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Gerichtsstand bei Gesamschuldnerinnenausgleich
1. Ist ein gemeinsamer Gerichtsstand eröffnet, an dem der Kläger gegen alle Streitgenossen gemeinsam Klage führen kann, bedarf er zur Erreichung dieses Ziels keiner Gerichtsstandsbestimmung. In einem solchen Fall ist der Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung zurückzuweisen.
2. Bei Klagen des Bauherrn gegen den Bauunternehmer ist regelmäßig der Gerichtsstand des Erfüllungsorts gemäß § 29 Abs. 1 ZPO am Ort des Bauvorhabens begründet, was auch Sekundäransprüche, insbesondere auf Schadensersatz wegen Nicht- oder Schlechterfüllung von Haupt- und Nebenpflichten aus dem Bauvertrag erfasst. Das gleiche gilt für einen nach § 86 Abs. 1 VVG übergegangenen Anspruch; die örtliche Zuständigkeit des Gerichts richtet sich insoweit nach dem ursprünglichen Rechtsverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Schädiger.
3. Für eine Klage auf Innenausgleich im Rahmen eines Gesamtschuldverhältnisses nach § 426 BGB von Beteiligten an einem Bauvorhaben, die für denselben Mangel (mit-)verantwortlich sein sollen, ist der Gerichtsstand des § 29 Abs. 1 ZPO am Ort des Bauvorhabens eröffnet
Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 23. Juni 2025 – 102 AR 55/25 e
A. Problemstellung
Das Bayerische Oberste Landgericht hatte zu entscheiden, ob der Gerichtsstand des § 29 Abs. 1 ZPO am Ort des Bauvorhabens auch für Innenausgleichsansprüche von Gesamtschuldnern untereinander (bauüberwachende Architekten und bauausführende Unternehmer) eröffnet ist.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die beiden Antragstellerinnen (im Folgenden: Klägerinnen), die die Erhebung einer Klage gegen die drei Antragsgegnerinnen (im Folgenden: Beklagte) beabsichtigen, haben einen „Antrag auf gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit“ nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gestellt. Ausweislich des beigefügten Klageentwurfs sollen die Beklagten wegen verschiedener Baumängel beim Bauvorhaben „Umbau und Erweiterung der XXX Augsburg“ in Regress genommen werden. Bei der Klägerin zu 2 handle es sich um ein Architekturbüro, welches bei der Klägerin zu 1 mit einer Architektenhaftpflichtversicherung versichert sei. Der Bauherr habe die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 2 mit zwei Architektenverträgen für das Bauvorhaben mit den Leistungsphasen 1 bis 9 beauftragt. Die Klägerin zu 2 habe wiederum die Beklagte zu 1 mit den Architektenleistungen der Objektüberwachung sowie der Betreuung und Dokumentation (Leistungsphasen 8 und 9 der Objektplanung) unterbeauftragt. Die Beklagte zu 2 sei seitens des Bauherrn u. a. mit der Lieferung und dem Einbau von Fenstern und die Beklagte zu 3 mit der Herstellung der Unterkonstruktion der Fassade sowie mit der Montage der Fenstereinfassungen beauftragt worden. Nachdem das Objekt errichtet und die Leistungen der Beklagten zu 2 und 3 ausgeführt worden seien, hätten sich diverse Mängel an dem Objekt gezeigt, die bereits Gegenstand eines beim LG Augsburg durchgeführten selbständigen Beweisverfahrens sowie eines vom LG Augsburg rechtskräftig entschiedenen Klageverfahrens gewesen seien. In dem Klageverfahren sei die jetzige Klägerin zu 2 verurteilt worden, an den Bauherrn einen Betrag in Höhe von 1.726.584,00 € nebst Zinsen zu zahlen, und es sei festgestellt worden, dass die jetzige Klägerin zu 2 dem Bauherrn sämtliche über 1.726.584,00 € hinausgehenden Kosten und Schäden zu ersetzen habe, die diesem aufgrund der Beseitigung von Mängeln beim Bauvorhaben entstünden und die auf Planungs- und/oder Bauüberwachungsfehlern der jetzigen Klägerin zu 2 beruhten, einschließlich der Schäden, die durch eine während der Mängelbeseitigung eintretenden Betriebseinschränkung und/oder Betriebsunterbrechung entstünden. In der Folge hätten die Klägerinnen verschiedene Zahlungen an den Bauherrn geleistet. Soweit die Klägerin zu 1 Zahlungen vorgenommen habe, seien entsprechende Regressansprüche der Klägerin zu 2 gemäß § 86 Abs. 1 VVG auf die Klägerin zu 1 übergegangen.
Die Mängel ließen sich in zwei große Themenkomplexe unterteilen. Zum einen würden die (künftigen) Beklagten zu 1 bis 3 für die „Mängel an der Mosaikfassade“ in Anspruch genommen (Themenkomplex A). Der zweite Themenkomplex betreffe sonstige Mängel sowie die vom Bauherrn zu ihrer vorgerichtlichen Feststellung aufgewendeten Gutachterkosten (Themenkomplex B); insoweit nähmen die (künftigen) Klägerinnen allein die (künftige) Beklagte zu 1 in Regress. Sachverständigenseits seien als Ursachen von Mängeln an der Mosaikfassade mangelhafte Architektenleistungen, namentlich Planungsfehler der (künftigen) Klägerin zu 2, und Bauüberwachungsfehler der (künftigen) Beklagten zu 1 sowie jeweils mangelhafte Leistungen der Ausführung und Ausführungsplanungsleistungen der (künftigen) Beklagten zu 2 und 3) festgestellt worden. In Bezug auf „sonstige Mängel“ habe ein Sachverständiger festgestellt, dass diese auf einer mangelhaften Bauüberwachung beruhten, wobei lediglich teilweise den Mängelpunkten zugleich ein Planungsfehler zugrunde liege. Die zwölf angekündigten Klageanträge lassen sich systematisieren wie folgt:
- Die Anträge 1, 4, 7 und 10 betreffen behauptete Ansprüche der Klägerin zu 1, welche gerichtet sind gegen die Beklagte zu 1 (Anträge 1 und 4), zu 2 (Antrag 7) und zu 3 (Antrag 10). Sie sind jeweils in erster Linie auf Zahlung bezifferter Beträge gerichtet, und zwar aufgrund von Zahlungen, welche die Klägerin zu 1 im Rahmen des Versicherungsschutzes für die Klägerin zu 2 geleistet habe.
- Die restlichen Anträge betreffen behauptete Ansprüche der Klägerin zu 2 und zwar jeweils in erster Linie auf Zahlung bezifferter Beträge sowie auf Feststellung weiterer Leistungspflichten gegen die Beklagte zu 1 (Anträge 2, 3, 5 und 6), zu 2 (Anträge 8 und 9) und zu 3 (Anträge 11 und 12).
Die Anträge 1 bis 3 und 7 bis 12 betreffen den Themenkomplex A (Mosaikfassade) und die Anträge 4 bis 6 (nur gegen die Beklagte zu 1) den Themenkomplex B (Sonstiges). Die Beklagte zu 1 hafte gegenüber der Klägerin zu 2 quotal wegen mangelhafter Erfüllung des Unterauftrags, weil sie sowohl die Planungsfehler der Klägerin zu 2 als auch die mangelhaften Leistungen der Beklagten zu 2 und 3 im Rahmen einer ordnungsgemäßen Objektüberwachung hätte erkennen und insoweit einschreiten müssen. Die Beklagten zu 2 und 3 hafteten als Gesamtschuldner nach § 426 Abs. 1 BGB; soweit Schadensersatzansprüche des Bauherrn durch geleistete Zahlungen erfüllt worden seien, hafteten sie daneben auch aus übergegangenem Recht nach § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1, § 426 Abs. 2 BGB. Der allgemeine Gerichtsstand der Beklagten zu 2 und 3 liege außerhalb des Landgerichtsbezirks Augsburg und ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand der Beklagten sei nicht gegeben. Aus prozessökonomischen Gründen sei es sachgerecht, das LG Augsburg als zuständiges Gericht zu bestimmen. Dort sei bereits das selbständige Beweisverfahren sowie ein Klageverfahren geführt und den jetzigen Beklagten der Streit verkündet worden. Zudem liege das streitgegenständliche Bauvorhaben im Landgerichtsbezirk Augsburg, ebenso der allgemeine Gerichtsstand der Beklagten zu 1.
Der Antrag auf Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts ist zurückzuweisen, da die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nicht vorliegen. Gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO setzt eine Gerichtsstandsbestimmung grundsätzlich insbesondere voraus, dass die (künftigen) Beklagten „bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben […] und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist“. Diese Regelung geht auf die Überlegung zurück, dass eine Bestimmung des zuständigen Gerichts nicht notwendig ist, wenn der Kläger bzw. Antragsteller von vornherein ein für alle Streitgenossen zuständiges Gericht anrufen kann. Ist ein gemeinsamer Gerichtsstand eröffnet, an dem der Kläger gegen alle Streitgenossen gemeinsam Klage führen kann, bedarf er zur Erreichung dieses Ziels keiner Gerichtsstandsbestimmung. Der Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung ist dann zurückzuweisen. Die Klägerinnen haben die Möglichkeit, die Beklagten bei einem gemeinsam örtlich zuständigen Gericht (LG Augsburg) zu verklagen. Gemäß § 29 Abs. 1 ZPO ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Aus § 269 Abs. 1 BGB ergibt sich, dass die Leistung an dem Ort zu erfolgen hat, der „für die Leistung […] bestimmt“ wurde oder „aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen“ ist, ansonsten an dem Ort, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte. Bei Klagen des Bauherrn gegen den Bauunternehmer ist regelmäßig der Gerichtsstand des Erfüllungsorts gemäß § 29 Abs. 1 ZPO am Ort des Bauvorhabens begründet, was auch Sekundäransprüche, insbesondere auf Schadensersatz wegen Nicht- oder Schlechterfüllung von Haupt- und Nebenpflichten aus dem Bauvertrag erfasst. Ob es sich um größere oder kleinere Bauleistungen handelt, ist insoweit unerheblich. Nichts anderes gilt für einen nach § 86 Abs. 1 VVG übergegangenen Anspruch; die örtliche Zuständigkeit des Gerichts richtet sich insoweit nach dem ursprünglichen Rechtsverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Schädiger. In entsprechender Weise hätte der Bauherr wegen der besonderen Ortsbezogenheit der zu erbringenden Leistungen etwaige Mängelhaftungsansprüche gegen die Beklagte zu 2 (welche u. a. mit dem Einbau von Fenstern beauftragt war) und die Beklagte zu 3 (welche mit der Herstellung der Unterkonstruktion der Fassade sowie mit der Montage der Fenstereinfassungen für das streitgegenständliche Bauvorhaben beauftragt war) gemäß § 29 Abs. 1 ZPO am Ort der zu erbringenden Leistungen (Augsburg) einklagen können.
Vorliegend geht es in Bezug auf die Beklagten zu 2 und 3 zwar nicht um Direktansprüche des Bauherrn aus einem entsprechenden Vertrag mit diesen, sondern um behauptete Ansprüche im Innenverhältnis zwischen mehreren Gesamtschuldnern nach § 426 BGB. Das Verhältnis zwischen Gesamtschuldnern nach dieser Vorschrift ist kein vertragliches, sondern ein gesetzliches Schuldverhältnis. Auch im Hinblick auf diese Ansprüche ist aber der Gerichtsstand des § 29 Abs. 1 ZPO am Ort des Bauvorhabens eröffnet.
Zwar gilt § 29 Abs. 1 ZPO dem Wortlaut nach nur für „Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen“. Allerdings wird in Literatur und Rechtsprechung eine Anwendung des § 29 ZPO auch auf solche Ansprüche befürwortet, die nicht unmittelbar aus einem Vertrag zwischen den Parteien herrühren. Die Frage, ob § 29 ZPO auch auf Ansprüche nach § 426 BGB anwendbar ist, wird nicht einheitlich beantwortet. Teilweise wird dies ohne weitere Differenzierung angenommen, teilweise wird darauf abgestellt, ob der Gesamtschuld ein Vertrag zugrunde liegt (Nachweise in Rn. 40). Das OLG Celle hat im Zusammenhang mit der Klage eines Darlehensnehmers gegen einen Mitdarlehensnehmer wegen eines Anspruchs aus dem Gesamtschuldverhältnis gemäß § 426 BGB ausgeführt: „Zwar ergibt sich eine Zuständigkeit aus § 29 ZPO wegen eines Anspruchs aus dem Gesamtschuldverhältnis gem. § 426 BGB nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Vorschrift. Denn § 29 ZPO stellt zunächst auf Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis ab; zwischen den Streitparteien besteht jedoch kein Vertragsverhältnis, sondern ein gesetzliches Schuldverhältnis. Soweit sich die Zuständigkeit aus § 29 Abs. 1 ZPO auch auf gesetzliche Schuldverhältnisse bezieht, betrifft dies in erster Linie Streitigkeiten zwischen sich gegenüber stehenden Parteien. Dies ist vorliegend bei (Mit-)Darlehensnehmern auf den ersten Blick nicht der Fall. Der Senat hält es jedoch […] für angemessen, zur Regelung der Zuständigkeit im vorliegenden Fall die Bestimmung des § 29 Abs. 1 ZPO heranzuziehen, weil die Entstehung des Gesamtschuldverhältnisses darauf beruht, dass die Parteien ein Vertragsverhältnis mit der das Darlehen gewährenden Bank eingegangen sind“ (OLG Celle, Beschl. v. 27. August 2012, 4 AR 40/12, Rn. 7). Auch zur vorliegenden Konstellation – Geltendmachung von Ansprüchen auf Innenausgleich im Rahmen eines Gesamtschuldverhältnisses nach § 426 BGB von Beteiligten an einem Bauvorhaben, die für denselben Mangel (mit-)verantwortlich sein sollen – wird vertreten, dass der Gerichtsstand des § 29 Abs. 1 ZPO am Ort des Bauvorhabens eröffnet sei (Nachweise Rn. 40). Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Zwar besteht auch vorliegend kein Vertragsverhältnis zwischen den Prozessparteien (hier: zwischen den Klägerinnen und den Beklagten zu 2 und 3); die behaupteten Ansprüche aufgrund des Gesamtschuldverhältnisses beruhen aber letztlich darauf, dass jeder der Gesamtschuldner mit dem Gläubiger ein Vertragsverhältnis eingegangen ist. Der BGH hat in seiner grundlegenden Entscheidung vom 5. Dezember 1985 ausgeführt: „Beim Bauvertrag […] liegt der Schwerpunkt des Vertrages wegen der besonderen Ortsbezogenheit der vertragstypischen Werkleistung eindeutig am Ort des Bauwerkes. Hier muß der Unternehmer seine Leistung erbringen; hier muß auch der Besteller nach § 640 BGB eine seiner Hauptpflichten, nämlich die Abnahme des Werkes, erfüllen. Soweit sich nicht aus den Umständen ein anderes ergibt, entspricht es daher der Natur dieses Schuldverhältnisses, wenn die Vertragsparteien ihre gesamten das Bauwerk betreffenden Rechtsbeziehungen an diesem Ort erledigen. Hierauf haben sich die Beteiligten im allgemeinen auch eingestellt. Schließlich liegt es auch im wohlverstandenen Interesse beider Vertragsparteien, daß – als Folge des gemeinsamen Erfüllungsortes – eine gerichtliche Auseinandersetzung dort durchgeführt werden kann, wo aufgrund der räumlichen Nähe zum Bauwerk eine Beweisaufnahme – z. B. über das Ausmaß oder über behauptete Mängel – regelmäßig wesentlich einfacher und kostengünstiger durchgeführt werden kann als an dem auswärtigen Wohnsitz des Auftraggebers“ (BGH, Beschluss vom 5. Dezember 1985 – I ARZ 737/85 –, Rn. 5). Diese Erwägungen gelten auch für den vorliegenden Fall des Gesamtschuldnerausgleichs. Die Erbringer von ortsgebundenen Werkleistungen an einem Bauwerk – wie hier die Beklagten zu 2 und 3 – haben sich im Allgemeinen darauf eingestellt, ihre Leistungen (einschließlich der Erfüllung etwaiger Sekundäransprüche) am Ort des Bauwerks zu erbringen und es liegt auch in ihrem wohlverstandenen Interesse, dass eine gerichtliche Auseinandersetzung dort durchgeführt werden kann, wo aufgrund der räumlichen Nähe zum Bauwerk eine Beweisaufnahme – z. B. über das Vorliegen, das Ausmaß oder die Verursachungsbeiträge bezüglich behaupteter Mängel – regelmäßig wesentlich einfacher und kostengünstiger durchgeführt werden kann, als an einem anderen Ort. Wird ein Leistungserbringer unmittelbar vom Bauherrn wegen Mängeln seiner Leistung in Anspruch genommen, ist der Gerichtsstand des § 29 Abs. 1 ZPO am Ort des Bauwerks eröffnet. Wirken, wie bei Bauvorhaben häufig, mehrere Leistungserbringer an einem Gewerk mit und leisten (behauptetermaßen) mangelhaft, ist es nicht unüblich, dass der Bauherr nur einen von ihnen in Haftung nimmt (wie vorliegend die Klägerin zu 2). Ob der (behauptet) mangelhaft Leistende aufgrund des Leistungsmangels gegebenenfalls vom Bauherrn unmittelbar verklagt wird (dann unter Geltung von § 29 Abs. 1 ZPO) oder von einem Mit-Leistenden auf Grundlage von § 426 BGB, hängt für ihn oft nur vom Zufall ab. Jedenfalls wird er bei Abschluss seines Vertrags mit dem Bauherrn regelmäßig davon ausgehen, etwaige Ansprüche wegen Leistungsmängeln am Ort des Bauwerks zu erfüllen und dort gegebenenfalls auch verklagt werden zu können. Ob die Klage vom Bauherrn selbst oder im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs von einem Mit-Leistenden erhoben wird, begründet in dieser Hinsicht für ihn keinen wesentlichen Unterschied. Deshalb gilt § 29 Abs. 1 ZPO in der vorliegenden Konstellation auch für Klagen der Klägerin zu 2 (und über § 86 Abs. 1 VVG auch für solcher der Klägerin zu 1 gegen die Beklagten zu 2 und 3. Dies steht im Übrigen im Einklang mit Erwägungen des OLG Celle, das ausgeführt hat, dass § 29 ZPO, wie alle prozessualen Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit, nicht nur eine Zweckmäßigkeitsvorschrift darstelle, sondern auch zu einer gerechten Verteilung der prozessualen Lasten führen solle (OLG Celle, Urteil vom 22. Juli 2020 – 3 U 3/20, Rn. 41). Auch dies spricht für eine Anwendung des § 29 Abs. 1 ZPO im vorliegenden Fall. Denn so kann der Gesamtschuldner, der vom Bauherrn in Anspruch genommen wird und sich gemäß § 29 Abs. 1 ZPO am Ort des Bauvorhabens verklagen lassen muss, auch selbst gegen die anderen Gesamtschuldner am Ort des Bauvorhabens klagen (wo sich, wie ausgeführt, diese Gesamtschuldner auch hätten verklagen lassen müssen, wenn der Bauherr die Klage unmittelbar gegen sie geführt hätte).
C. Kontext der Entscheidung
Für die Praxis wichtig ist die Feststellung des Gerichts, dass der Gerichtsstand des § ZPO am Ort das Bauvorhabens auch für Ansprüche der gesamtschuldnerisch gegenüber dem Auftraggeber haftenden Planer und Bauunternehmer eröffnet ist. Zwar setzt die Vorschrift „Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis“ voraus. Die Ansprüche eines Gesamtschuldners gegenüber den anderen Gesamtschuldnern gemäß § 426 Abs. 1 gründen aber nicht einem Vertragsverhältnis zwischen diesen. Dem fehlenden Vertragsverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern ist jedoch nach Ansicht des BayObLG das zwischen den Gesamtschuldnern bestehende gesetzliche Schuldverhältnis gleichwertig, so dass § 29 ZPO auch für Streitigkeiten aus dem Rechtsverhältnis zwischen diesen anwendbar ist. Diese Frage war bisher für Ausgleichsansprüche zwischen Gesamtschuldnern wegen obergerichtlich noch nicht entschieden. Das BayObLG kann sich auf eine Entscheidung des OLG Celle stützen, das für einen Darlehensvertrag eine Zuständigkeit nach § 29 ZPO für eine Klage eines Mitdarlehensnehmers aus § 426 BGB angenommen hat (OLG Celle, Beschluss vom 27. August 2012 – 4 AR 40/12 –, Rn. 6). Die Erwägungen des OLG Celle lassen sich auf den Gesamtschuldner-Ausgleichsanspruch unter Beteiligten an einem Bauvorhaben, die für denselben Mangel (mit-)verantwortlich sein sollen, ohne weiteres übertragen, so dass die Praxis für die Entscheidung des BayObLG dankbar sein kann, die zudem in Einklang mit der Rechtsprechung des BGH steht, der bei einem Bauwerkvertrag einen einheitlichen Leistungsort bejaht hat, bei dem auch der Besteller eine seiner Hauptpflichten, nämlich die Abnahme des Werks, am Ort des Bauwerks zu erfüllen hat und bei dem es im wohlverstandenen Interesse beider Vertragsparteien liegt, eine gerichtliche Auseinandersetzung über etwaige Mängel des Bauwerks in dessen räumlicher Nähe durchführen zu können (BGH, Beschluss vom 6. Mai 2025 – X ARZ 38/25 –, Rn. 26, mwN.).
D. Auswirkungen für die Praxis
Der Gesamtschuldnerausgleichsanspruch gemäß § 426 BGB, der der (kurzen) Regelverjährungsfrist des § 195 BGB unterliegt, entsteht bereits mit der Begründung der Gesamtschuld. Er besteht zunächst als Mitwirkungs- und Befreiungsanspruch und wandelt sich nach Befriedigung des Gläubigers in einen Zahlungsanspruch um. Daraus folgt, dass der Ausgleichsanspruch unabhängig von seiner Ausprägung als Mitwirkungs-, Befreiungs- oder Zahlungsanspruch einer einheitlichen Verjährung unterliegt. Auch soweit er auf Zahlung gerichtet ist, ist er mit der Begründung der Gesamtschuld im Sinne des § 199 BGB entstanden (BGH, Urteil vom 9. Juli 2009 – VII ZR 109/08 –, Rn. 21 - 22, mwN.). Die damit verbundene relativ frühzeitige Verjährung des Ausgleichsanspruchs belastet nach Auffassung des VII. Zivilsenats des BGH den Ausgleichsberechtigten nicht unbillig. Er sei hinreichend durch das zusätzliche Erfordernis des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB geschützt. Das vom BGH ins Feld geführte Korrektiv der für den Verjährungsbeginn notwendigen positiven Kenntnis ist jedoch schwach. Denn für die Annahme positiver Kenntnis iSd. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist nicht erforderlich, dass der Gläubiger die ihm bekannten Tatsachen zutreffend rechtlich würdigt (BGH, Beschluss vom 19. März 2008 – III ZR 220/07 –, Rn. 7, mwN.). Die somit ausreichenden schlichten Tatsachenkenntnisse können gerade bei langwierigen Bauprozessen schnell zu einem mehr als drei Jahre vor Entscheidung des Haftungsprozesses liegenden Zeitpunkt vor-liegen. Zur Wahrung ihrer Rechte, d. h. zur Hemmung des Ausgleichsanspruchs können Gesamtschuldner einander den Streit verkünden, selbst wenn sie als Streitgenossen in Anspruch genommen werden (OLG Celle, Urteil vom 12. März 2008 – 14 U 108/07).
Sicherungshypothek bei Planungsleistungen
Eine Wertsteigerung des Grundstücks durch die Architektenleistung ist keine Voraussetzung für die Eintragung einer Sicherungshypothek gem. §§ 650q, 650e BGB.
Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 3. Dezember 2024 – 10 W 24/24
A. Problemstellung
Das OLG Hamburg hatte zu entscheiden, ob dem Architekten auch dann ein Anspruch auf Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek zur Sicherung seines Honoraranspruchs zusteht, wenn mit der Bauausführung noch nicht begonnen worden ist.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Antragstellerin wurde vom Antragsgegner mit Architektenleistungen gem. LP 1 - 4 § 34 HOAI zur Planung eines Mehrfamilienhauses auf einem Eckgrundstück in Hamburg-Harburg beauftragt. Zudem sollte sie eine Baugenehmigung sowie eine Abbruchgenehmigung für das (kleinere) Bestandsgebäude erwirken. Bauvorbescheid und Abbruchgenehmigung wurden erteilt. Die Antragstellerin stellte dem Antragsgegner vier Abschlagsrechnungen, hiervon wurden – trotz mehrerer Mahnungen - nur die ersten beiden bezahlt. Auch auf die sodann erstellte Schlussrechnung erfolgte keine Zahlung.
Der Antragsgegner befindet sich in finanziellen Schwierigkeiten. Im Grundbuch wurde bereits auf Antrag des Finanzamtes eine Sicherungshypothek eingetragen. Der Antragsgegner versucht aktuell, die Immobilie unter Verwendung der Planung der Antragstellerin veräußern. In seinem in das Immobilienportal ImmoScout24 eingestellte Angebot nimmt der Antragsgegner auf die Architektenleistung der Antragstellerin und den von dieser erwirkten Bauvorbescheid Bezug. Die Antragstellerin trägt vor, dass die Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung ihres Anspruchs auf Einräumung einer Sicherungshypothek wegen Architektenhonorars geboten sei, da bei einer Veräußerung bzw. der Eintragung einer Auflassungsvormerkung vor Eintragung der begehrten Vormerkung die Möglichkeit einer werthaltigen Sicherung für die Antragstellerin entfalle. Die Antragstellerin hat vor dem Landgericht beantragt, auf dem Grundstück eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Einräumung einer Sicherungshypothek wegen Architektenhonorar in Höhe von 129.686,06 Euro nebst Verzugszinsen sowie einer pauschalen Nebenforderung in Höhe von 12.9686,06 Euro einzutragen. Das Landgericht hat den Antrag ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners zurückgewiesen. Voraussetzung für eine Sicherungshypothek zugunsten des Architekten sei, dass sich die Planungsleistung bereits im Bauwerk verkörpert und damit zu einer Wertsteigerung des Grundstücks geführt habe. Mit der Baumaßnahme müsse zumindest begonnen worden sein. Erst dann verdichte sich die Beziehung zwischen der zu erbringenden Wertleistung und dem Grundstück derart, dass die voraussetzungslose Gewährung eines Anspruchs auf Sicherung an dem Grundstück gerechtfertigt sei.
Die Beschwerde hat Erfolg. Der Antragstellerin steht wegen ihrer Honorarforderung aus dem Architektenvertrag ein Anspruch auf Eintragung einer Sicherungshypothek gem. §§ 650q, 650e Abs. 1 S. 1 BGB zu, den sie im Wege der einstweiligen Verfügung durch Eintragung einer Vormerkung gem. §§ 883 Abs. 1, 885 Abs. 1 BGB, §§ 935 ff. ZPO sichern kann. Der Auffassung des Landgerichts, dass es ungeschriebene Voraussetzung dieses Anspruchs sei, dass sich die Planungsleistung bereits im Bauwerk verkörpert und damit zu einer Wertsteigerung des Grundstücks geführt habe und die Baumaßnahme begonnen haben müsse, folgt der Senat nicht. Zum einen ist eine Wertsteigerung des Grundstücks durch die Architektenleistung keine Voraussetzung für die Eintragung einer Sicherungshypothek gem. §§ 650q, 650e BGB. Im Übrigen hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht, dass eine Wertsteigerung des Grundstücks auch ohne Beginn der Baumaßnahmen bereits durch die Architektenleistung eingetreten ist.
Zur alten Rechtslage (§ 648 BGB a.F.) war von einer Reihe von Oberlandesgerichten die Auffassung vertreten worden, dass Voraussetzung für die Eintragung einer Sicherungshypothek sei, dass die Werkleistung, für die Sicherung über eine Bauhandwerkersicherungshypothek begehrt wurde, sich bereits durch Beginn der Baumaßnahme werterhöhend auf das haftende Grundstück ausgewirkt habe (Nachweise in Rn. 17). Allein die Erbringung von Architektenleistungen, auch wenn diese zur Erteilung einer Baugenehmigung geführt haben, führe nicht zu einer Wertsteigerung des Grundstücks. Das Grundstück könne daher ohne Beginn der Baumaßnahmen nicht zur Sicherung der Architektenansprüche herangezogen werden. Basis für die vorgenannte Rechtsprechung war letztlich eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1968. Der BGH hatte dort ausgeführt: "§ 648 BGB gewährt dem Unternehmer eines Bauwerks für seine Werklohnforderung eine Sicherheit am Grundstück, weil er durch seine Leistung den Wert des Grundstücks erhöht hat." (BGH, Urteil vom 5. Dezember 1968 – VII ZR 127/66 –, Rn. 6). Daraus schloss die OLG-Rechtsprechung, dass sich die Leistung des Architekten den Wert des Grundstücks erhöht haben und mit der Errichtung des Bauwerks begonnen worden sein müsse. Gegen diese einschränkende Auslegung des § 648 BGB sprach schon nach der alten Rechtslage, dass sie den Architekten gegenüber anderen an einem Bauwerk beteiligten Unternehmern benachteiligte, da dem Architekten auch dann, wenn er seine Leistung vollständig erbracht hatte, kein Sicherungsanspruch zugebilligt wurde. Auch war die Rechtsprechung gerade in Fällen, in denen lediglich gerade mit der Bauausführung begonnen worden war, z.B. nur Ausschachtungsarbeiten begonnen hatten, bloße Förmelei, da eine wesentliche Wertsteigerung des Grundstücks lediglich mit dem Beginn von Ausschachtungsarbeiten auch nicht verbunden sein dürfte und die Rechtsprechung die Konsequenz, die sich aus ihrer Argumentation ergeben müsste, dass der Anspruch nur insoweit gesichert werden könne, als die Leistungen des Antragstellers bereits durch Ausführung der Bauarbeiten den Grundstückswert erhöht hätten, nicht zog. Ein anderer Senat des OLG Hamburg hat seinen Anschluss an die vorgenannte OLG-Rechtsprechung noch damit begründet, dass sonst der Zugriff auf das Grundstück als Sicherungsobjekt uferlos würde (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 18. März 2009 – 14 W 24/09). Dieser Senat setzte die bereits erbrachten Leistungen des Architekten mit bloßen Vorbereitungshandlungen eines Bauhandwerkers gleich: "Auch der Bauhandwerker, der seine zu erbringende Leistung vorbereitet, hat keinen Anspruch auf Sicherung nach § 648 BGB. Ob sich die Vorbereitungshandlung wertsteigernd oder wertneutral auf das Grundstück auswirkt, kann nach dem oben Gesagten nicht entscheidend sein". (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 18. März 2009 – 14 W 24/09 –, Rn. 4). Diese Argumentation ist abzulehnen, da hier ungleiche Vorgänge gleichgesetzt werden: Der Architekt hat seine Leistungen vollständig erbracht, der Bauhandwerker hingegen noch nicht einmal damit begonnen. Dementsprechend liegen auf Seiten des Bauhandwerkers keine Leistungen und Ansprüche vor, die zu sichern wären, der Architekt hingegen hat ein berechtigtes Sicherungsinteresse.
Der BGH hatte seine Rechtsprechung zu § 648 BGB a.F. kurz nach Inkrafttreten des Bauvertragsrechtsreformgesetzes (BauVertrRRG) relativiert: Es komme auf die Höhe der erbrachten Leistung, nicht auf den dem einzelnen Grundstück zugeflossenen Wert an. Schutzzweck des § 648 BGB sei es, dem Unternehmer ein schnell zu verwirklichendes Sicherungsmittel zu verschaffen. Das finde seine Rechtfertigung einmal in der Vorleistungspflicht des Unternehmers, zum anderen in dem Mehrwert, den das Grundstück durch seine Leistung erfahren habe. Der Anspruch aus § 648 BGB sei nicht an dem vom Unternehmer geschaffenen Mehrwert des jeweiligen Baugrundstücks orientiert und nicht hierauf beschränkt. Eine derartige Beschränkung ergebe sich nicht aus dem Wortlaut des § 648 Abs. 1 S. 1 BGB und lasse sich auch nicht aus der Gesetzgebungsgeschichte herleiten. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens sei die Frage des "Mehrwertes" diskutiert worden, aber nicht ins Gesetz eingeflossen. Eine Beschränkung des Sicherungsanspruchs auf den vom Handwerker geschaffenen Mehrwert des Baugrundstücks lasse sich den Gesetzesmaterialien zu § 648 BGB nicht entnehmen (BGH, Urteil vom 30. März 2000 – VII ZR 299/96). Schon nach dieser Entscheidung war zweifelhaft, ob die Auffassung der Oberlandesgerichte zur alten Rechtslage noch haltbar war. Jedenfalls aber nach Inkrafttreten des BauVertrRRG ist davon auszugehen, dass es nicht ungeschriebene Voraussetzung des Sicherungsanspruchs des Architekten ist, dass mit den Bauarbeiten auf dem Grundstück begonnen wurde. Im Rahmen des am 01.01.2018 in Kraft getretenen BauVertrRRG hat der Gesetzgeber dem Architekten nunmehr kraft Gesetzes einen Anspruch auf Einräumung einer Bauhandwerkersicherungshypothek zugebilligt (§§ 650e, 650q BGB). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Rechtsprechung vieler Oberlandesgerichte, dass der Sicherungsanspruch davon abhänge, dass mit der Bauausführung begonnen worden sei, billigte ohne sie zu normieren (was ja nahegelegen hätte), finden sich in den Gesetzgebungsmaterialien nicht.
Im Übrigen hätte es nahegelegen, dass der Gesetzgeber, wenn schon den Besonderheiten des Architektenvertrages durch einen eigenen Untertitel im Gesetz Rechnung getragen wird, eine gewollte Besonderheit für die Sicherungshypothek des Architekten ebenfalls ausdrücklich geregelt wird. Eine solche ausdrückliche Einschränkung des § 650 e BGB ist aber in der Verweisungsnorm § 650q BGB nicht erfolgt. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber den Sicherungsanspruch des Architekten von der Leistungserbringung eines Dritten – des Bauunternehmers – abhängig machen sollte. Vielmehr knüpft der Gesetzgeber im neuen Baurecht hinsichtlich der Sicherungsansprüche an die geleistete Arbeit an (§ 650e S. 2 BGB: "Ist das Werk noch nicht vollendet, so kann er die Einräumung der Sicherungshypothek für einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung (…) verlangen") und gerade nicht an eine Wertsteigerung des Grundstücks durch die geleistete Arbeit. Der Gesetzgeber betont so das Sicherungsinteresse des Unternehmers und lässt den Aspekt der (korrespondierenden) Wertsteigerung des Grundstücks in den Hintergrund treten. Die Anknüpfung an das "Bauwerk", die in § 648 BGB a.F. noch vorhanden war, hat der Gesetzgeber in §§ 650e, 650q BGB aufgegeben. Hier geht es nur noch um die "Forderungen aus dem Vertrag". Ein Anknüpfungspunkt für die Auffassung, dass sich die Werkleistung des Architekten schon im Bauwerk verkörpern müsse, findet sich schon nach dem Wortlaut nicht (mehr). Jedenfalls nach dem neuen Baurecht ist daher nicht Voraussetzung, dass sich eine Planungsleistung bereits im Bauwerk verkörpert und damit zu einer Wertsteigerung des Grundstücks geführt hat.
Im Übrigen hat der Antragsteller glaubhaft gemacht, dass eine Wertsteigerung des Grundstücks durch die Architektenleistung auch unabhängig von einem etwaigen Baubeginn vorliegt: In dem Veräußerungsangebot des Antragsgegners wird ausdrücklich auf den Bauvorbescheid Bezug genommen ("Dieses Angebot wird durch einen genehmigten Bauvorbescheid vom 22. März 2024 besonders attraktiv"). Die von der Antragstellerin vorgenommene Planung wird bildlich dargestellt und beschrieben. Die Antragstellerin trägt vor, dass die bisherige bauliche Nutzung durch den Vorbescheid erheblich vergrößert worden sei, was zu einer erheblichen Wertsteigerung des Grundstücks geführt habe. Insofern hat die Leistung des Architekten bereits zu einem Wertzuwachs des Grundstücks unabhängig von einem etwaigen Beginn der Baumaßnahmen geführt.
C. Kontext der Entscheidung
Gewährt wird dem Unternehmer eines Bauwerks für seine Werklohnforderung eine Sicherheit am Grundstück, weil er durch seine Leistung den Wert des Grundstücks erhöht hat, dabei aber sein Eigentum an den fest eingebauten Sachen gem. § 946 BGB verloren hat. Der Wert des Grundstücks erfährt aber nicht nur durch die beim Bauen zugeführten realen Sachwerte eine Steigerung, sondern ebenso durch die geistige Leistung des Architekten, die sich ebenfalls in dem Bauwerk verkörpert. Sie kann sogar für den Wert des erstellten Bauwerks ausschlaggebend sein. Daher hat der BGH den Architekten auch als "Unternehmer eines Bauwerks" iSd. § 648 BGB a.F. angesehen (BGH, Urteil vom 05. Dezember 1968 – VII ZR 127/66). Auch seine Planung und Bauleitung dienten der Erstellung des Bauwerks. Durch seine mannigfachen Einzelleistungen trage er nicht weniger als die Bauhandwerker durch ihre technischen Arbeiten dazu bei, dass das Bauwerk gemäß dem Plan und frei von Mängeln zur Entstehung gelangt und vollendet wird. Auf die Erbringung von Bauleistungen kann es zudem für den Anspruch des Architekten aus § 650e BGB bereits deshalb nicht ankommen, weil es sich nicht um Leistungen des Architekten handelt, sondern um diejenigen Dritter, nämlich der Bauunternehmer. Folgte man dieser Argumentation konsequent, könnte der Architekt nie einen Anspruch aus § 650e BGB erwerben. Hinzu kommt, dass der Beurteilung, ob mit der Bauausführung bereits begonnen worden ist, ein für den Rechtssuchenden nicht vorhersehbares Maß an richterlichem Beurteilungsspielraum innewohnt (Thode, jurisPR-PrivBauR 7/2020 Anm. 3). Eine höchstrichterliche Klärung steht allerdings noch aus.
D. Auswirkungen für die Praxis
Höchstrichterlich ebenfalls noch nicht entschieden ist auch die Frage, ob der auf den nicht erbrachten Teil der Leistung entfallene Anspruch des Planers sicherbar ist. Nach Auffassung des Kammergerichts ist im Falle der vorzeitigen Beendigung des Architektenvertrages der Sicherungsanspruch der Höhe nach gemäß §§ 650q, 650e Abs. 1 Satz 2 BGB auf den Honoraranspruch für die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen begrenzt; ein Anspruch auf Sicherung des „großen Kündigungsschadens“ insgesamt, mithin auch des Honoraranspruchs wegen der nicht erbrachten Leistungen bestehe nicht (KG Berlin, Beschluss vom 5. Januar 2021 – 27 W 1054/20). Die besseren Gründe sprechen jedoch für die Auffassung des OLG Düsseldorf, das entschieden hat, dass der Auftragnehmer auf für die nach § 649 BGB a.F. (§ 648 BGB) zu berechnende Vergütung eine Bauhandwerkerversicherungshypothek verlangen kann. Denn das Werk ist nicht als „unvollendet“ iSd. § 648 Satz 2 BGB a.F. (§ 650e Satz 2 BGB) anzusehen. Infolge der Kündigung des Bauherrn gemäß § 649 Satz 1 BGB a.F. (§ 648 Satz 2 BGB) beschränkt sich die Leistungspflicht des Unternehmers auf das, was er als „Werk“ bis zum Zeitpunkt der Kündigung hergestellt hatte. Die Kündigung machte diesen Zustand zum „vollendeten“ Werk, für das der Auftragnehmer die nach § 649 BGB zu berechnende Vergütung verdient hat (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.08.2003 - 5 W 17/03 Rn. 8). Da der BGH die Sicherbarkeit des Schadensersatzanspruchs des aus wichtigem Grund kündigenden Unternehmers bejaht hat (BGH, Urt. v. 05.12.1968 - VII ZR 127/66) muss dies gleichermaßen für den Anspruch auf entgangenen Gewinn gelten (Leicht in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 650e BGB, Stand 20.03.2023, Rn. 15). Für den Anspruch des Unternehmers nach Kündigung wegen Nichtstellens einer Sicherheit aus § 650f Abs. 5 Satz 2 BGB, der § 648 Satz 2 BGB nachgebildet ist, kann daher nichts anderes gelten.
BGH: Zustandsnote beim Oldtimerkauf
Enthält ein Kaufvertrag über einen Oldtimer im Zusammenhang mit der Beschreibung des Erhaltungszustands die Angabe einer Zustandsnote, ist im Hinblick auf die erhebliche rechtliche und praktische Bedeutung von Zustandsnoten im Bereich des Kaufs von Oldtimern regelmäßig - auch im Fall des Verkaufs eines Oldtimers durch einen privaten Verkäufer - von einer Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB aF auszugehen, sofern nicht im Einzelfall besondere Umstände gegen die Vereinbarung eines der Zustandsnote entsprechenden Erhaltungszustands als Beschaffenheit des Fahrzeugs sprechen.
BGH, Urteil vom 23. Juli 2025 – VIII ZR 240/24
A. Problemstellung
Ob beim Verkauf von Oldtimern aufgrund der Angabe einer Zustandsnote in dem Kaufvertrag im Zusammenhang mit der Beschreibung des Erhaltungszustands des Oldtimers regelmäßig - auch im Fall des Verkaufs eines Oldtimers durch einen privaten Verkäufer - von einer Beschaffenheitsvereinbarung auszugehen ist, hatte der VIII. Zivilsenat zu entscheiden.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger erwarb im Jahr 2020 im Rahmen eines Privatkaufs einen MG Typ B Roadster des Baujahrs 1973, der über eine H-Zulassung verfügte. Der Beklagte hatte für dieses Fahrzeug eine Verkaufsanzeige auf einer Onlineplattform geschaltet. Dort war als Zustandsnote "2-3" angegeben. Zudem wurde auf die zwölfjährige Besitzzeit des Beklagten, den technisch einwandfreien Zustand des Fahrzeugs und die fortlaufend durchgeführten Erhaltungs- und Restaurierungsmaßnahmen hingewiesen. In dem Kaufvertrag zwischen den Parteien, in dem die Sachmängelgewährleistung mit Ausnahme für die Haftung bei Beschaffenheitsvereinbarungen ausgeschlossen wurde, hieß es: [• kursiv] "Der Verkäufer erklärt Folgendes verbindlich zum Zustand des Fahrzeugs: - siehe Gutachten - Note 2-3". [• Ende kursiv] Bei Vertragsschluss lagen dem Kläger ein Gutachten aus dem Jahr 2011 und eines aus dem Jahr 2017 vor. Das erstgenannte wies für das Fahrzeug eine Zustandsnote von "2,0" aus, das letztgenannte eine solche von "3-". Anfang 2022 stellte der Kläger das Fahrzeug beim TÜV zur Hauptuntersuchung vor. Dieser lehnte die Erteilung einer Prüfplakette wegen erheblicher Mängel ab, u.a. wegen einer an verschiedenen Stellen korrosionsgeschwächten Bodengruppe, mehrfach durchgerosteten Schwellern und einem durchgerosteten Radhaus hinten links und rechts. Nach erfolgloser Aufforderung zur Mangelbeseitigung erklärte der Kläger den Rücktritt von dem Kaufvertrag.
Mit seiner Klage verlangt er die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs sowie den Ersatz von Aufwendungen. Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht den geltend gemachten Ansprüchen der zwischen den Parteien vereinbarte Gewährleistungsausschluss entgegen. Zwar gelte dieser nicht im Falle einer Beschaffenheitsvereinbarung. Die Parteien hätten jedoch eine Beschaffenheit des Fahrzeugs dahingehend, dass dieses einen der Zustandsnote "2-3" entsprechenden Zustand aufweise, nicht vereinbart. Der Beklagte habe mit dem der Angabe "2-3" beigefügten Zusatz "siehe Gutachten" zum Ausdruck gebracht, woher er diese Angabe entnommen habe und dass es sich dabei nicht um eigenes Wissen handele. Angesichts dessen habe der Kläger nicht erwarten können, dass der Beklagte die Haftung für die Richtigkeit der Angabe habe übernehmen und für die Folgen des Fehlens der betreffenden Eigenschaft habe einstehen wollen. Die Vereinbarung einer Zustandsnote von "2-3" habe sich auf den Inhalt der in Bezug genommenen Gutachten aus den Jahren 2011 und 2017 beschränkt.
Die Revision des Klägers hat Erfolg. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, die Parteien hätten eine Beschaffenheit im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB aF (heute: § 434 Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 1 BGB) dahingehend, dass der Zustand des Fahrzeugs der Zustandsnote "2-3" entspricht, nicht vereinbart, weshalb sich der Beklagte bezüglich einer etwaigen Abweichung des Zustands des Fahrzeugs von der im Kaufvertrag angegebenen Zustandsnote "2-3" mit Erfolg auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss berufen könne. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings im Hinblick auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss davon ausgegangen, dass dem Kläger nur dann Ansprüche wegen der in Rede stehenden Mängel des Fahrzeugs zustehen könnten, wenn insoweit eine Beschaffenheitsvereinbarung iSv. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB aF vorläge. Zutreffend ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass der vorliegende Gewährleistungsausschluss nicht für das Fehlen einer vereinbarten Beschaffenheit im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB aF gilt. Dies folgt hier bereits daraus, dass die im Kaufvertrag enthaltene Regelung des Gewährleistungsausschlusses Beschaffenheitsvereinbarungen ausdrücklich nicht erfasst.
Mit Rechtsfehlern behaftet ist hingegen die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Parteien eine Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB aF hinsichtlich eines einer Zustandsnote von "2-3" entsprechenden Zustands des Fahrzeugs nicht getroffen hätten. Eine Beschaffenheitsvereinbarung iSv. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB aF setzt voraus, dass der Verkäufer in vertragsgemäß bindender Weise die Gewähr für das Vorhandensein einer Eigenschaft der Kaufsache übernimmt und damit seine Bereitschaft zu erkennen gibt, für alle Folgen des Fehlens dieser Eigenschaft einzustehen. An das Vorliegen einer Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB aF sind strenge Anforderungen zu stellen. Eine solche Vereinbarung kommt nur in eindeutigen Fällen in Betracht. Ob danach im Einzelfall eine Beschaffenheitsvereinbarung zu bejahen ist, ist eine Frage der Vertragsauslegung. Das betrifft auch die Frage, ob die Parteien die in einer Internetanzeige enthaltenen Angaben zu der Kaufsache - die für sich betrachtet als öffentliche Äußerung über Eigenschaften der Kaufsache iSv. § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB aF gelten, welche das Gesetz zu der gewöhnlichen Beschaffenheit nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB aF zählt- (stillschweigend) in den Vertrag einbezogen und auf diese Weise zum Inhalt einer Beschaffenheitsvereinbarung gemacht haben. Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht zwar rechtsfehlerfrei das Vorliegen einer Beschaffenheitsvereinbarung eines restaurierten Zustands des Fahrzeugunterbodens verneint. Die Auslegung des Berufungsgerichts, dass auch hinsichtlich der Zustandsnote "2-3" eine Beschaffenheitsvereinbarung nicht vorliegt, hält dagegen einer Prüfung nicht stand. Bei seiner Auslegung hat das Berufungsgericht bereits im Ausgangspunkt die Bedeutung von Zustandsnoten beim Verkauf von Oldtimern nicht hinreichend berücksichtigt. Hierbei hat es überdies die Bedeutung der in der Verkaufsanzeige des Beklagten enthaltenen Angaben für die Auslegung der kaufvertraglichen Vereinbarung zum Zustand des Fahrzeugs nicht ausreichend in den Blick genommen. Weiter hat es bei der Würdigung der vorbezeichneten Unterlagen deren Inhalt nicht vollständig ausgeschöpft. Der Senat ist deshalb an das Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts nicht gebunden und kann, da weitere tatsächliche Feststellungen insoweit nicht zu erwarten sind, hier die betreffende Auslegung selbst vornehmen.
Unter zutreffender Berücksichtigung aller Umstände führt die gebotene nach beiden Seiten hin interessengerechte Auslegung zu dem Ergebnis, dass die Parteien als Beschaffenheit des Fahrzeugs einen der angegebenen Zustandsnote "2-3" entsprechenden Zustand vereinbart haben, mithin einen Zustand im mittleren Bereich zwischen den anerkanntermaßen den Zustandsnoten "2" und "3" zugeordneten Erhaltungszuständen. Bei der Auslegung vertraglicher Vereinbarungen bei einem Oldtimerkauf, die die Angabe von Zustandsnoten enthalten, ist zunächst die erhebliche rechtliche und praktische Bedeutung von Zustandsnoten zu berücksichtigen. Diese führt dazu, dass bei der Angabe von Zustandsnoten im Kaufvertrag im Zusammenhang mit der Beschreibung des Erhaltungszustands des Oldtimers regelmäßig - auch in dem hier gegebenen Fall des Verkaufs eines Oldtimers durch einen privaten Verkäufer - von einer Beschaffenheitsvereinbarung iSv. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB aF auszugehen ist, sofern nicht im Einzelfall besondere Umstände gegen die Vereinbarung eines der Zustandsnote entsprechenden Erhaltungszustands als Beschaffenheit des Fahrzeugs sprechen. Den Zustandsnoten kommt bei Kaufverträgen über Oldtimer eine erhebliche Bedeutung zu. Die Verwendung von Zustandsnoten für die Einstufung des Erhaltungszustands dieser Fahrzeuge ist allgemein gebräuchlich und branchenüblich. Die Zustandsnoten und die ihnen zugeordneten konkreten Zustandsbeschreibungen sind dabei als allgemein bekannt und anerkannt anzusehen (§ 291 ZPO). Sie geben konkret Auskunft über den Erhaltungszustand eines Oldtimers und bieten einen objektiven Maßstab für die Beurteilung von dessen Zustand. Damit haben sie maßgeblichen Einfluss auf den Wert und damit auch den Kaufpreis des Fahrzeugs. Die Zuordnung einer Zustandsnote zu einem Fahrzeug hat mithin im Bereich des Oldtimermarktes eine erhebliche wertbildende Funktion. Vor diesem Hintergrund enthält die Angabe einer Zustandsnote bei dem Verkauf eines Oldtimerfahrzeugs somit aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers grundsätzlich die Aussage des Verkäufers, dass das Fahrzeug sich in einem dieser Zustandsnote entsprechenden Erhaltungszustand befindet. Zugleich begründet diese Angabe - für den Verkäufer erkennbar - im Hinblick auf die oben genannte gewichtige Bedeutung von Zustandsnoten regelmäßig die berechtigte Erwartung des Käufers, dass der Verkäufer für das Vorliegen dieses Zustands auch die Gewähr übernehmen und hierfür einstehen will.
Nach diesen Grundsätzen ist eine Beschaffenheitsvereinbarung dahingehend zu bejahen, dass das Fahrzeug sich in einem im mittleren Bereich zwischen den Zustandsnoten "2" und "3" liegenden Erhaltungszustand befindet. In dem schriftlichen Kaufvertrag ist zum Zustand des Fahrzeugs die Zustandsnote "2-3" angegeben. Besondere Umstände, die hier gegen das Vorliegen einer Beschaffenheitsvereinbarung sprechen könnten, liegen nicht vor. Die Angaben in dem Kaufvertrag zur Zustandsnote des Fahrzeugs sprechen bei interessengerechter Auslegung dafür, dass der Beklagte die Gewähr für das Vorhandensein eines der Zustandsnote entsprechenden Erhaltungszustands übernommen und damit seine Bereitschaft zu erkennen gegeben hat, für alle Folgen des Fehlens dieses Zustands einzustehen. Der Beklagte hat in dem Kaufvertrag "verbindlich zum Zustand des Fahrzeugs" erklärt: "- siehe Gutachten - Note 2-3". Bereits das Wort "verbindlich" spricht dafür, dass der Beklagte die Gewähr für das Bestehen des dem nachfolgend angegebenen Fahrzeugzustands übernehmen wollte. Der der Angabe der Zustandsnote "2-3" vorgeschaltete Verweis auf die Gutachten war aus der Sicht des Klägers bei objektiver Betrachtung - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht als eine Einschränkung dahingehend zu verstehen, dass der Beklagte den angegebenen Zustand gerade nicht hätte verbindlich zusagen, sondern lediglich auf die Angaben in den Gutachten als fremde Quelle hätte verweisen und damit zum Ausdruck bringen wollen, dass es sich um fremdes Wissen handele, für das er nicht einstehen wollte, zumal es in dem vorbezeichneten Verweis nicht heißt "laut Gutachten", sondern lediglich "siehe Gutachten". Gegen eine reine Mitteilung fremden Wissens und für eine eigene verbindliche Zusage des Fahrzeugzustands spricht bereits der Umstand, dass - was das Berufungsgericht nicht berücksichtigt hat - die vom Beklagten im Kaufvertrag angegebene Zustandsnote von "2-3" gerade nicht aus den - dem Kläger vorgelegten - Gutachten übernommen ist. Das Gutachten aus dem Jahr 2011 gelangte zu einer Gesamtbewertung mit der Zustandsnote "2", das aus dem Jahr 2017 führte zu einer Gesamtbewertung mit der Zustandsnote "3-". In keinem der beiden Gutachten ist mithin von einer Zustandsnote "2-3" die Rede. Selbst bei einer Mittelung der Bewertungen der Gutachten wäre die Angabe einer Zustandsnote von "2-3" nicht zutreffend. Wegen dieser Abweichung der von dem Beklagten angegebenen Zustandsnote von derjenigen in den Gutachten musste der Kläger, dem die Gutachten vorlagen, nicht davon ausgehen, dass der Beklagte mit der Angabe der Zustandsnote lediglich auf die zurückliegenden Bewertungen in den Gutachten verweisen wollte, ohne eine eigene Zusage zum derzeitigen Zustand des Fahrzeugs zu machen. Die Angabe eines Zustands, der die Mittelung der Bewertungen aus den Gutachten sowie insbesondere die Bewertung aus dem letzten Gutachten übertraf, konnte vielmehr nach objektivem Empfängerhorizont nur so verstanden werden, dass der Beklagte einen gegenüber dem letzten Gutachten verbesserten Zustand, der sich durch die von ihm angegebenen fortlaufenden Restaurierungs- und Erhaltungsmaßnahmen erklären ließe, zusagen wollte. Gegen eine reine Mitteilung fremden Wissens spricht überdies der Umstand, dass die Erklärung des Beklagten im Kaufvertrag ("Zustand des Fahrzeugs - siehe Gutachten Note 2 - 3") nach dem objektiven Empfängerhorizont aus der Sicht des Käufers eine Angabe zum aktuellen Fahrzeugzustand enthält, der sich vermeintlich aus einem Gutachten ergeben soll. Denn ausschlaggebend für die Kaufentscheidung ist grundsätzlich der Zustand des Kaufgegenstands im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Dementsprechend besteht - wie auch dem Verkäufer bekannt ist - grundsätzlich die berechtigte Erwartung des Käufers, dass sich Angaben zum Zustand des Kaufgegenstands auf den aktuellen Zeitpunkt beziehen, sofern der Verkäufer nicht ausdrücklich anderweitige Angaben macht. Tatsächlich bezogen sich die Gutachten aus den Jahren 2011 und 2017 indes auf weit zurückliegende Zeitpunkte, nämlich etwa neun und drei Jahre vor dem Vertragsschluss, und enthielten damit keine Angaben zum aktuellen Zustand des Fahrzeugs. Die Erklärung des Beklagten ging demnach über den Inhalt der Gutachten hinaus und stellte damit keine reine Mitteilung fremden Wissens dar. Die Angabe des Fahrzeugzustands unter Verweis auf die Gutachten kann auch nicht etwa so verstanden werden, dass der Beklagte damit lediglich für den Zustand zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung einstehen wollte. Denn der Zustand des Fahrzeugs etwa neun oder drei Jahre vor dem Vertragsschluss war erkennbar für den Kläger nicht von maßgeblicher Bedeutung. Eine hierauf bezogene verbindliche Zusage wäre für ihn vielmehr ohne erkennbaren Nutzen. Ein solches Auslegungsergebnis entspräche deshalb ersichtlich nicht der gebotenen beiderseits interessengerechten Auslegung.
Die bei der gebotenen Betrachtung der Gesamtumstände für die Auslegung des Kaufvertrages ebenfalls heranzuziehende Verkaufsanzeige stützt dieses Auslegungsergebnis. Der Beklagte hat in ihr angegeben, er habe das Fahrzeug seit zwölf Jahren in seinem Besitz, bei dem Fahrzeug sei technisch alles einwandfrei, diverse Klein- und Großteile seien stets erneuert und "in Schuss gebracht" worden, im Juli/August 2019 sei ein neuer Austauschmotor eingesetzt worden und in den Jahren 2011/12 eine aufwendige Überarbeitung der Karosserie mit einer Hohlraumversiegelung sowie der Erneuerung diverser Blechteile erfolgt. Dadurch hat er aufgezeigt, dass er den Zustand des Fahrzeugs seit zwölf Jahren aus eigener Anschauung kennt und das Fahrzeug fortlaufend durch Restaurierungs- und Erhaltungsmaßnahmen in dem von ihm behaupteten guten Zustand erhalten hat. Vor diesem Hintergrund konnte die Aussage in dem Kaufvertrag, das Fahrzeug weise einen Zustand von "2-3" auf, erst recht nur so verstanden werden, dass der Beklagte damit den Ist-Zustand im Zeitpunkt des Verkaufs beschreiben und hierfür auch die Gewähr übernehmen wollte.
C. Kontext der Entscheidung
Wird ein Kraftfahrzeug, das kurz zuvor eine sogenannte "Oldtimerzulassung" erhalten hat, mit der Klausel "positive Begutachtung nach § 21c StVZO (Oldtimer) im Original" verkauft, liegt darin eine Beschaffenheitsvereinbarung, dass sich das Fahrzeug in einem Zustand befindet, der die erteilte positive Begutachtung als Oldtimer (jetzt: § 23 StVZO) rechtfertigt (BGH, Versäumnisurteil vom 13.03.2013 – VIII ZR 172/12). Bei der sog. „Oldtimerzulassung“ handelt es sich um eine besondere Zulassung für Fahrzeuge, die mindestens 30 Jahre alt sind und aufgrund ihres Pflege- und Erhaltungszustands als „kraftfahrzeugtechnisches Kulturgut“ angesehen werden können (Einzelheiten bei: Hoffmann-Benz, jurisPR-VerkR 14/2013 Anm. 4). Der Senat weist ausdrücklich darauf hin, dass an diesen Grundsätzen der Umstand nichts ändet, dass die Richtlinie für die Begutachtung von Oldtimern nach § 23 StVZO in dem ihr zugehörigen, seit 1. November 2011 geltenden Anforderungskatalog (VkBl. 2011, 257 ff.) - anders als zuvor der Anforderungskatalog des TÜV Süd zu der zu § 21c StVZO aF erlassenen Richtlinie für die Begutachtung von "Oldtimer"-Fahrzeugen - bei der Oldtimerzulassung nicht speziell auf Zustandsnoten, sondern allgemein auf den Erhaltungszustand des Fahrzeugs abstellt. Denn damit hat der Normgeber noch nicht einmal den für die Zuteilung eines H-Kennzeichens geltenden Bewertungsmaßstab inhaltlich verändern wollen (VkBl. 2011, 257, 258). Erst Recht kann aus den vorbezeichneten Änderungen im Bereich der Oldtimerzulassung nicht etwa darauf geschlossen werden, dass den Zustandsnoten deren Bedeutung für die Einstufung des Erhaltungszustands von Oldtimern im Bereich des Kaufs dieser Fahrzeuge hätte abgesprochen werden sollen (BGH, Urteil vom 23.07.2025 – VIII ZR 240/24 –, Rn. 33)-
D. Auswirkungen für die Praxis
Auch wenn – wie im Besprechungsfall - die im Kaufvertrag enthaltene Regelung des Gewährleistungsausschlusses Beschaffenheitsvereinbarungen ausdrücklich nicht erfasst, gilt ein vereinbarter Gewährleistungsausschluss nicht für das Fehlen einer vereinbarten Beschaffenheit. Sind in einem Kaufvertrag zugleich eine bestimmte Beschaffenheit der Kaufsache und ein pauschaler Ausschluss der Sachmängelhaftung vereinbart, ist dies regelmäßig dahin auszulegen, dass der Haftungsausschluss nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit, sondern nur für solche Mängel gelten soll, die darin bestehen, dass die Sache sich nicht die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet bzw. sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet und keine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (zu § 434 BGB a.F.: BGH, Urteil vom 29.11.2006 – VIII ZR 92/06 –, Rn. 31). Eine von diesem Grundsatz abweichende Auslegung des Gewährleistungsausschlusses kommt beim Kauf eines (hier fast 40 Jahre alten) Gebrauchtwagens auch dann nicht in Betracht, wenn die Funktionsfähigkeit eines bestimmten Fahrzeugbauteils (hier: Klimaanlage) den Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung bildet. Insbesondere rechtfertigen in einem solchen Fall weder das (hohe) Alter des Fahrzeugs beziehungsweise des betreffenden Bauteils noch der Umstand, dass dieses Bauteil typischerweise dem Verschleiß unterliegt, die Annahme, dass sich ein zugleich vereinbarter allgemeiner Gewährleistungsausschluss auch auf die getroffene Beschaffenheitsvereinbarung erstrecken soll (zu § 434 BGB a.F.: BGH, Urteil vom 10.04.2024 – VIII ZR 161/23 –, Rn. 38 ff.). Diese Rechtsprechung lässt sich jedoch nicht auf öffentliche Äußerungen über Eigenschaften der Kaufsache iSv. § 434 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b BGB übertragen. Das Gesetz hat diese Äußerungen nicht mit einer Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 2 Satz 1 BGB gleichgesetzt, sondern zählt sie zu der Beschaffenheit nach § 434 Abs. 3 Nr. 2 BGB, also zu der Beschaffenheit, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache erwarten kann (BT-Drs. 14/6040, S. 214). Hinsichtlich einer gesetzlich geschuldeten Beschaffenheit kann der Verkäufer seine Haftung durch eine vertragliche Vereinbarung grundsätzlich ausschließen. Denn in solchen Fällen stehen nicht zwei vertragliche und damit – zumindest aus Sicht des Käufers – gleichrangige Vereinbarungen (Beschaffenheitsvereinbarung; Gewährleistungsausschluss) nebeneinander, deren innerer Widerspruch im Wege einer interessengerechten Auslegung aufzulösen ist. Vielmehr handelt es sich hierbei um einen rein gesetzlichen Haftungstatbestand. Damit treffen nicht zwei gleichrangige, sich inhaltlich widersprechende vertragliche Vereinbarungen aufeinander, sondern es existiert nur eine vertragliche Regelung, nämlich die Vereinbarung eines Haftungsausschlusses für Gewährleistungsansprüche. Im Hinblick auf dieses Rangverhältnis der beiden Regelungen ist eine einschränkende Auslegung eines umfassenden Gewährleistungsausschlusses in diesen Fällen nicht geboten (zu § 434 BGB a.F.: BGH, Urt. v. 27.09.2017 - VIII ZR 271/16 -, Rn. 24 f).
Zur Vergütung des Gerichtsgutachters
Der gerichtliche Sachverständige erhält Vergütung lediglich in Höhe des Auslagenvorschusses, wenn die Vergütung den angeforderten Vorschuss erheblich überschreitet und der Sachverständige nicht rechtzeitig auf diesen Umstand hingewiesen hat. Das gilt nicht, wenn er die Verletzung der ihm obliegenden Hinweispflicht nicht zu vertreten hat.
OLG Hamm, Beschluss vom 15. Juli 2025 – 25 W 110/25
A. Problemstellung
Das OLG Hamm hatte zu prüfen, welche Folgen es für die Vergütung eines gerichtlichen Sachverständigen hat, wenn dieser einen Vorschuss von 6.000,00 € erhalten und seine Vergütung mit 30.013,94 € abgerechnet hat, ohne auf die Nichtauskömmlichkeit des Vorschusses substantiiert hingewiesen zu haben.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Das Landgericht beauftragte am 10.03.2023 einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens. Im Auftragsschreiben heißt es: „Bitte prüfen Sie ferner, welche Kosten voraussichtlich für das Gutachten entstehen werden. Sollten voraussichtlich Kosten erwachsen, die erkennbar außer Verhältnis zum Wert des Verfahrensgegenstandes stehen oder den Betrag von 6.000,00 EUR erheblich übersteigen, bitte ich Sie, dem Gericht (nicht den Parteien) umgehend die ermittelte Höhe der Kosten mitzuteilen und von einer Bearbeitung vorerst abzusehen. Dies gilt auch, wenn Sie erst im Laufe Ihrer weiteren Tätigkeit erkennen, dass höhere Kosten entstehen werden als zunächst angenommen. Wird der Auslagenvorschuss erheblich überschritten, ohne dass Sie hierauf rechtzeitig nach § 407 a Abs. 4 S. 2 ZPO hingewiesen haben, steht Ihnen gemäß § 8 a Abs. 4 JVEG nur eine Vergütung in Höhe des Auslagenvorschusses zu." Der Sachverständige bestätigte den Gutachtenauftrag und teilte mit, dass er den eingezahlten Auslagenvorschuss nicht als ausreichend erachte. Die genaue notwendige Summe werde er nach Erhalt des Kostenvoranschlages eines benötigten Prüfstands mitteilen. Hierzu kam es nachfolgend nicht. Unter dem 04.07.2024 erstattete der Sachverständige sein Gutachten und berechnete seine Vergütung mit 30.013,94 €.
Mit Urteil vom 24.02.2025 wies das Landgericht die Klage ab. Dabei stützte es sich im Wesentlichen auf das schriftliche Gutachten. Die Klägerin hat beantragt, die Vergütung des Sachverständigen auf die Höhe des Auslagenvorschusses von 6.000 € festzusetzen. Denn die in Rechnung gestellte Vergütung übersteige den Vorschussbetrag erheblich. Der ihm obliegenden Hinweispflicht sei der Sachverständige schuldhaft nicht nachgekommen. Insoweit genüge nicht die bloße Mitteilung, dass der Vorschuss nicht ausreichend sei. Vielmehr seien die voraussichtlich entstehenden Kosten zu beziffern. Das sei dem Sachverständigen, wie selbst angekündigt, im Anschluss an den Erhalt eines Kostenvoranschlags des Prüfstands auch möglich gewesen. Mit Beschluss vom 24.04.2025 hat das Landgericht den Festsetzungsantrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass der Sachverständige seiner gesetzlichen Hinweispflicht nachgekommen sei. Er habe unmittelbar nach Erhalt des Gutachtenauftrags darauf aufmerksam gemacht, dass der eingezahlte Vorschuss nicht ausreichen werde. Zwar habe er eine konkrete Bezifferung der zu erwartenden Kosten nicht vorgenommen. Eine solche Bezifferung sei ihm in diesem Zeitpunkt jedoch auch nicht möglich gewesen, da die voraussichtlichen Kosten für den Prüfstand nicht bekannt gewesen seien. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Klägerin, mit der sie ihren Festsetzungsantrag weiterverfolgt.
Die Beschwerde hat Erfolg. Die Sachverständigenvergütung ist gemäß §§ 4 Abs. 1, 8a Abs. 4, Abs. 5 JVEG i.V.m. § 407a Abs. 4 S. 2 ZPO auf die Höhe des Auslagenvorschusses von 6.000 € festzusetzen. Nach diesen Vorschriften erhält der Berechtigte die Vergütung lediglich in Höhe des Auslagenvorschusses, wenn die Vergütung den angeforderten Vorschuss erheblich überschreitet und der Berechtigte nicht rechtzeitig auf diesen Umstand hingewiesen hat. Das gilt nicht, wenn er die Verletzung der ihm obliegenden Hinweispflicht nicht zu vertreten hat. Ein rechtzeitiger Hinweis auf die den Auslagenvorschuss übersteigenden voraussichtlichen Kosten war vorliegend geboten. Die vom Sachverständigen berechnete Vergütung beläuft sich auf 30.013,94 € und liegt damit über der Erheblichkeitsgrenze, die jedenfalls bei einer Überschreitung von 25 % angenommen wird und vorliegend bereits bei 7.500 € erreicht war.
Die ihm obliegende Hinweispflicht hat der Sachverständige objektiv verletzt, indem er die voraussichtlich zu erwartenden Kosten nicht mitgeteilt und auch eine Reaktion des Gerichts nicht abgewartet hat. Er hat auf eine erhebliche Überschreitung des Auslagenvorschusses von 6.000 € nicht hingewiesen. Seine schriftliche Mitteilung bringt zwar zum Ausdruck, dass der Vorschuss voraussichtlich nicht ausreichen werde. Das allein genügt indes schon nach dem Wortlaut der eingangs genannten Vorschriften nicht. Diese sehen eine Hinweispflicht vor, sofern die voraussichtlichen Kosten erheblich über den Auslagenvorschuss hinausgehen. Dass dies der Fall sein würde, ergibt sich nicht daraus, dass eingezahlte Auslagenvorschuss nicht als ausreichend erachtet werde. Vielmehr bedarf es einer Kostenschätzung, auf deren Grundlage ein zahlenmäßigen Wert anzugeben ist, um den die voraussichtlichen Kosten den Auslagenvorschuss überschreiten. Erst dann lässt sich erkennen, ob die Kostenüberschreitung erheblich ist. Dem entspricht der Schutzzweck der gesetzlichen Vorschriften. Denn durch die Mitteilungspflicht soll den wirtschaftlichen Interessen der Parteien und der Vorhersehbarkeit der gerichtlichen Kosten Rechnung getragen und eine rechtzeitige prozessökonomische Reaktion der Parteien ermöglicht werden. Für die Parteien soll die Gelegenheit bestehen, eventuelle hohe Kosten einer Beweisaufnahme noch zu vermeiden. Die bloße Mitteilung, der Auslagenvorschuss reiche voraussichtlich nicht aus, ermöglicht indes weder den Parteien, das Kostenrisiko einzuschätzen, noch dem Gericht, ggf. weitere Auslagenvorschüsse einzuholen. Insoweit ist die Bezifferung einer voraussichtlichen Überschreitung des eingezahlten Vorschusses nicht allein deshalb entbehrlich, weil eine allgemeine Kostenspanne ggf. aus anderen Rechtsstreiten bekannt ist. Vielmehr bedarf es einer einzelfallbezogenen Kostenschätzung, die den Parteien und dem Gericht eine auf den Streitfall zugeschnittene Beurteilung erlaubt. Vorliegend war dem Sachverständigen eine Kostenschätzung, wie er in Aussicht gestellt hat, jedenfalls im Anschluss an den Erhalt eines Kostenvoranschlags des Prüfstands auch durchaus möglich. Selbst wenn ihm eine Schätzung der voraussichtlichen Kosten nicht möglich gewesen sein sollte, musste er zur damaligen Sachlage zunächst die Reaktion des Gerichts hierauf abwarten und durfte nicht ohne Weiteres mit der Gutachtenbearbeitung fortfahren. Denn nach dem Sinn und Zweck des § 407a Abs. 4 S. 2 ZPO ist der Sachverständige verpflichtet, im Zweifelsfall auf eine gerichtliche Rückmeldung auf seinen Hinweis zu warten. Die Mitteilungspflicht ist keine reine Formalie. Vielmehr ist im Interesse der Prozessparteien, zu deren Lasten die Kosten gehen, sicherzustellen, dass Reaktionsmöglichkeiten auf diesen Hinweis eröffnet werden, bevor es zu einer wesentlichen Vorschussüberschreitung kommt. Das gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als der Sachverständige mit seiner Ankündigung, er werde die genaue notwendige Summe nach Erhalt des Kostenvoranschlags des Prüfstands mitteilen, die Erwartung geweckt hat, unaufgefordert auf die Kostenangelegenheit zurückzukommen. Damit hat er eine Reaktion des Gerichts in zurechenbarer Weise hinausgeschoben. Seine Sachverständigentätigkeiten hat er im Anschluss daran bis zur Fertigstellung des Gutachtens ohne weitere Mitteilung fortgeführt.
Das Vertretenmüssen wird nach der Systematik des § 8a Abs. 5 JVEG vermutet. Der Sachverständige muss sich mithin entlasten, d.h. dartun und ggf. beweisen, dass und aus welchen Gründen ihn kein Verschulden trifft. Dabei ist zu beachten, dass das Vertretenmüssen, entgegen der Ansicht des Sachverständigen, nicht auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt ist. Im Rahmen des § 8a Abs. 5 JVEG ist vielmehr bereits (leichte) Fahrlässigkeit ausreichend. Hiernach lässt sich ein Vertretenmüssen nicht verneinen. Mit der Übersendung der Gerichtsakten ist der Sachverständige darauf hingewiesen worden, dass dem Gericht eine erhebliche Überschreitung des Auslagenvorschusses unter Angabe der ermittelten Höhe der Kosten umgehend mitzuteilen ist. Ersichtlich hat der Sachverständige eine Bezifferung der voraussichtlichen Kosten auch selbst für erforderlich gehalten und dies in Aussicht gestellt. Dass im weiteren Verfahrensverlauf weder das Gericht noch die Hauptparteien des Rechtsstreits darauf zurückgekommen sind, kann den Sachverständigen jedenfalls nicht gänzlich entlasten. Denn er hat, wie ausgeführt, selbst die Erwartung geweckt, er werde von sich aus nach Erhalt des Kostenvoranschlags des Prüfstands die voraussichtlichen Kosten mitteilen. Der Sachverständige ist mit der Übersendung der Gerichtsakten ferner darauf hingewiesen worden, dass im Falle einer erheblichen Überschreitung des Auslagenvorschusses von einer Bearbeitung zunächst abzusehen ist. Er konnte deshalb erkennen, dass die Sachverständigentätigkeiten nicht ohne weiteres fortzuführen waren. Auch insoweit kommt hinzu, dass er mit dem Inaussichtstellen einer Kostenermittlung nach Erhalt eines Kostenvoranschlags des Prüfstands eine Reaktion des Gerichts in zurechenbarer Weise hinausgeschoben hat.
C. Kontext der Entscheidung
Die zur Rechtslage vor dem Inkrafttreten des zweiten KostRMoG in der Rechtsprechung vertretene Auffassung, eine Kappung des Honorars habe nur zu erfolgen, wenn eine Partei von ihrem Beweisantritt im Falle der Kenntnis der durch die Begutachtung entstehenden Kosten Abstand genommen hätte, ist durch die gesetzliche Neuregelung obsolet geworden. Nach neuer Rechtslage kommt es nicht mehr darauf an, ob eine Partei von ihrem Beweisantritt im Falle der (rechtzeitigen) Kenntnis von den durch die Begutachtung entstehenden Kosten Abstand genommen hätte. Die frühere Rechtsprechung, nach der die Kürzung der Vergütung des Sachverständigen unterblieb, wenn davon auszugehen war, dass es auch bei pflichtgemäßer Anzeige zu einer Fortsetzung seiner Tätigkeit gekommen wäre, ist aufgrund der gesetzlichen Neuregelung des § 8a Abs. 4 JVEG mit Inkrafttreten des 2. Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts am 31.07.2013 überholt. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu: "Wenn die Vergütung einen geforderten Vorschuss erheblich übersteigt, soll sie mit dem Betrag des Vorschusses gekappt werden". (BT-Drs. 17/11471 (neu), 260). Der klare und eindeutige Wortlaut lässt keinen Spielraum für eine einschränkende Auslegung (so bereits OLG Hamm, Beschluss vom 08.05.2015 - 12 U 62/14 Rn. 7; OLG Frankfurt, Beschluss vom 15.06.2021 - 18 W 86/21 Rn. 15; OLG Brandenburg, Beschluss vom 25.10.2022 - 12 W 32/22 -Rn. 13 f.; OLG Hamm, Beschluss vom 05.12.2022 - 25 W 240/22). Aus diesem Grund kommt eine Erhöhung der festzusetzenden Vergütung um eine noch "zulässige Überschreitung" des Auslagenvorschusses um bis zu 25 % ebenfalls nicht in Betracht (OLG Hamm, Beschluss vom 24.07.2014 - I-24 U 220/12 Rn. 11).
D. Auswirkungen für die Praxis
§ 8a Abs. 4 JVEG beschränkt die Vergütung des Sachverständigen auf die Höhe des Auslagenvorschusses, wenn die vom Sachverständigen berechnete Vergütung den angeforderten Auslagenvorschuss „erheblich“ übersteigt und der Sachverständige nicht rechtzeitig nach § 407a Absatz 4 Satz 2 ZPO auf diesen Umstand hingewiesen hat. Das OLG Frankfurt setzt die Erheblichkeitsgrenze bei einer Überschreitung von 25 % an (Rn. 18) und ist damit großzügiger als die herrschende Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung, die eine Differenz von mehr als 20 % ausreichen lässt (zuletzt: Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 25. Oktober 2022 – 12 W 32/22 Rn. 11, mwN.). Für die Prozessbevollmächtigten der beteiligten Parteien bedeutet dies, dass sie die Kostenrechnungen von Sachverständigen, die die Gerichte nicht in jedem Fall an die Parteien übermitteln, anfordern und auf die Einhaltung der Erheblichkeitsgrenze überprüfen müssen. Allerdings haben die Verfahrensbeteiligten im Festsetzungsverfahren nach § 4 JVEG kein Antragsrecht. Die gerichtliche Festsetzung kann aber von Amts wegen in Betracht kommen, wenn das Gericht sie für angemessen hält. Insoweit kann der Richter Einwendungen der Parteien gegen Sachverständigenkosten zum Anlass nehmen, die Festsetzung nach § 4 JVEG vorzunehmen (Toussaint/Weber, Kostenrecht, 55. Aufl. 2025, JVEG § 4 Rn. 2). Darauf sollten die Parteibevollmächtigen in einschlägigen Fallkonstellationen jedenfalls drängen, wie auch im Besprechungsfall geschehen. Sollte das Gericht dieser Anregung nicht folgen, können die Parteibevollmächtigen im Kostenfestsetzungsverfahren rügen, die Staatskasse habe den Sachverständigen zu hoch vergütet (OLG Naumburg, Beschluss vom 19. Februar 2019 – 12 W 63/18 (KfB) Rn. 18, mwN.).
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