BGH: Vollmachtsnachweis gem. § 80 ZPO

14.6.2024
1
 min Lesezeit
Auf LinkedIn teilen

Gemäß § 80 Satz 1 ZPO ist die Vollmacht schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Wurde die Prozessvollmacht nicht unmittelbar von der Partei bzw. deren gesetzlichem Vertreter erteilt, muss die Vollmachtkette lückenlos in der Form des § 80 ZPO nachgewiesen werden. Dabei muss grundsätzlich auch die behauptete Generalvollmacht eines Bevollmächtigten zu den Gerichtsakten gegeben werden. Der Nachweis der schriftlichen Vollmacht kann nur durch Einreichung der Originalurkunde - gegebenenfalls in beglaubigter Form - geführt werden, die Vorlage von Kopien oder ein urkundlicher Nachweis irgendwelcher Art genügen nicht.

BGH, Beschluss vom 23. Januar 2024 – VI ZB 88/21

  1. Problemstellung

Da Rechtsanwälte als unabhängige Organe der Rechtspflege besonderes Vertrauen genießen, darf sich das Gericht, nicht zuletzt im Interesse der Verfahrensvereinfachung, grundsätzlich auf ihre Erklärung verlassen, ihnen sei Verfahrensvollmacht erteilt worden (BGH, Beschluss vom 16. Mai 2013 – V ZB 24/12 -, Rn. 10, mwN.). Den Mangel der Vollmacht hat das Gericht daher von Amts wegen nur zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt (§ 88 Abs. 2 ZPO). Der Gegner kann jedoch den Mangel der Vollmacht in jeder Lage des Rechtsstreits rügen (§ 88 Abs. 1 ZPO). In welcher Form eine Vollmachtskette nachzuweisen ist, hatte der VI. Zivilsenat zu entscheiden.

  1. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Klägerin, die von den Beklagten Schadensersatz wegen angeblich wahrheitswidriger Tatsachenbehauptungen und Falschaussagen in mehreren Vorverfahren begehrt, ist eine vermögenslose Gesellschaft portugiesischen Rechts mit Sitz auf der Insel Madeira. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Hiergegen hat die Klägerin, vertreten durch die Rechtsanwälte H., Berufung eingelegt. Am letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist hat sich Rechtsanwalt Dr. W. ebenfalls für die Klägerin bestellt und die Berufung mit Schriftsatz vom gleichen Tag begründet. Das Berufungsgericht hat die Klägerin gebeten mitzuteilen, durch wen sie gesetzlich vertreten wird und ihr eine Frist zur Vorlage der Prozessvollmachten für Rechtsanwalt Dr. W. und die Rechtsanwälte H. gesetzt. Diese haben daraufhin eine Fotokopie einer Vollmachtsurkunde vom 14. Dezember 2012 mit der Klägerin sowie deren damaligem Geschäftsführer V. als Vollmachtgebern und Rechtsanwalt Dr. W. und dessen Vater als - einzeln - Bevollmächtigten übersandt, die u.a. die Vertretung der Vollmachtgeber gegenüber Behörden, einschließlich Finanzbehörden und Gerichten umfasst, sowie eine Fotokopie einer Vollmachtsurkunde vom 30. September 2020, ausgestellt von Rechtsanwalt Dr. W. als Vertreter der Klägerin, mit der die Rechtsanwälte H. zur Prozessführung im anhängigen Verfahren bevollmächtigt werden. Das Berufungsgericht hat sodann Rechtsanwalt Dr. W. und die Rechtsanwälte H. unter Fristsetzung für die Beibringung der Genehmigung der Prozessführung gegen Sicherheitsleistung einstweilen zur Prozessführung zugelassen und darauf hingewiesen, die Erteilung wirksamer Prozessvollmachten habe mit den vorgelegten Schriftstücken nicht nachgewiesen werden können. Die - fotokopierte - Urkunde vom 14. Dezember 2012 stelle keine Prozessvollmacht (für Rechtsanwalt Dr. W) dar, da sie keinen konkreten Rechtsstreit bezeichne und die Führung eines Anwaltsprozesses nicht umfasse. Die Erteilung der Prozessvollmacht für die Rechtsanwälte H. durch Dr. W aufgrund der Generalvollmacht vom 14. Dezember 2012 sei unwirksam, da den Rechtsanwälten H. habe bewusst sein müssen, dass diese Vollmacht von Dr. W missbraucht worden sei, um einen weiteren, von vornherein aussichtslosen Rechtsstreit gegen die Beklagten auf Kosten der offensichtlich vermögenslosen Klägerin und damit letztlich auch des Prozessgegners zu führen. Nachdem in der Folge Rechtsanwalt Dr. W. lediglich zwei von ihm selbst als "Generalbevollmächtigter" der Klägerin auf die Rechtsanwälte H. ausgestellte Prozessvollmachten im Original übersandt hatte, hat das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen. Eine wirksame Bevollmächtigung gemäß § 80 ZPO sei nicht nachgewiesen, die Prozessführung nicht genehmigt und die festgesetzte Sicherheit nicht geleistet worden.  

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil ein vollmachtloser Vertreter sie eingelegt hat und die Einlegung durch die Klägerin auch nicht genehmigt worden ist. Zwar hat die Klägerin das Original einer schriftlichen Bestätigung der nach ihrem Vortrag zunächst mündlich von Rechtsanwalt Dr. W. erteilten Prozessvollmacht vorgelegt, welche dieser im Rahmen seiner Generalvollmacht vom 14. Dezember 2012 für die Klägerin dem als Rechtsanwalt beim BGH zugelassenen Prozessbevollmächtigten Prof. Dr. S. für die dritte Instanz erteilt habe. Auf den Hinweis des Senats, dass auch die Vollmacht vom 14. Dezember 2012 im Original vorzulegen sei, hat Prof. Dr. S. mitgeteilt, die der Erteilung der Prozessvollmacht zugrundeliegende Generalvollmacht der Klägerin für Dr. W. sei nicht mehr auffindbar. Es sei nur eine Kopie dieser Vollmacht gefunden worden. Auf dieser habe der damalige Geschäftsführer der Klägerin seine damals geleistete Unterschrift nunmehr wiederholt. Die Klägerin hat den Nachweis der Bevollmächtigung ihres Prozessbevollmächtigten in dritter Instanz bereits nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise erbracht, nachdem das Vorliegen einer wirksamen Prozessbevollmächtigung durch den Gegner gerügt worden und daher vom Senat zu prüfen ist.

Gemäß § 80 Satz 1 ZPO ist die Vollmacht schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Wurde die Prozessvollmacht nicht unmittelbar von der Partei bzw. deren gesetzlichem Vertreter erteilt, muss die Vollmachtkette lückenlos in der Form des § 80 ZPO nachgewiesen werden. Dabei muss grundsätzlich auch die behauptete Generalvollmacht eines Bevollmächtigten zu den Gerichtsakten gegeben werden. Der Nachweis der schriftlichen Vollmacht kann nur durch Einreichung der Originalurkunde - gegebenenfalls in beglaubigter Form (§§ 415, 435 ZPO) - geführt werden, die Vorlage von Kopien oder ein urkundlicher Nachweis irgendwelcher Art genügen nicht. Diesen Anforderungen entsprechen die zum Nachweis der Prozessvollmacht von RA Prof. Dr. S. für das Rechtsbeschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen nicht. Zwar liegt die Vollmacht, die ihm von RA Dr. W. erteilt wurde, im Original vor. Die für die Klägerin wirkende Vertretungsmacht des Dr. W., die im Rechtsbeschwerdeverfahren allein auf eine vom damaligen Geschäftsführer der Klägerin ausgestellte Vollmacht vom 14. Dezember 2012 gestützt wird, ist jedoch nicht in der von § 80 Satz 1 ZPO vorgeschriebenen Form durch Vorlage der Originalurkunde nachgewiesen worden. Die eingereichte weitere Kopie der Vollmachtsurkunde vom 14. Dezember 2012 genügt den vorgenannten Anforderungen nicht. Daran ändert die nachträglich auf der Kopie aufgebrachte und von einem portugiesischen Rechtsanwalt bestätigte Unterschrift des ehemaligen Geschäftsführers der Klägerin nichts. Ebenso wie die Abgabe einer eidesstattlichen Erklärung, ein der Kopie zu Grunde liegendes Original unterzeichnet zu haben, führt auch die spätere schriftliche Bestätigung einer nur als Fotokopie vorliegenden Vollmachtsurkunde nicht dazu, dass diese als Originalurkunde anzusehen ist. Zwar kann die Bestätigung unter Umständen als Genehmigung im Sinne des § 89 ZPO gewürdigt werden, jedoch müssen hierfür dessen Voraussetzungen erfüllt sein. Hieran fehlt es jedoch, da der die Kopie der Vollmacht vom 14. Dezember 2012 bestätigende V. zum Zeitpunkt der Bestätigung nicht mehr Geschäftsführer der Klägerin war und daher keine diese bindenden Erklärungen abgeben konnte. Eine Genehmigung der Prozessführung durch den derzeitigen gesetzlichen Vertreter der Klägerin ist nicht erfolgt.

  1. Kontext der Entscheidung

Der Mangel der Vollmacht kann von dem Gegner in jeder Lage des Verfahrens gerügt werden (§ 88 Abs. 1 ZPO). Der Gegner hat auf diese Rüge die Bevollmächtigung durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen und diese zu den Gerichtsakten abzugeben (§ 80 Abs. 1 ZPO). Der Nachweis der schriftlichen Vollmacht kann nur durch Einreichung der Originalurkunde - gegebenenfalls in beglaubigter Form (§ 80 Abs. 2 ZPO) - geführt werden, ein urkundlicher Nachweis irgendwelcher Art genügt nicht. An einer solchen zweifelsfreien Feststellung der Bevollmächtigung besteht ein öffentliches Interesse und ein Interesse des Prozessgegners. Durch schriftliche Vollmacht nachzuweisen sind gegebenenfalls Haupt- und Untervollmacht (BGH, Beschluss vom 23. Februar 2006 – III ZB 50/05 –, Rn. 9, mwN.). Zum Nachweis der Bevollmächtigung gemäß § 80 Satz 1 ZPO ist das Original der Vollmachtsurkunde vorzulegen. Schriftstücke, die lediglich einen durch technische Übertragungsverfahren hergestellten Abdruck der Originalurkunde enthalten, reichen hierfür ebenso wenig aus wie ein urkundlicher Nachweis irgendwelcher Art  (BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2019 – IX ZR 37/19 –, Rn. 3, mwN.). Auch elektronische Übermittlung genügt trotz Transfer-Vermerk nicht (Althammer in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 80 Rn. 8). Ebenso wie die Abgabe einer eidesstattlichen Erklärung, ein der Kopie zu Grunde liegendes Original unterzeichnet zu haben (BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2019 - IX ZR 37/19, Rn. 2 f.), führt auch die spätere schriftliche Bestätigung einer nur als Fotokopie vorliegenden Vollmachtsurkunde nicht dazu, dass diese als Originalurkunde anzusehen ist. Zwar kann die Bestätigung unter Umständen als Genehmigung iSd. § 89 ZPO gewürdigt werden, jedoch müssen hierfür dessen Voraussetzungen erfüllt sein (BGH, Beschluss vom 23. Januar 2024 – VI ZB 16/22 –, Rn. 10). Genehmigt der Berechtigte, wird dadurch der Verfahrensmangel der nicht ordnungsgemäßen Vertretung von Anfang an geheilt (§ 89 Abs. 2 ZPO). Wegen ihrer Rückwirkung braucht die Genehmigung nicht innerhalb der Frist erklärt zu werden, die für die genehmigte Verfahrenshandlung gilt (BGH, Beschluss vom 10. Januar 1995 – X ZB 11/92 –,Rn. 12).

  1. Auswirkungen für die Praxis

Bei einer fehlenden wirksamen Bevollmächtigung sind die Prozesskosten grundsätzlich dem aufzuerlegen, der den nutzlosen Verfahrensaufwand veranlasst hat (sog. Veranlasserprinzip). Dies kann auch der vollmachtlose Vertreter sein. Er kommt als Veranlasser in der Regel dann in Betracht, wenn er den Mangel der Vollmacht kennt (BGH, Beschluss vom 23. Februar 2017 – III ZB 60/16 –, Rn. 10, mwN.). Der VI. Zivilsenat hat aber die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Klägerin – und nicht ihrem Prozessbevollmächtigten – auferlegt. Denn der damalige Geschäftsführer der Klägerin hat bestätigt, dass er die - in Kopie vorgelegte - Vollmacht vom 14. Dezember 2012 für Rechtsanwalt Dr. W ausgestellt hat. Auch wenn dies zum Nachweis der Vollmacht in der von § 80 ZPO vorgeschriebenen Form nicht genügt, könne vor diesem Hintergrund nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin die in ihrem Namen erfolgte Erteilung der Prozessvollmacht und die Einlegung der Rechtsbeschwerde (mit) veranlasst hat. Zudem könne nicht angenommen werden, dass der beim BGH zugelassene anwaltliche Vertreter der Klägerin oder Rechtsanwalt Dr. W bezüglich der Einlegung der vorliegenden Rechtbeschwerde im Bewusstsein des Fehlens einer wirksamen Vollmacht gehandelt hätten. Insoweit genügt es hier nicht, dass der Nachweis der Vollmacht nicht gemäß § 80 ZPO durch Vorlage des Originals der Bevollmächtigung von Dr. W vom 14. Dezember 2012 geführt werden konnte. Daraus lässt sich angesichts der vorhandenen Kopie nicht auf eine Kenntnis davon schließen, dass eine wirksame Bevollmächtigung von Rechtsanwalt Dr. W zur Erteilung einer Prozessvollmacht für die Klägerin im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht stattgefunden hatte (BGH, Beschluss vom 23. Januar 2024 – VI ZB 88/21 –, Rn. 11).

Kontakt
aufnehmen

Vereinbaren Sie gerne ein persönliches Beratungsgespräch mit uns,
Telefon: 0511 9999 4747 oder E-Mail: kanzlei@addlegal.de.

Telefonisch erreichen Sie uns von Montag bis Freitag
in der Zeit zwischen 8:00 Uhr und 18:00 Uhr.