorschrift und dem Schaden hinreichend gewahrt. Es benachteiligt den Versicherungsnehmer schließlich nicht unangemessen, dass er bei einer Verletzung einer Sicherheitsvorschrift für den Fortbestand des Versicherungsschutzes fehlende grobe Fahrlässigkeit nachweisen oder den Kausalitätsgegenbeweis erbringen muss, denn dies entspricht dem gesetzlichen Leitbild in § 28 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 und Abs. 3 Satz 1 VVG.
- Kontext der Entscheidung
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass die Verpflichtung, den Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren, nur im Rahmen des Möglichen besteht. Weder bedarf es eines solchen Grades an Konkretisierung, dass alle Eventualitäten erfasst sind und im Einzelfall keinerlei Zweifelsfragen auftreten können, noch ist ein Verstoß gegen das Transparenzgebot schon dann zu bejahen, wenn Bedingungen noch klarer und verständlicher hätten formuliert werden können (BGH, Urteil vom 20. November 2019 – IV ZR 159/18). Intransparent sind insbesondere Klauseln, die die Rechtslage unzutreffend und deshalb irreführend darstellen. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sieht jedoch bereits im Wortlaut vor, dass sich aus einer nicht klaren und verständlichen Bestimmung eine unangemessene Benachteiligung (nur) ergeben kann, nicht aber immer ergibt oder ergeben muss (BGH, Urteil vom 12. September 2024 – IX ZR 65/23 –, juris). Da das Transparenzgebot lediglich eine Konkretisierung der Generalklausel des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist, bewirkt ein Verstoß nur dann die Unwirksamkeit der Klausel, wenn damit Nachteile für den Vertragspartner verbunden sind. Fehlende Transparenz ist aber immer für den Vertragspartner von Nachteil, da er gehindert wird, Verhandlungsmöglichkeiten wahrzunehmen und seine Rechte und Pflichten zu erkennen (Lapp/Salamon in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 307 BGB (Stand: 02.09.2024), Rn. 170 mwN.).
- Auswirkungen für die Praxis
Allgemeine Geschäftsbedingungen, die Art, Umfang und Güte der vertraglichen Hauptleistung und der hierfür zu zahlenden Vergütung unmittelbar bestimmen (Leistungsbeschreibungen und Preisvereinbarungen), sind von der Inhaltskontrolle ausgenommen. Die Freistellung von der Inhaltskontrolle gilt jedoch nur für Abreden über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistungspflichten, d.h. den Bereich von Regelungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann (BGH, Urteil vom 11. Juli 2019 – VII ZR 266/17). Seit der Schuldrechtsnovellierung unterliegen auch „andere Bestimmungen“ – also Klauseln, die grundsätzlich nicht kontrollfähig sind – gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB der Transparenzkontrolle. Kontrollmaßstab ist, ob die Klausel nicht nur in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Vertragspartner verständlich ist, sondern darüber hinaus die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (BGH, Beschluss vom 15. Februar 2017 – IV ZR 202/16). Während für der Inhaltskontrolle unterworfene Klauseln bei einer Unwirksamkeit an deren Stelle die gesetzlichen Vorschriften treten, die durch die unwirksamen Klauseln abgeändert werden sollten (§ 306 Abs. 2 BGB), fehlt für die „anderen Bestimmungen“ naturgemäß Gesetzesrecht, so dass im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ermittelt werden muss, was die Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Intransparenz bewusst gewesen wäre.
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