BGH: Schriftformwahrung bei qeS
1. Bei einer empfangsbedürftigen Willenserklärung ist es auch für die elektronische Form zur Wahrung der Form nicht ausreichend, dass die Willenserklärung formgerecht abgegeben wurde; diese muss dem Erklärungsgegner vielmehr auch in der entsprechenden Form zugehen. Für den Zugang einer in einem qualifiziert elektronisch signierten elektronischen Dokument enthaltenen Willenserklärung ist es daher erforderlich, dass dieses Dokument so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass dieser die qualifizierte elektronische Signatur des Erklärenden und damit die Echtheit des Dokuments prüfen kann.
2. Diese Voraussetzungen sind in dem Zeitraum vor dem Inkrafttreten der Vorschrift des § 130e ZPO am 17. Juli 2024 erfüllt, wenn in einem Zivilprozess ein elektronischer Schriftsatz mit einer gültigen qualifizierten elektronischen Signatur, der eine empfangsbedürftige Willenserklärung enthält, vom Gericht unter Aufrechterhaltung der elektronischen Signatur elektronisch an den Empfänger der Willenserklärung weitergeleitet wird.
3. In dem Zeitraum vor dem Inkrafttreten des § 130e ZPO bewirkt die Übermittlung eines Ausdrucks eines mit einer gültigen qualifizierten elektronischen Signatur versehenen, bei Gericht im Rahmen eines Zivilprozesses eingegangenen elektronischen Dokuments unter Beifügung eines Transfervermerks im Sinne des § 298 Abs. 3 ZPO keinen wirksamen Zugang der in dem Dokument enthaltenen empfangsbedürftigen Willenserklärung beim Erklärungsgegner.
BGH, Urteil vom 27. November 2024 – VIII ZR 159/23
A. Problemstellung
Seit dem 17. Juli 2024 gilt für empfangsbedürftige Willenserklärungen, die der schriftlichen oder elektronischen Form bedürfen und die klar erkennbar in einem vorbereitenden (zivilprozessualen) Schriftsatz enthalten sind, die durch das Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz vom 12. Juli 2024 (BGBl. I Nr. 234) geschaffene Norm des § 130e ZPO. Diese fingiert in Satz 1 für die genannten Willenserklärungen, sofern der Schriftsatz als elektronisches Dokument nach § 130a ZPO bei Gericht eingereicht und dem Empfänger zugestellt oder mitgeteilt wurde, den formwirksamen Zugang. Ob der Vorschrift des § 130e ZPO Rückwirkung dergestalt zukommt, dass sie auf die bereits vor ihrem Inkrafttreten erfolgte Abgabe und den Zugang einer in einem prozessualen Schriftsatz enthaltenen Willenserklärung Anwendung findet, hatte der VIII. Zivilsenat zu entscheiden.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Beklagte ist Mieter einer Wohnung der Klägerin. Die Bruttomiete betrug zuletzt monatlich 648,97 €. Ab dem Frühjahr 2019 bis Januar 2021 geriet der Beklagte mit rund 2.600 € in Zahlungsrückstand. Ab Februar 2021 reduzierte sich der Mietrückstand durch kontinuierliche Überzahlungen des Beklagten, betrug jedoch im Februar 2022 weiterhin mehr als zwei Monatsmieten. Mit Schreiben vom 10. Februar 2022 erklärte die Klägerin die außerordentliche fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen des Zahlungsrückstands. In der qualifiziert elektronisch signierten Klageschrift vom 9. März 2022 hat die Klägerin erneut die außerordentliche fristlose Kündigung wegen des Zahlungsrückstands erklärt. Eine weitere außerordentliche fristlose und hilfsweise ordentliche Kündigung ist mit dem qualifiziert elektronisch signierten Schriftsatz vom 13. Mai 2022 erfolgt. Beide als elektronisches Dokument eingereichten Schriftsätze sind durch das Gericht ausgedruckt und dem - erstinstanzlich noch nicht anwaltlich vertretenen - Beklagten zugestellt worden.
Das Amtsgericht hat die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtete Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Landgericht zurückgewiesen. Die Kündigung vom 10. Februar 2022 sei unwirksam, weil sie zu diesem Zeitpunkt überraschend und damit rechtsmissbräuchlich gewesen sei. Die beiden Kündigungserklärungen in der Klageschrift vom 9. März 2022 und im Schriftsatz vom 13. Mai 2022 seien formunwirksam. Nach § 568 Abs. 1 BGB bedürfe die Kündigung des Mietverhältnisses der schriftlichen Form. Sei durch Gesetz die schriftliche Form vorgeschrieben, müsse die Urkunde vom Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden (§ 126 Abs. 1 BGB). Solle die Schriftform durch die elektronische Form ersetzt werden - was bei der Kündigung eines Mietverhältnisses mangels abweichender gesetzlicher Regelung zulässig sei (§ 126 Abs. 3 BGB) -, müsse der Aussteller der Erklärung dieser seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen (§ 126a Abs. 1 BGB). Vorliegend habe die Klägerin die Kündigungserklärungen vom 9. März 2022 und vom 13. Mai 2022 in die entsprechenden Schriftsätze aufgenommen, diese mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen und die so signierten Schriftsätze auf dem gemäß § 130d ZPO vorgeschriebenen Weg bei Gericht eingereicht. Es genüge jedoch nicht, dass die Erklärung formgerecht abgegeben worden sei; darüber hinaus müsse dem Erklärungsempfänger die formgerechte Urkunde zugehen. Der Empfänger habe ein schutzwürdiges Interesse, Gewissheit und sichere Beweisunterlagen darüber zu erlangen, dass die ihm zugegangene Erklärung formgerecht und damit wirksam abgegeben worden sei. Im vorliegenden Fall seien die in den Schriftsätzen vom 9. März 2022 und vom 13. Mai 2022 enthaltenen Kündigungserklärungen dem seinerzeit anwaltlich nicht vertretenen Beklagten nicht elektronisch, sondern nach Ausdruck auf dem Postweg übermittelt worden und damit weder in Schriftform noch in sie ersetzender elektronischer Form zugegangen. Durch den mit dem Ausdruck verbundenen Medienbruch sei die elektronische Signatur zwangsläufig verloren gegangen.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung, soweit sie aufgrund des beschränkten Umfangs der Revisionszulassung (Kündigungserklärungen in der Klageschrift vom 9. März 2022 und im Schriftsatz vom 13. Mai 2022) eröffnet ist, stand. Die Revision ist daher zurückzuweisen. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die beiden Kündigungserklärungen in der als elektronisches Dokument eingereichten Klageschrift vom 9. März 2022 und im ebenfalls elektronisch übermittelten Schriftsatz vom 13. Mai 2022 gemäß § 125 Satz 1 BGB unwirksam sind, weil sie das Schriftformerfordernis gemäß § 568 Abs. 1 BGB mangels Zugangs einer formgerechten Willenserklärung beim Beklagten (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht erfüllt haben. Die mit dem 17. Juli 2024 in Kraft getretene Norm des § 130e ZPO fingiert in Satz 1 für die genannten Willenserklärungen, sofern der Schriftsatz als elektronisches Dokument nach § 130a ZPO bei Gericht eingereicht und dem Empfänger zugestellt oder mitgeteilt wurde, den formwirksamen Zugang. Nach dem Willen des Gesetzgebers schließt diese Fiktion jene der formgerechten Abgabe der Willenserklärung ein. Die Formfiktion gilt nach § 130e Satz 2 ZPO auch dann, wenn die Ersetzung der schriftlichen Form durch die elektronische Form ausgeschlossen ist. Die Vorschrift des § 130e ZPO ist auch auf bestimmende Schriftsätze anwendbar. Eine Anwendung dieser Regelung auf den vorliegend bereits vor deren Inkrafttreten erfolgten Eingang der elektronischen Klageschrift vom 9. März 2022 und des elektronischen Schriftsatzes vom 13. Mai 2022 bei Gericht sowie die Weiterleitung dieser Schriftsätze durch Ausdruck und Zustellung an den Beklagten in Papierform kommt jedoch nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts nicht in Betracht. Unter Heranziehung dieser verfassungsrechtlich verankerten Grundsätze kann der Vorschrift des § 130e ZPO keine Rückwirkung dergestalt zukommen, dass sie auf die bereits vor ihrem Inkrafttreten erfolgte Abgabe und den Zugang einer in einem prozessualen Schriftsatz enthaltenen Willenserklärung Anwendung findet. Denn die Norm regelt, obgleich wegen ihrer Anknüpfung an einen prozessualen Schriftsatz in der Zivilprozessordnung enthalten, die das materielle Recht betreffenden Fragen der Abgabe und des Zugangs form- und empfangsbedürftiger Willenserklärungen. Ob eine form- und empfangsbedürftige Kündigungserklärung wirksam abgegeben und zugegangen ist, muss sich jedoch aus Gründen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit nach dem in diesem Zeitpunkt geltenden Recht beurteilen. Insofern richtet sich die Beurteilung des vorliegenden Falles nach der vor dem Inkrafttreten des § 130e ZPO geltenden Rechtslage. Ob - wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist - die gemäß § 568 Abs. 1 BGB für die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses erforderliche Schriftform, welche nach § 126 Abs. 1 BGB eine Unterzeichnung der Urkunde mittels eigenhändiger Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens voraussetzt, gemäß § 126 Abs. 3 BGB in dem hier vorliegenden Fall durch die elektronische Form im Sinn von § 126a Abs. 1 BGB ersetzt werden konnte, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn es fehlt jedenfalls der erforderliche formgerechte Zugang der in den qualifiziert elektronisch signierten elektronischen Schriftsätzen enthaltenen Kündigungserklärungen beim Beklagten (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB). Nach § 126 Abs. 3 BGB kann die schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. § 568 Abs. 1 BGB schließt - anders als beispielsweise die Formvorschriften der §§ 623, 766 Satz 2, § 780 Satz 2 und § 781 Satz 2 BGB - für die Kündigung eines Mietverhältnisses die elektronische Form nicht aus. Es ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob sich der Regelungsgehalt des § 126 Abs. 3 BGB darin erschöpft, die Ersetzung der Schriftform durch die elektronische Form für den Fall zu ermöglichen, in dem eine abweichende gesetzliche Regelung fehlt, oder ob die Möglichkeit der Ersetzung der für die Wirksamkeit einer Willenserklärung angeordneten Schriftform durch die elektronische Form gemäß § 126 Abs. 3 BGB bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen zudem voraussetzt, dass der Empfänger der Willenserklärung hiermit einverstanden ist (Nachweise in Rn. 29). Die Frage bedarf allerdings vorliegend auch keiner Entscheidung. Denn unabhängig von einem eventuell erforderlichen Einverständnis des Beklagten mit der Ersetzung der Schriftform durch die elektronische Form, zu dessen Vorliegen das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat, sind die in den elektronischen Schriftsätzen vom 9. März 2022 und 13. Mai 2022 enthaltenen Kündigungserklärungen dem Beklagten nicht formgerecht zugegangen.
Zur Wahrung einer für eine empfangsbedürftige Willenserklärung vorgeschriebenen Form ist nicht ausreichend, dass diese nach den jeweiligen Formvorschriften abgegeben wurde. Sie muss vielmehr, um wirksam zu werden, dem Erklärungsgegner auch in der vorgeschriebenen Form gemäß § 130 BGB zugehen. Dieses Zugangserfordernis gilt auch für den Fall einer empfangsbedürftigen Willenserklärung in elektronischer Form. Der Gesetzgeber hat bei der Schaffung der Möglichkeit der Wahrung von gesetzlichen Formvorschriften durch ein elektronisches Dokument mit qualifizierter elektronischer Signatur zwar auf besondere Regelungen über den Zugang bewusst verzichtet, ist aber davon ausgegangen, dass auch auf in elektronischen Dokumenten abgegebene Willenserklärungen § 130 BGB Anwendung findet (vgl. BT-Drucks. 14/4987, S. 20). Dies erklärt sich durch das gesetzgeberische Ziel einer Funktionsäquivalenz zwischen der Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB und der elektronischen Form des § 126a Abs. 1 BGB. Danach muss die elektronische Form so ausgestaltet sein, dass sie die mit der Schriftform bezweckten Leistungsfunktionen regelmäßig sicherstellt, wenn auch eine völlige Gleichheit hinsichtlich aller Funktionen wegen der tatsächlichen Unterschiede zwischen den beiden Formen nicht erreichbar ist (vgl. BT-Drucks. 14/4987, S. 15). Zu den mit der Schriftform bezweckten Leistungsfunktionen, welche die elektronische Form in vergleichbarer Weise sicherstellen soll, gehört - neben der Identitätsfunktion (Erkennbarkeit des Erklärenden und Möglichkeit der Identifizierung durch dessen unverwechselbare Unterschrift) und der Echtheitsfunktion (Gewährleistung der inhaltlichen Urheberschaft des Unterzeichners durch die räumliche Verbindung der Unterschrift mit dem Dokument) - auch die damit in Zusammenhang stehende Verifikationsfunktion, nach der es dem Empfänger des Dokuments möglich sein soll, zu überprüfen, ob die Unterschrift echt ist (BT-Drucks. 14/4987, S. 16 f.). Diese Funktion kann nur erfüllt werden, wenn das Dokument selbst dem Empfänger für eine Überprüfung zur Verfügung steht. Insofern ist es für den Zugang einer in einem qualifiziert elektronisch signierten elektronischen Dokument enthaltenen Willenserklärung gemäß § 126a Abs. 1 BGB - vergleichbar dem Zugang einer papiergebundenen Willenserklärung - erforderlich, dass dieses Dokument so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass dieser die qualifizierte elektronische Signatur des Erklärenden und damit die Echtheit des Dokuments prüfen kann. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn in einem Zivilprozess ein elektronischer Schriftsatz mit einer qualifizierten elektronischen Signatur, der eine empfangsbedürftige Willenserklärung enthält, vom Gericht unter Aufrechterhaltung der qualifizierten elektronischen Signatur elektronisch an den Empfänger der Willenserklärung weitergeleitet wird.
Zwar wird in der Instanzrechtsprechung und dem Schrifttum teilweise vertreten (Nachweise in Rn. 36), die Legitimationswirkung der Signatur des Absenders gelte nur gegenüber dem Gericht, nicht aber auch im Verhältnis zu der anderen Partei, welcher der Schriftsatz durch das Gericht übermittelt werde. Diese Ansicht ist für die elektronische Weiterleitung qualifiziert elektronisch signierter elektronischer Schriftsätze durch das Gericht unter Aufrechterhaltung der qualifizierten elektronischen Signatur jedoch nicht zutreffend. Anders als die in § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2, Abs. 4 ZPO vorgesehene Einreichung eines elektronischen Dokuments über einen sicheren Übermittlungsweg, die an das Verhältnis von Absender und erstem (unmittelbaren) Empfänger anknüpft, ist eine qualifizierte elektronische Signatur in dem Sinne verkehrsfähig, dass ihre Validierung nicht nur für den ersten Empfänger möglich ist, sondern auch für Dritte, denen das elektronische Dokument mitsamt der qualifizierten elektronischen Signatur elektronisch weitergeleitet wird. Daher kann ein wirksam qualifiziert elektronisch signierter elektronischer Schriftsatz grundsätzlich unter Aufrechterhaltung der gültigen und prüfbaren elektronischen Signatur elektronisch vom Gericht an den gegnerischen Prozessbevollmächtigten oder - im Fall des § 173 Abs. 4 Satz 1 ZPO - auch an den Gegner persönlich übermittelt werden.
Die - hier vorliegende - Übermittlung eines Ausdrucks eines mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen, bei Gericht im Rahmen eines Zivilprozesses eingegangenen elektronischen Dokuments (§ 298 Abs. 1 Satz 1 ZPO) vermag hingegen einen formgerechten Zugang der in ihm enthaltenen Willenserklärung (hier: der Kündigungserklärung) iSv. § 126a Abs. 1 BGB beim Erklärungsgegner auch dann nicht zu bewirken, wenn dem Ausdruck ein Transfervermerk gemäß § 298 Abs. 3 ZPO beigefügt ist. Gemäß § 298 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist, sofern die Akten in Papierform geführt werden, von einem elektronischen Dokument ein Ausdruck für die Akten zu fertigen. Nach § 298 Abs. 3 ZPO muss dieser Ausdruck im Falle eines mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen und nicht auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereichten elektronischen Dokuments einen (Transfer-)Vermerk über das Ergebnis der Integritätsprüfung des Dokuments (Nr. 1), den Inhaber der Signatur (Nr. 2) und den Zeitpunkt der Signatur (Nr. 3) enthalten. Die Integritätsprüfung (§ 298 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) erfolgt dabei durch einen - automatisierten - Abgleich der sogenannten Hash-Werte zum Zeitpunkt des Signierens und zum Zeitpunkt des Ausdrucks für die Akten. Durch diesen Abgleich wird überprüft, ob die übermittelten Daten in der Zwischenzeit verändert oder gar verfälscht wurden. Die Angabe, wer das Dokument signiert hat (§ 298 Abs. 3 Nr. 2 ZPO; Authentizitätsprüfung), ermöglicht zusammen mit der Mitteilung, wann das Dokument signiert worden ist, die Überprüfung, ob die Signatur gültig war.
Für eine materiell-rechtliche Bedeutung des einem Ausdruck eines elektronischen Dokuments beigefügten Transfervermerks im Hinblick auf die Erfüllung der Voraussetzungen des Zugangs einer Willenserklärung in elektronischer Form im Sinn von § 126a Abs. 1 BGB findet sich weder im Wortlaut des § 298 ZPO noch in den Gesetzesmaterialien ein Anhaltspunkt. Zwar wird von § 298 ZPO über seinen unmittelbaren Wortlaut (§ 298 Abs. 1 Satz 1 ZPO: "Ausdruck für die Akten") hinaus auch der Ausdruck eines elektronischen Dokuments zum Zweck der Zustellung an einen auf elektronischem Weg nicht erreichbaren Prozessbeteiligten erfasst. Beide Konstellationen betreffen dennoch lediglich die zivilprozessuale Gleichsetzung eines elektronischen Dokuments mit einem Ausdruck desselben. Insbesondere die Regelungen in § 298 Abs. 2 und 3 ZPO sprechen dagegen, dass der Gesetzgeber dem einem Ausdruck eines elektronischen Dokuments beigefügten Transfervermerk eine Bedeutung im Hinblick auf die materiell-rechtliche elektronische Form beigemessen hat. Denn gemäß § 298 Abs. 3 ZPO ist bei einem mit einer qualifizierten elektronischen Signatur eingereichten elektronischen Dokument ein Transfervermerk nur dann zu fertigen, wenn das elektronische Dokument nicht über einen sicheren Übermittlungsweg iSv. § 130a Abs. 4 ZPO eingereicht wird. Wenn also ein qualifiziert elektronisch signiertes Dokument über einen solchen sicheren Übermittlungsweg eingereicht wird, muss nach der Regelung von § 298 ZPO der Ausdruck den Umstand, dass eine qualifizierte elektronische Signatur vorlag und damit auch die Anforderungen an die materiell-rechtliche elektronische Form (§ 126a Abs. 1 BGB) erfüllt sein können, nicht erkennen lassen; nach § 298 Abs. 2 ZPO genügt es vielmehr, die Einreichung auf einem sicheren Übermittlungsweg aktenkundig zu machen. Der Zweck des Gesetzes besteht demnach ersichtlich allein darin, die Erfüllung der Voraussetzungen einer prozessrechtlich wirksamen Einreichung eines elektronischen Dokuments bei Gericht iSd. § 130a ZPO zu dokumentieren. Auch nach der vom Gesetzgeber beabsichtigten Funktionsäquivalenz zwischen Schriftform und elektronischer Form liegt ein formwirksamer Zugang einer mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen Willenserklärung nicht vor, wenn lediglich ein Ausdruck des Dokuments und der zugehörige Transfervermerk gemäß § 298 Abs. 3 ZPO in den Machtbereich des Empfängers gelangen. Zwar lässt ein einem Ausdruck eines mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen Dokuments beigefügter und auf dieses Dokument bezogener Transfervermerk iSd. § 298 Abs. 3 ZPO die Identität des Erklärenden und die Echtheit des elektronischen Dokuments erkennen, indem er darüber Auskunft gibt, wer Inhaber der Signatur ist, deren mathematisch-logischer Verbindung zum elektronischen Text die inhaltliche Urheberschaft des Signierenden sicherstellt. Dabei gewährleistet die Integritätsprüfung, dass das elektronische Dokument auch nicht nachträglich verändert wurde. Allerdings ermöglicht der einem Ausdruck eines elektronischen Dokuments beigefügte Transfervermerk, der lediglich das Ergebnis einer entsprechenden Prüfung durch das Gericht dokumentiert, es dem Empfänger nicht, die Echtheit der Signatur auch seinerseits zu überprüfen. Deshalb ist die mit der Formvorschrift zu erfüllende Verifikationsfunktion der qualifizierten elektronischen Signatur in einem solchen Fall nicht gewahrt.
Demzufolge ist es hinzunehmen, dass bis zu dem am 17. Juli 2024 erfolgten Inkrafttreten der Vorschrift des § 130e ZPO die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses durch zivilprozessualen - und wegen § 130d ZPO zwingend elektronischen - Schriftsatz eines Rechtsanwalts gegenüber einer anwaltlich nicht vertretenen Naturalpartei, die keine Zustimmung im Sinne des § 173 Abs. 4 Satz 1 ZPO erteilt hat, nicht formwirksam erklärt werden kann. Eine unzumutbare Beeinträchtigung der Kündigungsmöglichkeiten ist damit nicht verbunden, da die Kündigung in der genannten Konstellation auch während eines Räumungsprozesses ohne Weiteres außergerichtlich unter Wahrung der Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB erfolgen und der diesbezügliche Vortrag sodann durch elektronischen Schriftsatz in den Prozess eingeführt werden kann.
C. Kontext der Entscheidung
Mit einer weiteren Entscheidung vom selben Tag hat der Senat die Konstellation zu beurteilen gehabt, dass in einem elektronischem Schriftsatz ebenfalls die außerordentliche fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses wegen Zahlungsrückstands erklärt worden war, wobei der Schriftsatz durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin namentlich gekennzeichnet sowie mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen und dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten durch das Amtsgericht elektronisch übermittelt worden war (BGH, Urteil vom 27. November 2024 – VIII ZR 155/23). Das Berufungsgericht hatte die Schriftform als nicht gewahrt angesehen. Die Weiterleitung durch das Gericht an den Kündigungsempfänger bzw. dessen Prozessbevollmächtigten reiche für den erforderlichen Zugang des qualifiziert elektronisch signierten Dokuments selbst dann nicht aus, wenn der Schriftsatz seitens des Gerichts per beA zugestellt werde, weil die Legitimationswirkung der Absendersignatur nur gegenüber dem Gericht und nicht - wie gesetzlich gefordert - gegenüber dem Empfänger des Schriftstücks bestehe (LG Bonn, Urteil vom 29. Juni 2023 – 6 S 97/22 –, Rn. 17). Dem tritt der Senat entgegen: Anders als die in § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2, Abs. 4 ZPO vorgesehene Einreichung eines elektronischen Dokuments über einen sicheren Übermittlungsweg, die an das Verhältnis von Absender und erstem (unmittelbaren) Empfänger anknüpft, ist eine qualifizierte elektronische Signatur in dem Sinne verkehrsfähig, dass ihre Validierung (Art. 32, 33 eIDAS-VO) nicht nur für den ersten Empfänger möglich ist, sondern auch für Dritte, denen das elektronische Dokument mitsamt der qualifizierten elektronischen Signatur elektronisch weitergeleitet wird. Daher kann ein wirksam qualifiziert elektronisch signierter elektronischer Schriftsatz grundsätzlich unter Aufrechterhaltung der gültigen und prüfbaren elektronischen Signatur elektronisch vom Gericht an den gegnerischen Prozessbevollmächtigten oder - im Fall des § 173 Abs. 4 Satz 1 ZPO - auch an den Gegner persönlich übermittelt werden (BGH, Urteil vom 27. November 2024 – VIII ZR 155/23 –, Rn. 32).
D. Auswirkungen für die Praxis
Mit dem Inkrafttreten der Vorschrift des § 130e ZPO am 17. Juli 2024 ist eines der praktischen Probleme gelöst worden, die sich in Folge des obligatorischen elektronischen Rechtsverkehrs gestellt haben. Weiter einer Lösung bedarf die Frage, wie Schriftstücke zu behandeln sind, die in einem Anwaltsprozess in der mündlichen Verhandlung dem Gericht überreicht werden (dazu zuletzt: Übergabe in Papierform genügt nicht, Anwaltsgerichtshof München, Urteil vom 13. November 2024 – BayAGH I - 5 - 9/23 –, Rn. 48, unter Bezug auf BGH, Beschluss vom 28. März 2024 – AnwZ (Brfg) 3/24 –, Rn. 4: Einreichung per Boten). Unbefriedigend in der forensischen Praxis ist schließlich die Beteiligung von Sachverständigen an Prozessen, die weiterhin Gutachten in Papierform zu den Gerichtsakten reichen. Die Auffassung des OLG Hamm, nach dem öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige gem. § 173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO verpflichtet sind, ein elektronisches Postfach zu eröffnen, das für die elektronische Zustellung von elektronischen Dokumenten durch das Gericht auf einem sicheren Übermittlungsweg im Sinne von § 130a Abs. 4 ZPO geeignet ist, ist leider – soweit ersichtlich - in der Praxis ohne Folgen geblieben (OLG Hamm, Beschluss vom 1. Juli 2024 – I-22 U 15/24).
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