Auskunft über Kostenvorschussverwendung
1. Die Voraussetzungen für das Auskunftsverlangen eines Werkunternehmers liegen vor, wenn der Kunde die Mängelbeseitigungsarbeiten, wegen der ihm ein Kostenvorschuss gem. § 637 Abs. 3 BGB zugesprochen worden war, vorgenommen hat.
2. Der Vorschuss nach § 637 Abs. 3 BGB ist zweckgebunden und vom Kunden zur Mängelbeseitigung zu verwenden. Der Kunde muss seine Aufwendungen für die Mängelbeseitigung nachweisen, über den erhaltenen Kostenvorschuss Abrechnung erteilen und den für die Mängelbeseitigung nicht in Anspruch genommenen Betrag zurückerstatten. Es entsteht ein Rückzahlungsanspruch des Werkunternehmers in Höhe des nicht zweckentsprechend verbrauchten Vorschusses.
3. Dieser Anspruch ist kein Bereicherungsanspruch, sondern ein aus Treu und Glauben entwickelter Anspruch aus dem Vertragsverhältnis. Hat der Kunde die Mängelbeseitigung durchgeführt, so muss er den Vorschuss abrechnen. Ergibt die Abrechnung einen Überschuss für den Werkunternehmer, ist dieser an ihn zurückzuzahlen.
4. Der Auskunftsanspruch des Werkunternehmers ist nur dann durch Erfüllung erloschen, § 362 Abs. 1 BGB, wenn der Kunde ‒ um eine Prüfung durch den Werkunternehmer zu ermöglichen ‒ analog § 666 BGB die dortigen Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Auskunftserteilung erfüllt hat.
5. Dazu muss der Kunde den Werkunternehmer über die Einzelheiten der Auftragsausführung in verkehrsüblicher Weise informieren und ihm die Übersicht über das Besorgte verschaffen in einer Weise, die dem Werkunternehmer die Überprüfung der Besorgung gestattet. Es gilt § 259 BGB, so dass erforderlichenfalls genauere Information durch Vorlage einer geordneten Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben geschuldet ist. Die Beweislast für die Richtigkeit der Abrechnung trägt dabei der Kunde, insbesondere für den Verbleib der Einnahmen und dafür, dass er über nicht mehr vorhandene Vermögenswerte gemäß dem Auftrag, nach Weisungen oder im Interesse des Werkunternehmers verfügt hat. Ergänzt mit der Kommentierung zu § 259 BGB erfordert die Rechenschaftslegung eine übersichtliche, in sich verständliche Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben. Die Ausgaben müssen so detailliert und verständlich dargestellt sein, dass der Werkunternehmer ohne fremde Hilfe in der Lage ist, seine Ansprüche und die gegen ihn gerichteten Ansprüche nach Grund und Höhe zu überprüfen. Bei Unvollständigkeit der Rechnung besteht ein Anspruch auf Ergänzung.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 16. Oktober 2024 – 12 U 6/24
- Problemstellung
Mit den Anforderungen an den notwendigen Vortrag des Bestellers im Auskunftsprozess des Unternehmers nach Zahlung eines Kostenvorschusses zur Mängelbeseitigung hatte sich das OLG Schleswig zu befassen.
- Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Beklagte verband mit der A. GmbH ein Werkvertrag, der die Lieferung und Verlegung von Dielen in einem von der Beklagten betriebenen Schuhladen zum Gegenstand hatte. Die Klägerin nimmt die Beklagte, deren Identität mit der A. GmbH streitig ist, auf Auskunft über die Verwendung eines Kostenvorschusses zur Beseitigung von Mängeln an Bodenverlegungsarbeiten in Höhe von 19.038,39 € in Anspruch. Des Weiteren verlangt sie Rückzahlung des sich daraus ergebenden unverbrauchten Restbetrags. Mit Urteil des Landgerichts Kiel vom 19.07.2017 wurde die A. GmbH verurteilt, auf die Kosten zur Beseitigung von Mängeln ihrer Werkleistung einen Vorschuss in Höhe von 19.038,39 € zuzüglich Zinsen an die Beklagte zu zahlen. Da die Klägerin keine Zahlung leistete, leitete die Beklagte die Zwangsvollstreckung ein. Seitdem zahlt die Klägerin Raten auf den ausgeurteilten Betrag, wobei die Frage der vollständigen Zahlung zwischen den Parteien streitig ist. Zu den Mängelbeseitigungsarbeiten reichte die Beklagte die Rechnung vom 08.08.2016 über 10.829,-- € brutto sowie die Rechnung vom 19.09.2023 über 28.129,22 € brutto zur Akte. Umfang, Art und Weise sowie die Frage, ob diese Sanierung den Vorgaben des landgerichtlichen Urteils vom 19.07.2017 entspricht, sind streitig. Das Landgericht hat die Klage insgesamt mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht ihre Identität mit der A. GmbH nachgewiesen habe. Diesbezüglich nach der mündlichen Verhandlung eingegangenen Vortrag der Klägerin hat es gem. § 296a ZPO zurückgewiesen.
Die Berufung der Klägerin, mit der sie nach wie vor Abrechnung und Zahlung des unverbrauchten Kostenvorschusses im Rahmen einer Stufenklage verlangt, hat in der 1. Stufe (Auskunft) Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Auskunft über die Verwendung des von ihr geleisteten Kostenvorschusses von 19.038,39 €. Die Voraussetzungen für das Auskunftsverlangen der Klägerin liegen vor, da die Beklagte nach eigenem Vortrag die streitgegenständlichen Mängelbeseitigungsarbeiten am Fußboden ihres Ladengeschäfts vorgenommen hat. Der Vorschuss nach § 637 Abs. 3 BGB ist zweckgebunden und vom Auftraggeber zur Mängelbeseitigung zu verwenden. Der Auftraggeber muss seine Aufwendungen für die Mängelbeseitigung nachweisen, über den erhaltenen Kostenvorschuss Abrechnung erteilen und den für die Mängelbeseitigung nicht in Anspruch genommenen Betrag zurückerstatten. Es entsteht ein Rückzahlungsanspruch des Auftragnehmers in Höhe des nicht zweckentsprechend verbrauchten Vorschusses. Dieser Anspruch ist kein Bereicherungsanspruch, sondern ein aus Treu und Glauben entwickelter Anspruch aus dem Vertragsverhältnis. Hat der Auftraggeber die Mängelbeseitigung durchgeführt, so muss er den Vorschuss abrechnen. Ergibt die Abrechnung einen Überschuss für den Auftraggeber, ist dieser an den Auftragnehmer zu zahlen. Die Klägerin ist mit der A. GmbH identisch und deshalb Gläubigerin des geltend gemachten Anspruchs. Dies ergibt sich aus dem von ihr vorgelegten Handelsregisterauszug, dessen Richtigkeit die Beklagte nicht bestritten hat. Die Verspätungsvorschriften des § 531 ZPO - hier § 531 Abs. 2 ZPO - hindern die Berücksichtigung nicht, weil der Vortrag der Klägerin nunmehr unstreitig ist.
Der Auskunftsanspruch der Klägerin ist auch nicht durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Zwar hat die Beklagte zwei Rechnungen über durchgeführte Bodenbelagsarbeiten zur Akte gereicht, die ihrer Ansicht nach eine Erfüllung darstellen. Dem folgt der Senat jedoch nicht. Vielmehr hat die Beklagte ‒ um eine Prüfung durch die Klägerin zu ermöglichen ‒ analog § 666 BGB die dortigen Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Auskunftserteilung zu erfüllen. Danach muss der Beauftragte den Auftraggeber über die Einzelheiten der Auftragsausführung in verkehrsüblicher Weise informieren und ihm die Übersicht über das Besorgte verschaffen in einer Weise, die dem Auftraggeber die Überprüfung der Besorgung gestattet. Es gilt § 259 BGB, so dass erforderlichenfalls genauere Information durch Vorlage einer geordneten Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben geschuldet ist. Die Beweislast für die Richtigkeit der Abrechnung trägt dabei der Beauftragte, insbesondere für den Verbleib der Einnahmen und dafür, dass er über nicht mehr vorhandene Vermögenswerte gemäß dem Auftrag, nach Weisungen oder im Interesse des Auftraggebers verfügt hat. Demnach erfordert die Rechenschaftslegung eine übersichtliche, in sich verständliche Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben. Die Ausgaben müssen so detailliert und verständlich dargestellt sein, dass der Berechtigte ohne fremde Hilfe in der Lage ist, seine Ansprüche und die gegen ihn gerichteten Ansprüche nach Grund und Höhe zu überprüfen. Bei Unvollständigkeit der Rechnung besteht ein Anspruch auf Ergänzung.
Überträgt man diese Grundsätze auf die hier erforderliche Auskunft über die Verwendung des Kostenvorschusses, ist die Beklagte bislang ihrer Verpflichtung zur Abrechnung nicht vollständig nachgekommen. Die zuletzt vorgelegten Rechnungen reichen nicht aus, um der Klägerin eine Überprüfung zu ermöglichen. Zu den Positionen der Rechnung vom 19.09.2023 im Einzelnen:
- Pos. 1 (Vorhandene Ladeneinrichtung teilweise demontiert, verpackt und eingelagert): Hier fehlt eine Aufschlüsselung nach Anzahl, Stunden und Stundensatz.
- Pos. 2 (Massivholzboden demontiert und auf Paletten gelagert): s. Pos. 1
- Pos. 3 (145 qm Boden für Neuverlegung vorbereiten): Es ist unklar, was konkret unter der Vorbereitung des Bodens zu verstehen ist. Außerdem fehlt hinsichtlich der qm-Angabe eine Abgrenzung zu den bereits zuvor durchgeführten Teilarbeiten gem. Rechnung vom 18.08.2016.
- Pos. 4 (145 qm Boden neu liefern und verlegt): Es fehlen Angaben zu Art/Qualität des neu verlegten Bodens.
- Pos. 5 (Fugen verfüllt und Übergangsschienen montiert): s. Pos. 1
- Pos. 6 (Montage von Ladeneinrichtung inkl. Anlieferung): s. Pos. 1
- Pos. 7 (92 lfm Eichenfußleisten neu geliefert und montiert): Es fehlen Angaben zu Art/Qualität der verlegten Eichenfußleisten.
Da die Beklagte selbst ausführt, sie habe nicht die gleichen Dielen wie zuvor verlegt, weil dies zu teuer gewesen wäre und sie nicht erwarte, von der Klägerin zeitnah über den Vorschuss hinausgehende Mängelbeseitigungskosten erstattet zu bekommen, fehlt es für eine ordnungsgemäße Abrechnung zusätzlich an Vortrag dazu, dass die von ihr durchgeführten Mängelbeseitigungsarbeiten tatsächlich insgesamt günstiger waren, als wenn sie ‒ wonach der Kostenvorschuss berechnet ist ‒ Dielen der gleichen Art wie zuvor verlegt hätte.
- Kontext der Entscheidung
Prozesse, mit denen der Kostenvorschuss nach § 637 Abs. 3 BGB zurückgefordert werden, sind bisher in der Vergangenheit relativ selten geführt worden. Der Unternehmer kann einen an den Besteller gezahlten Vorschuss auf die Mängelbeseitigungskosten zurückfordern, wenn feststeht, dass die Mängelbeseitigung nicht mehr durchgeführt wird. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Auftraggeber seinen Willen aufgegeben hat, die Mängel zu beseitigen. Ein Rückforderungsanspruch entsteht auch dann, wenn der Auftraggeber die Mängelbeseitigung nicht binnen angemessener Frist durchgeführt hat. Welche Frist für die Mängelbeseitigung angemessen ist, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände zu ermitteln, die für diese maßgeblich sind. Abzustellen ist auch auf die persönlichen Verhältnisse des Auftraggebers und die Schwierigkeiten, die sich für ihn ergeben, weil er in der Beseitigung von Baumängeln unerfahren ist und hierfür fachkundige Beratung benötigt. Der Vorschuss ist trotz Ablauf einer angemessenen Frist zur Mängelbeseitigung nicht zurückzuzahlen, soweit er im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zweckentsprechend verbraucht worden ist oder es feststeht, dass er alsbald verbraucht werden wird (BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 – VII ZR 108/08; dazu: Krug, jurisPR-PrivBauR 5/2010 Anm. 1). Dass angesichts der Anforderungen, die der BGH an die Darlegungs- und Beweislast stellt, Rückforderungsprozesse selten sind, erstaunt nicht. Hinzu kam in der Vergangenheit, dass der auf Rückzahlung in Anspruch genommene Besteller gegen den Rückforderungsanspruch, sofern der Unternehmer dessen Voraussetzungen darstellen und beweisen kann, mit einem – nicht abrechenbaren – Schadensersatzanspruch in gleicher Höhe aufrechnen konnte. Nach der Rechtsprechung des VII. Zivilsenats war der Besteller auch nach Empfang eines Kostenvorschusses grundsätzlich nicht gehindert, vor dessen bestimmungsgemäßer Verwendung Schadensersatz zu verlangen. Mit einem solchen Anspruch konnte er gegen die Forderung des Unternehmers auf Rückgewähr des Vorschusses aufrechnen (BGH, Urteil vom 24. November 1988 – VII ZR 112/88 –, Rn. 14). Durch die Änderung der Rechtsprechung zur Bemessung des Schadens nach den fiktiven Kosten der Mängelbeseitigung hat der Vorschussanspruch an Bedeutung gewonnen. Denn eine Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch wird regelmäßig daran scheitern, dass dieser nicht mehr nach den Mängelbeseitigungskosten zu berechnen ist, nach denen sich der Kostenvorschuss richtet. Der Rückforderungsprozess verspricht daher für den Unternehmer – bzw. (ggf.) dessen Haftpflichtversicherer – größere Erfolgsaussichten, soweit die Voraussetzungen für die Rückforderung gegeben sind. Zu unterscheiden vom Vorschussanspruch des § 637 BGB ist der vom VII. Zivilsenat praeter legem kreierte Schadensersatzanspruch des Bestellers gegenüber dem Architekten wegen Planungs- oder Überwachungsfehlern, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, auf Vorfinanzierung in Form der vorherigen Zahlung eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrags (BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 – VII ZR 46/17, Rn. 67). Auch der vom Architekten zu zahlende Betrag ist zweckgebunden und abzurechnen. Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Abrechnung des Anspruchs gemäß § 637 Abs. 3 BGB sind auf die Abrechnung des Schadensersatzanspruchs auf Kostenvorschuss gegenüber dem Architekten ebenfalls anzuwenden (Einzelheiten bei: Rodemann, NZBau 2022, 713).
- Auswirkungen für die Praxis
Ob die Stufenklage auf Auskunft und (spätere) Zahlung zulässig ist, hat das OLG Schleswig nicht hinterfragt. Das Gericht geht vielmehr ohne weiteres davon aus, dass dem Unternehmer ein Auskunftsanspruch gemäß § 666 BGB analog zusteht (Rn. 23). Der Besteller wird aber nicht als Beauftragter des Unternehmers tätig wird, wenn er den Mangel beseitigt, sondern allein im eigenen Interesse, wenn er die Selbstvornahme wählt, zu deren Finanzierung der Kostenvorschussanspruch des § 637 Abs. 3 BGB dient. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 666 BGB sind daher nicht gegeben. Denn der Auftrag ist wegen seiner Unentgeltlichkeit ein Gefälligkeitsvertrag, gerichtet auf fremdnütziges Handeln des Beauftragten (Berger in: Erman, BGB, 17. Auflage 2023, § 662 Rn. 2 mwN.). Damit fehlt es an der notwendigen materiell-rechtlichen Grundlage für eine Stufenklage gemäß § 254 ZPO. Wenn der Besteller über den Vorschuss nicht binnen angemessener Frist abrechnet, kann der Unternehmer den Vorschuss zurückfordern. Der Rückzahlungsanspruch wird fällig. Mangels Verwendungsnachweises war der Anspruch auf Rückzahlung des Vorschusses entstanden. Dieser Anspruch kann aber entfallen, wenn der Besteller prüfbar die Verwendung des Vorschusses nachweist. Der Unternehmer muss dann die Klage für erledigt erklären, um die negative Kostenfolge der Abweisung der Klage zu vermeiden.
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