BGH: Abtretung "zur Mitberechtigung"

10.1.2025
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Ein Urteil, dessen Tenor in sich selbst unauflösbar widersprüchlich ist, ist insgesamt aufzuheben und zwar auch insoweit, als es zugunsten der Partei ergangen ist, die Revision eingelegt hat.
BGH, Urteil vom 10. Oktober 2024 – VII ZR 98/22

A. Problemstellung
Der VII. Zivilsenat hatte sich mit den Auswirkungen eines Berufungsurteils zu befassen, dessen Tenor in sich selbst unauflösbar widersprüchlich ist.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerinnen nehmen den Beklagten zu 1 aus Architektenvertrag wegen Planungs- und Überwachungsfehlern und die Beklagte zu 2, einen Dachdeckerbetrieb, wegen Ausführungsfehlern aus abgetretenem Recht in Anspruch. Die Klägerin zu 1 bildete auf einem ihr gehörenden Hausgrundstück Wohneigentum, dessen Anteile sie unter Übernahme der Pflicht zu Baumaßnahmen an die jetzigen Wohnungseigentümer verkaufte. Die Klägerin zu 2 verpflichtete sich zu diesen Baumaßnahmen gegenüber der Klägerin zu 1 als Generalunternehmerin und parallel gegenüber einzelnen Wohnungseigentümern. Eine aus den beiden Klägerinnen bestehende ARGE beauftragte den Beklagten zu 1 mit Architektenleistungen. Die Klägerin zu 2 beauftragte die D. KG mit Dachdeckerarbeiten, welche hiermit im Jahre 2009 die Beklagte zu 2 beauftragte. Auf dem Flachdach des Bauvorhabens wurde ein Wintergarten errichtet, die Beklagte zu 2 schloss diesen an die Dachfläche an. Im Jahr 2011 zeigten sich Wasserschäden. Die Klägerinnen behaupten, im März 2011 sei Wasser in das zweite Obergeschoss in dem Bereich eingedrungen, der unter einer von der Beklagten zu 2 abgedichteten Dachterrasse lag. Am 17. Oktober 2012 trat die D. KG die ihr aus dem Bauvertrag über Dachdeckerarbeiten gegen die Beklagte zu 2 zustehenden Gewährleistungsansprüche bezüglich der Abdichtungsarbeiten an die Klägerin zu 1 ab. Die WEG leitete ein selbständiges Beweisverfahren gegen die hiesigen Klägerinnen ein. Ausweislich des eingeholten Sachverständigengutachtens beruhte der Wasserschaden auf Planungsfehlern des Beklagten zu 1 und Ausführungsfehlern der Beklagten zu 2. Die Instandsetzungskosten sollten mindestens 175.575 € netto zuzüglich der Kosten der Architektenleistung betragen.
Nachdem die Beklagten den Aufforderungen zur Mangelbeseitigung beziehungsweise Vorschusszahlung nicht nachkamen, haben die Klägerinnen Klage auf Kostenvorschuss mit dem Antrag erhoben, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubigerinnen 175.575 € nebst Zinsen zu zahlen. Mit Schriftsatz vom 29. März 2017 haben die Klägerinnen unter Hinweis darauf, dass die mängelbedingten Schäden zwischenzeitlich beseitigt, aber noch nicht vollständig abgerechnet worden seien, einen Klageerweiterungsantrag angekündigt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubigerinnen 971.368,85 € nebst Zinsen zu zahlen, sowie festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihnen sämtliche weiteren Schäden, die im Zusammenhang mit den Mängeln bezogen auf die Klageerweiterung entstehen, zu ersetzen. Mit Endurteil nach Lage der Akten vom 30. März 2017 hat das Landgericht die Beklagten bei Klageabweisung im Übrigen verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin zu 1 einen Betrag von 141.750 € zuzüglich Zinsen, den Beklagten zu 1 darüber hinaus, diesen Betrag an die Klägerin zu 2 als Gesamtgläubigerin mit der Klägerin zu 1 zu zahlen. Das Urteil ist auf die Berufung der Beklagten als nach § 301 ZPO unzulässiges Teilurteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen worden.
Nach der Zurückverweisung haben die Klägerinnen ihre Anträge mehrfach, den Zahlungsantrag der Höhe nach auf zuletzt 971.368,85 € und um die Forderung erweitert, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die WEG einen Betrag von 98.771 € nebst Zinsen zu zahlen. Durch Urteil vom 29. Januar 2020 hat das Landgericht unter Klageabweisung im Übrigen die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin zu 1 141.750 € nebst Zinsen, den Beklagten zu 1 darüber hinaus, diesen Betrag an die Klägerin zu 2 als Gesamtgläubigerin mit der Klägerin zu 1 zu zahlen. Es hat ferner ausgesprochen, dass die Beklagtenseite den Betrag von 141.750 € nebst Zinsen nur einmal zu zahlen habe. Das Landgericht hat festgestellt, der Wintergarten sei nicht fachgerecht angeschlossen und abgedichtet worden, was auf einen Planungsfehler zurückzuführen sei. Zudem seien die Flachdachanschlüsse mangelhaft hergestellt und eine Dachentwässerung nicht gegeben, hierdurch sei Wasser eingedrungen. Der Klägerin zu 1 seien Schäden in Höhe von 141.750 € entstanden, für die die Beklagten gesamtschuldnerisch aufzukommen hätten. Im Übrigen werde ihre Klage abgewiesen, die darüber hinaus geltend gemachten Schäden seien unsubstantiiert und Ansprüche hierauf gegenüber der Beklagten zu 2 zudem verjährt. Die Klägerin zu 2 habe keine Ansprüche gegen die Beklagte zu 2. Gegen dieses Urteil haben sich alle Parteien mit der Berufung gewandt. Die Klägerinnen haben die Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner erstrebt, an die Klägerin zu 1 weitere 829.618,85 € nebst Zinsen zu zahlen, darüber hinaus die Verurteilung der Beklagten zu 2 zur Zahlung von weiteren 829.618,85 € nebst Zinsen an die Klägerin zu 2 als Gesamtgläubigerin mit der Klägerin zu 1, wobei der Betrag von 829.618,85 € nebst Zinsen von den Beklagten nur einmal zu zahlen sei (Berufungsantrag zu 1). Darüber hinaus haben die Klägerinnen die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz sämtlicher weiterer Schäden verlangt (Berufungsantrag zu 2) sowie die Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner, an die WEG einen Betrag von 98.771,18 € nebst Zinsen zu zahlen (Berufungsantrag zu 3). Hilfsweise haben sie die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht begehrt. Die Beklagten haben mit ihren Berufungen jeweils erstrebt, dass die gegen sie gerichteten Klagen abgewiesen werden; der Beklagte zu 1 hat ebenfalls einen Zurückverweisungsantrag gestellt.
Das Berufungsgericht hat am 12. April 2022 folgendes Urteil verkündet: "Die Berufung der Klägerin gegen das am 29. Januar 2020 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Hannover wird hinsichtlich des Berufungsantrages zu 2. als unzulässig verworfen. Hinsichtlich des Berufungsantrages zu 3. wird die Berufung der Klägerinnen zurückgewiesen. Die Berufungen des Beklagten zu 1) - hinsichtlich des Hauptantrages - und der Beklagten zu 2) werden zurückgewiesen. Im Übrigen wird das angefochtene Urteil einschließlich des Verfahrens auf die Berufungen der Klägerinnen und des Beklagten zu 1) aufgehoben und die Sache für das Betragsverfahren an das Landgericht zur weiteren Beweisaufnahme, Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten der Berufung bleibt dem Landgericht vorbehalten." Die Berufungen der Klägerinnen und beider Beklagten hätten insoweit Erfolg, als sie unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Verfahrens zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht führen würden. Dies gelte jedoch nur, soweit die Berufungen der Klägerinnen nicht bereits unzulässig oder unbegründet und die der Beklagten zu 1 und 2 nicht unbegründet seien. Die Berufungen der Beklagten zu 1 und 2 seien unbegründet, soweit sie sich gegen ihre Verurteilung dem Grunde nach wendeten. Einer Haftung der Beklagten zu 2 stehe kein überwiegendes oder vollständig anspruchsminderndes Mitverschulden infolge den Klägerinnen zuzurechnender Planungsfehler entgegen. Die fehlerhafte Planung der Anschlüsse an den Wintergarten und der Regenentwässerung seien für Handwerker erkennbar gewesen. Die Beklagte zu 2 habe keinen Bedenkenhinweis erteilt, sie könne sich deshalb nicht auf ein ihre Haftung ausschließendes Mitverschulden berufen. Zu Unrecht habe das Landgericht die Ansprüche der Klägerin zu 1 gegen die Beklagte zu 2 für verjährt gehalten. Im Übrigen verweise der Senat die Sache unter Aufhebung gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO an das Landgericht zurück. Die Berufung der Klägerinnen sei begründet, weil das Landgericht gehörsverletzend die mit der Klageerweiterung geltend gemachten Ansprüche als nicht hinreichend substantiiert angesehen habe. Zudem hätten die Klägerinnen nicht mehr Schadensersatz in Höhe fiktiver Mangelbeseitigungskosten begehrt, sondern die tatsächlichen Kosten der Schadensbeseitigung geltend gemacht. Hierdurch sei auch das Recht der Beklagten auf hinreichende Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen in verfahrensfehlerhafter Weise verletzt worden, denn die Beklagten seien zur Zahlung eines Betrags verurteilt worden, von dem nicht sicher sei, dass er für die tatsächlich erfolgte Beseitigung der streitbefangenen Mängel überhaupt angefallen sei. Die Verfahrensfehler würden eine Zurückverweisung des Rechtsstreits nach § 538 Abs. 2 Satz 1 ZPO rechtfertigen.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zu 2 hat der Senat die Revision zugelassen, soweit das Berufungsgericht zu ihrem Nachteil entschieden hat. Die Revision der Beklagten zu 2, die die Aufhebung des Berufungsurteils, die Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung und die Abweisung der gegen sie gerichteten Klagen erstrebt, ist begründet. Das Berufungsurteil leidet an Verfahrensmängeln, die im Umfang der Anfechtung zu seiner Aufhebung führen. Dem Urteil lässt sich die verfahrensrechtliche Bedeutung der Entscheidung, ihre Tragweite und Bindungswirkung nicht entnehmen. Das Berufungsgericht hat die Berufungen der Beklagten zurückgewiesen, zugleich aber das Urteil einschließlich des Verfahrens aufgehoben und für das Betragsverfahren an das Landgericht zurückverwiesen. Diese Urteilsformel ist in sich widersprüchlich. Die Zurückweisung der Berufung der Beklagten besagt, dass die durch das Landgericht ausgesprochene gesamtschuldnerische Verurteilung zur Zahlung von 141.750 € nebst Zinsen an die Klägerin zu 1 Bestand haben soll. Dies widerspricht der einschränkungslos ausgesprochenen Aufhebung des Urteils des Landgerichts. Lässt sich der Urteilsformel nicht mit genügender Bestimmtheit entnehmen, was das Gericht entschieden hat, sind zur Ermittlung des Entscheidungsinhalts Tatbestand und Entscheidungsgründe heranzuziehen. Der Widerspruch lässt sich auch unter Heranziehung der Entscheidungsgründe nicht durch Auslegung beseitigen. Denkbar ist, dass die Aufhebung nur teilweise, bezogen auf die klageerweiternd geltend gemachten und vom Landgericht als unschlüssig behandelten Mangelbeseitigungskosten ausgesprochen werden sollte und nur der Zusatz "im übrigen" fehlt. Einer beschränkten Aufhebung steht aber entgegen, dass der vom Berufungsgericht angeführte Aufhebungsgrund den gesamten Anspruch betrifft. Das Berufungsgericht hat zudem keine Ausführungen dazu gemacht, ob die erstinstanzlich ausgesprochene Verurteilung in Höhe von 141.750 € nebst Zinsen als erstrangiger Teilbetrag des Schadensersatzanspruchs Bestand haben kann und soll. Der Widerspruch lässt sich nicht dadurch auflösen, anzunehmen, dass die Zurückweisung der Berufungen der Beklagten lediglich "im Übrigen" erfolgen sollte, weil das Berufungsgericht zugleich ein Zwischenurteil über den Grund nach § 304 ZPO erlassen wollte. Für die Absicht, ein Grundurteil zu erlassen, streiten die im Tenor benutzte Formulierung "Betragsverfahren", der zu § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO getroffene Obersatz und die auf Aspekte der Haftung der Beklagten dem Grunde nach beschränkten Ausführungen. Dagegen spricht aber, dass das Berufungsgericht sein Urteil weder so überschrieben noch im Tenor eine Grundentscheidung entsprechend § 304 ZPO formuliert hat. Zudem hätte, selbst wenn das Berufungsgericht ein Grundurteil hat erlassen wollen, es die Berufung nicht zurückweisen, sondern lediglich zum Ausdruck bringen dürfen, dass die auf Zahlung gerichtete Klage dem Grunde nach gerechtfertigt ist. Weil als Zwischenurteil die Vorabentscheidung über den Grund lediglich einen Teil des Streitstoffs erledigt, wird der geltend gemachte Anspruch weder ganz noch zum Teil aberkannt oder zuerkannt. Aus diesem Grund darf in der Berufungsinstanz ein Grundurteil auch nicht in der Weise ergehen, dass das Berufungsgericht die Berufung teilweise zurückweist, soweit sie sich gegen den Grund des Anspruchs richtet.
Die Widersprüchlichkeit kann auch nicht in der Weise beseitigt werden, insoweit das Urteil unter Richtigstellung des Tenors als Grundurteil zu verstehen und zu behandeln. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Grundurteils sind dem Berufungsurteil nicht zu entnehmen. Ein Grundurteil darf nur ergehen, wenn ein Anspruch nach Grund und Höhe streitig ist, alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind und des Weiteren nach dem Sach- und Streitstand der Anspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht. An diesen Voraussetzungen fehlt es, weil das Berufungsgericht sich explizit nur mit dem jeweiligen Berufungsvorbringen der Beklagten beschäftigt hat, aber nicht erkennen lässt, dass es sämtliche tatbestandlichen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs geprüft und für gegeben erachtet hat. Es hat auch nicht festgestellt, ob ein Anspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht und zudem den bei einem Grundurteil zu berücksichtigenden Besonderheiten des Mitverschuldenseinwands nicht Rechnung getragen. Ein Urteil, dessen Tenor in sich widersprüchlich ist, ist im Umfang seiner Anfechtung (§ 557 Abs. 1 ZPO) insgesamt aufzuheben, und zwar auch insoweit, als es zugunsten des Revisionsführers ergangen ist.    
Das Berufungsurteil ist mit einem weiteren Verfahrensmangel behaftet. Hinsichtlich des Prozessrechtsverhältnisses der Klägerin zu 2 gegen die Beklagte zu 2 unterliegt das Urteil auch deshalb der Aufhebung, weil die Entscheidung insoweit überhaupt nicht mit Gründen versehen ist und auf dieser Verfahrensrechtsverletzung die Entscheidung beruht. Das Landgericht hat Ansprüche der Klägerin zu 2 gegen die Beklagte zu 2 verneint, weil zwischen beiden Parteien keine vertragliche Beziehung bestanden und sich die vorgelegte Abtretungserklärung nur auf eine vermeintliche Abtretung von werkvertraglichen Ansprüchen an die Klägerin zu 1 bezogen habe. Ohne hierauf im Berufungsurteil an irgendeiner Stelle einzugehen, hat das Berufungsgericht auf die Berufung der Klägerinnen das Urteil des Landgerichts auch insoweit aufgehoben. Es erläutert nicht im Ansatz, warum es von der Aktivlegitimation der Klägerin zu 2 ausgeht.    
Das Berufungsurteil kann im angegriffenen Umfang darum keinen Bestand haben und ist einschließlich des Verfahrens aufzuheben. Die Berufung der Klägerinnen ist, soweit sie sich gegen die Klageabweisung der geltend gemachten Ansprüche der Klägerin zu 2 gegen die Beklagte zu 2 richtet, unzulässig und darum zu verwerfen. Das Landgericht hat die Klage der Klägerin zu 2 gegen die Beklagte zu 2 wegen fehlender Aktivlegitimation abgewiesen. Die Klägerinnen haben die Aufhebung dieser klageabweisenden Entscheidung beantragt, sind jedoch in der Berufungsbegründung hierauf mit keinem Wort eingegangen. Weder ist ausgeführt noch ergibt sich konkludent aus der Berufungsbegründung, warum die Klägerinnen anders als das Landgericht der Auffassung sind, dass die Klägerin zu 2 eigene Ansprüche gegen die Beklagte zu 2 haben soll. Die Verwerfung der insoweit unzulässigen Berufung hat zur Folge, dass es bei der erstinstanzlich ausgesprochenen Abweisung der Klage der Klägerin zu 2 gegen die Beklagte zu 2 verbleibt.    
Die Klage der Klägerin zu 1, mit der sie aus abgetretenem Recht Gewährleistungsansprüche gegen die Beklagte zu 2 verfolgt, ist unbegründet. Deshalb ist auf die Berufung der Beklagten zu 2 das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage der Klägerin zu 1 gegen die Beklagte zu 2 abzuweisen. Der Klägerin zu 1 fehlt entgegen der Auffassung des Landgerichts, die das Berufungsgericht offenbar teilt, ohne dies zu begründen, die Sachbefugnis. Die Klägerin zu 1 ist nicht aktivlegitimiert, denn sie ist durch die Abtretungsvereinbarung vom 17. Oktober 2012 nicht Gläubigerin der Gewährleistungsansprüche geworden, die der D. KG aus dem mit der Beklagten zu 2 geschlossenen Werkvertrag über Dachdeckerarbeiten zustanden. Der Rechtswirksamkeit der in der Vereinbarung genannten Abtretung (§ 398 BGB) steht entgegen, dass die Abtretung zur Mitberechtigung erfolgte. In der Vereinbarung heißt es ausdrücklich, dass die D. KG der Klägerin zu 1 die ihr gegen die Beklagte zu 2 zustehenden Gewährleistungsansprüche "zur Mitberechtigung" abtritt. Der Zusatz "zur Mitberechtigung" steht dem durch Abtretungsvertrag herbeizuführenden Gläubigerwechsel entgegen. § 398 Satz 2 BGB bestimmt, dass mit dem Abschluss des Abtretungsvertrags der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers tritt. Die Rechtsfolge in Gestalt des Wechsels der Rechtszuständigkeit tritt ein, wenn die Forderung aus dem Vermögen des bisherigen Gläubigers (Zedent) ausscheidet und in das Vermögen des neuen Gläubigers (Zessionar) übergeht. Das setzt voraus, dass der Zedent seine Rechtsstellung vollständig auf den Zessionar überträgt. An dieser für die Abtretung als abstraktes Verfügungsgeschäft notwendigen Übertragung des Vollrechts fehlt es, weil die D. KG sich ihrer Rechtsposition nicht vollständig entäußert hat. Der Zusatz "zur Mitberechtigung" bedeutet, dass die Zedentin sich Rechte an der zedierten Forderung vorbehält. Die gemäß § 398 Satz 1 BGB beabsichtigte Wirkung einer Abtretung, nämlich der Gläubigerwechsel, konnte so nicht eintreten, denn eine Abtretung unter Beibehaltung der Rechtsinhaberschaft ist nicht möglich. Die Klägerin zu 1 hat durch den Abschluss der Vereinbarung vom 17. Oktober 2012 keine Rechtsposition erlangt, die sie berechtigen würde, Gewährleistungsansprüche gegen die Beklagte zu 2 geltend zu machen. Insbesondere hat sie dadurch keine Berechtigung erlangt, die Gewährleistungsansprüche als Gesamtgläubigerin (§ 428 Satz 1 BGB) oder als Mitgläubigerin (§ 432 Abs. 1 BGB) mit der D. KG geltend zu machen. Es kann dahinstehen, ob die Vereinbarung der Abtretung der Forderung zur Mitberechtigung überhaupt so ausgelegt werden kann, dass damit der Klägerin zu 1 eine Rechtsposition übertragen werden sollte, die sie neben der D. KG berechtigt hätte, die ganze Leistung zu fordern, denn eine Gesamtgläubigerschaft ist schon mangels Zustimmung des Schuldners nicht wirksam begründet worden. Eine Gläubigermehrheit an einer bestehenden Forderung kann durch Vertrag gemäß §§ 305, 428 BGB vereinbart werden, an dem der Schuldner mitzuwirken hat. Eine zweiseitige Vereinbarung auf Gläubigerseite, mit der der ursprüngliche Gläubiger mit einem Dritten vereinbart, dass dieser neben ihm befugt sein soll, die Leistung aus eigenem Recht zu fordern, reicht hierzu nicht aus. Die Vereinbarung einer Gesamtgläubigerschaft an einer bestehenden Forderung ist ein Vertrag zu Lasten des Schuldners, weil sich seine Rechtsposition dadurch potenziell verschlechtert, auch wenn er die Erfüllung der Forderung weiterhin nur einmal schuldet. Der Schuldner sieht sich dadurch zwei oder mehreren Gläubigern gegenüber, die ihn unabhängig voneinander mit Klagen und Vollstreckungsmaßnahmen überziehen können. Zur Rechtswirksamkeit der Umwandlung einer Einzelforderung in eine Gesamtforderung bedarf es deshalb der Zustimmung des Schuldners. An der Zustimmung der Schuldnerin fehlt es, die Vereinbarung vom 17. Oktober 2012 ist ohne Mitwirkung der Beklagten zu 2 geschlossen worden. Andere Anspruchsgrundlagen, nach denen die Klägerin zu 1 von der Beklagten zu 2 Schadensersatz verlangen könnte, sind nicht ersichtlich, weshalb die Klage abzuweisen ist.

C. Kontext der Entscheidung
Es handelt sich um eine typische Einzelfallentscheidung. Die zu Grunde liegende Konstellation kommt selten vor, was sich daran zeigt, dass die vom Senat herangezogene Grundsatzentscheidung des BGH bereits aus dem Jahre 1952 stammt (BGH, Urteil vom 6. März 1952 – IV ZR 80/51 –, BGHZ 5, 240). Im Übrigen hat sich der VII. Zivilsenat selbst auch gezwungen gesehen, den Tenor seiner Entscheidung zu ergänzen, weil er (ebenfalls) die Zurückweisung der Berufung „im Übrigen“ vergessen hatte (BGH, Beschluss vom 20. November 2024 – VII ZR 98/22). Wichtig ist die Feststellung des Senates, dass das Verbot der reformatio in peius nicht gilt, wenn der Tenor des angefochtenen Urteils „in sich selbst unauflösbar widersprüchlich ist“ (Rn. 27). Dies erscheint auch folgerichtig, weil der den Rechtsmittelführer begünstigende Teil des Urteilsausspruchs ebenfalls perplex ist und daher keine Grundlage für die Zwangsvollstreckung darstellen kann. Trotzdem hätte man sich eine nähere Begründung gewünscht. Soweit der Senat ein Urteil des IX. Zivilsenates anführt, dessen Ausführungen wörtlich wiederholt werden (BGH, Urteil vom 22. Februar 2001 – IX ZR 293/99 –, Rn. 9), führt dies nicht weiter. Beide Senate können sich lediglich auf das Urteil des IV. Zivilsenates (BGH, Urteil vom 6. März 1952 – IV ZR 80/51 –, BGHZ 5, 240) berufen. In diesem heißt es: „Wegen des hiernach festzustellenden unlösbaren Widerspruchs im Urteilstenor oder wegen der Unbestimmtheit des Tenors, die auch im Wege der Auslegung nicht behoben werden können, ist das Urteil von vornherein unwirksam. Diese Unwirksamkeit ist im Rechtsmittelverfahren, auch ohne dass sie von einer Partei gerügt wird, von Amts wegen zu beachten. Sie muss dazu führen, das angefochtene Urteil, soweit es an diesem Fehler leidet, aufzuheben.“ Aus der von Amts wegen zu berücksichtigenden Gesamtunwirksamkeit des Urteils ergibt sich folgerichtig, dass auch der den Rechtsmittelführer begünstigende Teil des Urteils von der Aufhebung erfasst sein muss.

D. Auswirkungen für die Praxis
Von größerer praktischer Bedeutung sind die Ausführungen des Senats zur Abtretung zur „Mitberechtigung“. Das Wesen der Abtretung besteht im vollständigen Übergang des Rechts vom Zedenten auf den Zessionar. Die Wirkung der Abtretung, dass an die Stelle des bisherigen stets der neue Gläubiger tritt, kann nicht eingeschränkt werden. Die Abtretung ist ein dinglicher Vertrag. Für dingliche Verträge, die im BGB abschließend geregelt sind, gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit nicht (BGH, Urteil vom 5. März 1975 – VIII ZR 97/73 –, Rn. 32). Die Begründung einer Gesamtgläubigerschaft durch Vertrag begegnet dann keinen rechtlichen Bedenken, wenn sie zugleich mit dem forderungsbegründenden Rechtsgeschäft, also unter Einbeziehung des Schuldners vollzogen wird. Bestehen bereits schuldrechtliche Beziehungen, aufgrund deren der Gläubiger vom Schuldner eine bestimmte Leistung zu fordern berechtigt ist, so kann mit Zustimmung des Schuldners auch nachträglich vereinbart werden, dass neben dem schon vorhandenen Gläubiger ein weiterer ebenfalls berechtigt sein soll, diese Leistung zu fordern. Die Forderung des hinzutretenden weiteren Gläubigers entsteht aufgrund dieser Vereinbarung und durch sie gemäß §§ 305, 428 BGB. Mit einer Abtretung hat dieses forderungsbegründende Rechtsgeschäft nichts zu tun (BGH, Urteil vom 5. März 1975 – VIII ZR 97/73 –, Rn. 36). Eine Alleingläubigerschaft kann sich nur mit Zustimmung des Schuldners über eine Gesamtgläubigerabrede in eine Gesamtgläubigerschaft verwandeln (BGH, Urteil vom 7. Juni 2005 – XI ZR 311/04 –, Rn. 22). Im Übrigen regelt die Vorschrift des § 428 BGB nicht das Verhältnis der Gläubiger untereinander, sondern nur das Außenverhältnis zum Schuldner (BGH, Urteil vom 6. März 2020 – V ZR 329/18 –, Rn. 10).

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