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BGH: Zur Demnächst-Zustellung
Verzögerungen im Zustellungsverfahren, die durch eine fehlerhafte Sachbehandlung des Gerichts verursacht sind, sind dem Zustellungsbetreiber nicht zuzurechnen. Zu solchen Verzögerungen gehören auch Versäumnisse, die bei der Ausführung der Zustellung von dem Zustellorgan verursacht worden sind.
BGH, Urteil vom 10. Oktober 2024 – VII ZR 240/23
- Problemstellung
Soll durch eine Klage die Verjährung des geltend gemachten Anspruchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Erhebung der Klage ein, wenn deren Zustellung „demnächst erfolgt“, wie § 167 ZPO bestimmt. Ob eine Zustellung „demnächst“ auch dann vorliegt, wenn infolge einer nicht mehr zutreffenden Beklagtenanschrift durch das Zustellorgan Verzögerungen verursacht werden, hatte der VII. Zivilsenat zu entscheiden.
- Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Beklagte hatte die Klägerin mit Malerarbeiten an einem Bauvorhaben beauftragt. Die Parteien vereinbarten die Geltung der VOB/B sowie die Abrechnung nach Einheitspreisen. Nachdem die Klägerin die Malerarbeiten teilweise erbracht hatte, wurde der Vertrag ohne schriftliche Kündigung vorzeitig beendet. Am 11. September 2015 legte die Klägerin eine erste Schlussrechnung über 83.872,86 €, mit der sie lediglich erbrachte Leistungen abrechnete. Im Januar 2016 verlegte die Beklagte ihren Geschäftssitz. Die neue Anschrift ist seit dem 5. Januar 2016 im Handelsregister eingetragen und ihrem Internetauftritt zu entnehmen. Am 22. November 2018 legte die Klägerin eine weitere Schlussrechnung über 197.946,46 €, mit der sie darüber hinaus auch nicht erbrachte Leistungen abrechnete. Ob die Klägerin diese an die frühere Anschrift der Beklagten gerichtete Rechnung als unzustellbar zurückerhalten hat, ist zwischen den Parteien im Streit. Mit der Klage verlangt sie eine Vergütung in Höhe von 197.946,46 € nebst Zinsen. Die am 29. November 2018 beim Landgericht eingegangene Klage weist als Zustelladresse die frühere Anschrift der Beklagten aus. Das Gericht hat mit Kostenrechnung vom 27. Dezember 2018 den Vorschuss für die Gerichtskosten angefordert. Der von der Klägerin am 10. Januar 2019 angewiesene Vorschuss ist am Folgetag bei Gericht eingegangen. Die Klage ist am 23. Januar 2019 von dem Zusteller an der früheren Anschrift der Beklagten in den Briefkasten eines Dritten eingelegt worden. Dieser hat mit einem am 4. Februar 2019 bei Gericht eingegangen Schreiben die Klage mit dem Vermerk zurückgesandt, eine Firma mit dem Namen der Beklagten sei dort nicht ansässig. Das Landgericht hat am 5. Februar 2019 anhand des Handelsregisterauszugs die aktuelle Anschrift der Beklagten ermittelt und die Zustellung der Klage verfügt. Die Klage ist der Beklagten am 12. Februar 2019 zugestellt worden.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe eines Betrags von 11.237,97 € nebst Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage insgesamt abgewiesen; die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Die Werklohnforderung der Klägerin aus der Schlussrechnung vom 22. November 2018 sei nach Maßgabe der dreijährigen Regelfrist verjährt. Der Restwerklohnanspruch, der beiden Schlussrechnungen zugrunde liege, sei vor Ablauf des Jahres 2015 entstanden und fällig geworden. Die Klägerin habe die erste Schlussrechnung am 11. September 2015 gelegt, so dass die vereinbarte Zahlungsfrist von sechs Wochen im November 2015 abgelaufen sei. Da die Abnahme des Werks vor Erteilung der Schlussrechnung erfolgt sei, sei die Verjährung mit Ablauf des 31. Dezember 2018 eingetreten. Dies gelte auch für die weitergehenden Ansprüche, welche die Klägerin mit der zweiten Schlussrechnung vom 22. November 2018 abgerechnet habe. Mit der Abnahme und Vorlage einer prüffähigen Rechnung werde die gesamte Werklohnforderung fällig und verjähre einheitlich. Die Zustellung der Klage am 12. Februar 2019 wirke nicht auf den Zeitpunkt der Anhängigkeit am 29. November 2018 zurück. Gemäß § 167 ZPO trete die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bereits mit Eingang der Klage bei Gericht ein, wenn die Zustellung demnächst erfolge. Eine der Partei zuzurechnende Zustellungsverzögerung von bis zu 14 Tagen werde regelmäßig hingenommen. Die Zustellung sei dagegen nicht mehr "demnächst" erfolgt, wenn die Partei, der die Fristwahrung obliege, oder ihr Prozessbevollmächtigter durch nachlässiges - auch leicht fahrlässiges Verhalten - zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen habe. Bei der Bemessung einer Verzögerung sei auf die Zeitspanne abzustellen, um die sich der ohnehin erforderliche Zeitraum für die Zustellung der Klage als Folge der Nachlässigkeit des Klägers verzögere. Die der Klägerin zuzurechnenden Verzögerungen überschritten die Grenze von 14 Tagen (KG Berlin, Urteil vom 12. Dezember 2023 – 21 U 47/22 ).
Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Klage nicht wegen Verjährung des Restwerklohnanspruchs abgewiesen werden. Die Zustellung der am 29. November 2018 beim Landgericht eingegangenen Klageschrift am 12. Februar 2019 ist noch demnächst im Sinne von § 167 ZPO erfolgt. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass nach § 199 Abs. 1 BGB die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) nicht nur für die mit der Schlussrechnung vom 11. September 2015 abgerechneten Leistungen, sondern auch für die mit der Schlussrechnung vom 22. November 2018 geltend gemachten Forderungen für nicht erbrachte Leistungen einheitlich mit dem Schluss des Jahres 2015 begonnen hat. Denn bei einem VOB/B-Vertrag werden die gesamte Werklohnforderung und alle vergütungsgleichen Ansprüche einheitlich fällig, wenn die Werkleistung abgenommen worden ist und eine prüffähige Schlussrechnung vorliegt. Dies gilt auch für irrtümlich vergessene unselbständige Rechnungsforderungen oder für Teilforderungen, auch wenn sie nicht mit der Schlussrechnung abgerechnet worden sind. Auch wenn der Anteil für die nicht erbrachten Leistungen Entschädigungscharakter hat, ist er Teil des einheitlichen Vergütungsanspruchs. Zu Recht ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass die Verjährungsfrist für die Klageforderung am 31. Dezember 2018 geendet hätte.
Rechtsfehlerhaft ist indes die Annahme des Berufungsgerichts, die mit dem 31. Dezember 2018 ablaufende Verjährungsfrist sei nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB durch Erhebung der Klage rechtzeitig gehemmt worden. Denn die Zustellung der Klage an die Beklagte am 12. Februar 2019 wirkte gemäß § 167 ZPO auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung am 29. November 2018 zurück. Gemäß § 167 ZPO tritt die verjährungshemmende Wirkung der Klageerhebung mit Eingang der Klage bei Gericht ein, wenn ihre Zustellung demnächst erfolgt. Die Zustellung einer Klage ist jedenfalls dann noch demnächst erfolgt, wenn die durch den Kläger zu vertretende Verzögerung der Zustellung den Zeitraum von 14 Tagen nicht überschreitet. Bei der Berechnung der Zeitdauer der Verzögerung ist auf die Zeitspanne abzustellen, um die sich der ohnehin erforderliche Zeitraum für die Zustellung der Klage als Folge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert. Dabei wird der auf vermeidbare Verzögerungen im Geschäftsablauf des Gerichts oder der Post zurückzuführende Zeitraum nicht angerechnet. Solche Verzögerungen im Zustellungsverfahren sind der klagenden Partei auch dann nicht zuzurechnen, wenn der fehlerhaften Sachbehandlung des Gerichts eine der Partei zuzurechnende Verzögerung vorausgegangen ist. Nach diesen Maßstäben überschreitet die der Klägerin infolge einer etwaigen Nachlässigkeit zuzurechnende Zustellungsverzögerung den hinnehmbaren Rahmen von bis zu 14 Tagen nicht. Eine der Klägerin zuzurechnende erhebliche Verzögerung der Klagezustellung ist nicht dadurch eingetreten, dass die Klägerin den Gerichtskostenvorschuss am 10. Januar 2019 angewiesen hat und dieser am 11. Januar 2019 bei Gericht eingegangen ist. Dabei ist zugunsten der Klägerin ihre Behauptung als richtig zu unterstellen, dass ihr die Gerichtskostenrechnung - wie sich auch aus dem Datum des Eingangsstempels ergibt - erst am 7. Januar 2019 zugegangen ist. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht die Auffassung vertreten, dass die Verzögerung von 20 Tagen, die den Zeitraum vom gescheiterten Zustellungsversuch am 23. Januar 2019 bis zur erfolgreichen Zustellung am 12. Februar 2019 betrifft, der Klägerin in vollem Umfang zuzurechnen sei. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Verzögerung, die dadurch entstanden ist, dass der Zusteller die Klage in den Briefkasten eines Dritten eingelegt hat, anstatt sie an das Gericht zurückzusenden, nicht der Klägerin zuzurechnen, weil es sich um eine Verzögerung im Geschäftsablauf des Gerichts handelt. Zu solchen Verzögerungen gehören auch Versäumnisse, die bei der Ausführung der Zustellung von dem Zustellorgan verursacht worden sind. Denn die von der Geschäftsstelle des Gerichts veranlasste Beauftragung des Zustellorgans mit der Ausführung der Zustellung (§ 168 Abs. 1 Satz 2 ZPO) gehört zum Geschäftsbetrieb des Gerichts, das die Klage von Amts wegen zuzustellen hat (§ 253 Abs. 1, § 271 Abs. 1, § 166 Abs. 2 ZPO). Bei ordnungsgemäßer Zustellung hätte das Zustellorgan die Klage mit einem Vermerk über den Grund der Unzustellbarkeit unverzüglich an das Gericht zurückleiten müssen.
Es kann offenbleiben, ob der Klägerin zum Vorwurf gemacht werden kann, vor Angabe der Anschrift der Beklagten in der Klageschrift (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) nicht geprüft zu haben, ob die ihr bekannte ladungsfähige Anschrift noch aktuell ist. Denn infolge der Angabe der falschen Anschrift der Beklagten ist die Zustellung der Klage allenfalls in der Zeit vom 23. Januar 2019 bis zum 4. Februar 2019 und damit für einen Zeitraum von lediglich zwölf Tagen verzögert worden. Die der Klägerin wegen der Angabe einer falschen Zustellanschrift zuzurechnende Verzögerung ist nach dem hypothetischen Verlauf der Zustellung ab dem Zeitpunkt der fehlgeschlagenen Erstzustellung zu ermitteln. Dabei ist darauf abzustellen, wie die Zustellung ohne die dem Gericht zuzurechnende Verzögerung verlaufen wäre. Für die Ermittlung des hypothetischen Verlaufs der Zustellung ist auf die unerlässlichen Gerichts- und Postlaufzeiten abzustellen, die für den Zeitraum vom ersten Zustellungsversuch bis zum Zeitpunkt der erfolgten Zustellung angefallen wären. Ausgehend hiervon beträgt die auf der Angabe der falschen Zustellanschrift der Beklagten beruhende Verzögerung weniger als 14 Tage. Die Zustellung der Klage ist daher noch demnächst iSd. § 167 ZPO erfolgt. Denn der Zusteller hätte bei ordnungsgemäßem Vorgehen die zuzustellende Klageschrift mit dem Vermerk "Unzustellbar" unverzüglich zurückgesandt, so dass sie spätestens am übernächsten Tag, Freitag, den 25. Januar 2019, dem Landgericht wieder vorgelegen hätte. Die erneute Zustellung wäre am Montag, den 28. Januar 2019, veranlasst worden. Unter Zugrundelegung der tatsächlich - zwischen der Veranlassung der Zustellung am 5. Februar 2019 und der Zustellung am 12. Februar 2019 - angefallenen Postlaufzeit von 7 Tagen wäre die Klage der Beklagten spätestens am 4. Februar 2019, also 12 Tage nach dem gescheiterten Zustellungsversuch am 23. Januar 2019, zugestellt worden.
- Kontext der Entscheidung
Der Senat lässt ausdrücklich offen, ob der Klägerin zum Vorwurf gemacht werden kann, vor Angabe der Anschrift der Beklagten in der Klageschrift (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) nicht geprüft zu haben, ob die ihr bekannte ladungsfähige Anschrift noch aktuell ist, weil die dadurch bedingte Verzögerung der Zustellung nur 12 Tage betrug (BGH, Urteil vom 10. Oktober 2024 – VII ZR 240/23 –, Rn. 33). Zwar sind sämtliche Bestimmungen des für vorbereitende Schriftsätze geltenden § 130 ZPO – die Vorschrift ist über § 253 Abs. 4 ZPO auch auf die Klageschrift anwendbar - nach dem eindeutigen Wortlaut und dem Gesetzeszweck lediglich Soll-Vorschriften (MüKoZPO/Fritsche, 6. Aufl. 2020, § 130 Rn. 1), für die Klageschrift ist die Angabe der „Bezeichnung der Parteien“ aber zwingend (§ 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Angabe der Anschriften von Kläger und Beklagten wird von § 253 ZPO nicht ausdrücklich vorgeschrieben. Nach § 130 Nr. 1 Halbs. 1 ZPO soll die Klageschrift die Bezeichnung der Parteien und ihrer gesetzlichen Vertreter nach Namen, Stand oder Gewerbe, Wohnort und Parteistellung enthalten. Zu dieser in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfenden Sachurteilsvoraussetzung der ordnungsgemäßen Klageerhebung gehört nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich auch die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Klägers. Wird diese Angabe, obgleich möglich, schlechthin oder ohne zureichenden Grund - wozu etwa schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen der Partei zählen - verweigert, ist die Klage unzulässig, was auch dann gilt, wenn ein Kläger (wie hier) durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten ist (BGH, Urteil vom 6. April 2022 – VIII ZR 262/20 –, Rn. 13 - 14, mwN.). Dass dieselben Voraussetzungen für die notwendige Angabe der Anschrift des Beklagten gelten, liegt auf der Hand, zumal bei fehlender oder falscher Adressangabe die Zustellung der Klage nicht möglich ist. Es gehört daher zu den Pflichten des Prozessbevollmächtigten der Klagepartei, die Anschrift der Beklagten auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Bei juristischen Personen ist dies ohne weiteres durch Einsichtnahme in elektronisch geführte Register möglich. Zudem verfügen gewerblich tätige Unternehmen – wie auch die Beklagte im entschiedenen Fall (Rn. 5) – in aller Regel über einen Internetauftritt, aus dem sich ihre Anschrift entnehmen lässt.
- Auswirkungen für die Praxis
Erhebt der Besteller gegen die Vergütungsforderung die Einrede der Verjährung, sollte der Unternehmer sorgfältig prüfen, ob vor der Klageerhebung Hemmungstatbestände in Frage kommen. So ist, wenn zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände schweben, die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert (§ 203 Satz 1 BGB). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Begriff "Verhandlungen" weit auszulegen. Der Gläubiger muss dafür lediglich klarstellen, dass er einen Anspruch geltend machen und worauf er ihn stützen will. Anschließend genügt jeder ernsthafte Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen, sofern der Schuldner dies nicht sofort und erkennbar ablehnt. Verhandlungen schweben schon dann, wenn eine der Parteien Erklärungen abgibt, die der jeweils anderen die Annahme gestatten, der Erklärende lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs oder dessen Umfang ein. Das ist bei einem Schriftwechsel über die Richtigkeit einer Rechnung typischerweise der Fall. Nicht erforderlich ist, dass dabei Vergleichsbereitschaft oder Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert wird oder dass Erfolgsaussicht besteht (BGH, Urteil vom 14. Juli 2022 – VII ZR 255/21 –, Rn. 23). Indes stellt die bloße Prüfung einer Schlussrechnung durch den Besteller noch keine Aufnahme von Verhandlungen dar. Auch die Übersendung einer geprüften Schlussrechnung und die darin liegende Mitteilung, die geforderte Summe nicht zahlen zu wollen, bedeutet ohne Weiteres noch keine Aufnahme von Verhandlungen. Dementsprechend hat der BGH es abgelehnt, aus der Prüfung der Schlussrechnung vom 11. September 2015 durch die Beklagte und die Ablehnung der Vergütungsforderung der Klägerin u.a. wegen fehlender Nachweise der ausgeführten Massen und fehlender prüfbarer Anlagen die Annahme herzuleiten, die Beklagte lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs oder dessen Umfang ein, zumal sie zugleich mitgeteilt hatte, sie leiste unter Hinweis auf die damit verbundene Ausschlusswirkung eine Schlusszahlung nur in Höhe von 315,54 €. Der Umstand, dass die Klägerin dieser Erklärung mit Schreiben vom 14. Dezember 2015 widersprochen und ihren Widerspruch mit weiterem Schreiben vom 15. Januar 2016 begründet hat, rechtfertigt keine andere Betrachtung (BGH, Urteil vom 10. Oktober 2024 – VII ZR 240/23 –, Rn. 25 - 26).
BGH: Zur Anordnung nach § 2 Abs. 5 VOB/B
1. Eine Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B erfordert eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Auftraggebers, mit der einseitig eine Änderung der Vertragspflichten des Auftragnehmers herbeigeführt werden soll.
2a. Ob ein Verhalten oder eine Erklärung des Auftraggebers als Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B auszulegen ist, beurteilt sich nach §§ 133, 157 BGB.
2b. Liegt eine Störung des Vertrags aufgrund einer Behinderung vor, die faktisch zu einer Bauzeitverzögerung führt, und teilt der Auftraggeber dem Auftragnehmer den Behinderungstatbestand und die hieraus resultierende Konsequenz mit, dass die Leistungen derzeit nicht erbracht werden können, liegt nach diesem Maßstab keine Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B vor.
2c. Auch die Übermittlung von Bauablaufplänen stellt keine Anordnung des Auftraggebers im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B dar, wenn mit ihnen lediglich auf behinderungsbedingte Störungen des Vertrags reagiert wird. Dies gilt auch, wenn darin im Hinblick auf die Behinderungen und die deshalb gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B verlängerten Ausführungsfristen zeitliche Konkretisierungen erfolgen.
3. Der Schadensersatzanspruch des Auftragnehmers nach § 6 Abs. 6 Satz 1 VOB/B setzt voraus, dass die Bauzeitverzögerung adäquat-kausal durch hindernde Umstände verursacht worden ist, die auf der Verletzung einer vertraglichen Pflicht durch den Auftraggeber beruhen. Umstände aus der Risikosphäre des Auftraggebers, die nicht auf einer Pflichtverletzung beruhen, genügen nicht als Voraussetzung dieses Anspruchs.
BGH, Urteil vom 19. September 2024 - VII ZR 10/24
- Problemstellung
Der VII. Zivilsenat hatte zu entscheiden, ob bei einer Verzögerung der Bauausführung die Mitteilung des Auftraggebers an den Auftragnehmer von der dadurch bedingten Störung des Vertrags als Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B mit der Rechtsfolge der Vereinbarung eines neuen Preises unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten gewertet werden kann.
- Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Beklagte beauftragte die Klägerin nach öffentlicher Ausschreibung im Juni 2018 unter Einbeziehung der VOB/B (2016) mit Leistungen des Gewerks „Starkstromanlagen an dem Bauvorhaben Umsetzung museale Neukonzeption". In den Besonderen Vertragsbedingungen des Beklagten, die Teil der Ausschreibungsunterlagen waren, waren ein Ausführungsbeginn am 19. Juni 2018 und eine abnahmereife Fertigstellung der Arbeiten der Klägerin am 10. Januar 2019 vorgesehen. Anfang Juli 2018 meldete die Klägerin erstmals eine Baubehinderung wegen fehlender Ausführungsplanung des Beklagten an. Nach Übergabe von Ausführungsplänen am 23. Juli 2018 sowie am 15. August 2018 begann die Klägerin in Teilbereichen mit der Ausführung ihrer Leistungen. Am 23. August 2018 übergab der Beklagte der Klägerin einen Bauablaufplan, der den Bauablauf ab dem 28. August 2018 abbilden und Grundlage für die weitere Bauausführung der beteiligten Gewerke sein sollte und vorsah, dass die Leistungen der Klägerin nur in Teilbereichen begonnen und sodann nacheinander in den verschiedenen Leistungsbereichen ausgeführt werden sollten. Wesentliche Leistungen waren danach erst im Jahr 2019 zu erbringen, wobei die Abnahme für den 17. September 2019 geplant war. Am 31. Januar 2019 übermittelte der Beklagte der Klägerin einen korrigierten Bauablaufplan für die weitere Bauausführung; dieser sah nunmehr eine Verschiebung der Abnahme auf den 29. Oktober 2019 vor. In der Zeit von Oktober 2018 bis Juni 2019 zeigte die Klägerin weitere fünf Behinderungen an, die sie mit unvollständigen Ausführungsplänen des Beklagten und fehlenden Vorunternehmerleistungen begründete. Die Parteien trafen ferner in der Zeit von Juni bis November 2019 vier Nachtragsvereinbarungen über von der Klägerin zu erbringende Leistungen. Nach Abnahme der klägerischen Arbeiten im November 2019 stellte die Klägerin ihre Schlussrechnung, mit der sie Mehrkosten von insgesamt 56.729,59 € für Personal und Baucontainer wegen Verlängerung der Bauzeit und wegen gestiegener Tariflöhne ab dem Jahr 2019 geltend macht. Der Beklagte beglich diesen Betrag nicht. Land- wie Oberlandesgericht haben die auf Zahlung von 56.729,59 € nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg:
- Kein Anspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B:
Das Berufungsgericht hat einen Mehrvergütungsanspruch der Klägerin gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B wegen Verlängerung der Bauzeit zu Recht verneint. Es hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Übermittlung der Bauablaufpläne am 23. August 2018 und am 31. Januar 2019 an die Klägerin keine Anordnung des Beklagten im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B darstellt. Gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B ist für den Fall, dass durch Änderung des Bauentwurfs oder andere Anordnungen des Auftraggebers die Grundlagen des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung geändert werden, ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren. Kommt eine solche Vereinbarung nicht zustande, kann der Auftragnehmer den sich aus § 2 Abs. 5 VOB/B ergebenden Vergütungsanspruch im Wege der Klage geltend machen. Voraussetzung für einen Mehrvergütungsanspruch gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B ist danach eine Anordnung des Auftraggebers zur Änderung des Bauentwurfs oder eine andere Anordnung. § 2 Abs. 5 VOB/B ist dahin auszulegen, dass eine solche Anordnung eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Auftraggebers erfordert, mit der einseitig eine Änderung der Vertragspflichten des Auftragnehmers herbeigeführt werden soll. Bei den Regelungen der VOB/B handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, wenn sie - wie hier - von einer Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrags gestellt werden. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind gemäß ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. In erster Linie ist der Wortlaut der auszulegenden Klausel maßgeblich. Ist der Wortlaut nicht eindeutig, kommt es entscheidend darauf an, wie die Klausel aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist. Dabei sind auch der Sinn und Zweck einer Klausel sowie systematische Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Eine Formularklausel ist vor dem Hintergrund des gesamten Formularvertrags zu interpretieren. Sind nach Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Auslegungsregeln mehrere Auslegungen rechtlich vertretbar, gehen Zweifel bei der Auslegung gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders. Außer Betracht bleiben Verständnismöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend und nicht ernstlich in Erwägung zu ziehen sind.
Nach diesen Maßstäben ergibt die Auslegung zweifelsfrei, dass eine Anordnung iSd. § 2 Abs. 5 VOB/B eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Auftraggebers erfordert, mit der einseitig eine Änderung der Vertragspflichten des Auftragnehmers herbeigeführt werden soll. Für die Änderung des Bauentwurfs, die der Auftraggeber gemäß § 1 Abs. 3 VOB/B anordnen darf, liegt dies auf der Hand. Mit ihr sollen im Vertrag vereinbarte Leistungspflichten des Auftragnehmers betreffend den "Bauentwurf" geändert werden. Diese Befugnis des Auftraggebers begründet im Gegenzug den Mehrvergütungsanspruch des Auftragnehmers gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B, wenn hierdurch die Grundlagen des Preises geändert werden. Für die "andere Anordnung" im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B kann insoweit nach Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck der Regelung nichts anderes gelten. Von der Anordnung iSd. § 2 Abs. 5 VOB/B sind nach der Systematik der VOB/B Störungen des Vertrags aufgrund von Behinderungen abzugrenzen, die faktisch zu Bauzeitverzögerungen führen. Derartige Störungen können nicht als Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B gewertet werden. Sie können zwar bei Einbeziehung der VOB/B in den Vertrag unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B zu einer Änderung vertraglich vereinbarter Ausführungsfristen führen; dies beruht jedoch nicht auf einer Anordnung des Auftraggebers, sondern auf der Vereinbarung des § 6 VOB/B durch die Parteien. Störungen aufgrund von Behinderungen führen nach der Systematik der VOB/B daher nicht zu einem Mehrvergütungsanspruch nach § 2 Abs. 5 VOB/B, sondern zu Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen, wenn der Auftraggeber vertragliche Verpflichtungen oder ihm obliegende Mitwirkungshandlungen nicht erfüllt.
Ob eine Erklärung oder ein Verhalten des Auftraggebers als Anordnung iSd. § 2 Abs. 5 VOB/B auszulegen ist, beurteilt sich nach §§ 133, 157 BGB. Liegt eine Störung des Vertrags aufgrund einer Behinderung vor, die faktisch zu einer Bauzeitverzögerung führt, und teilt der Auftraggeber dem Auftragnehmer den Behinderungstatbestand und die hieraus resultierende Konsequenz mit, dass die Leistungen derzeit nicht erbracht werden können, liegt nach diesem Maßstab keine Anordnung vor. Allein eine solche Mitteilung stellt aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers gemäß §§ 133, 157 BGB keine rechtsgeschäftliche, auf einseitige Änderung der Vertragspflichten gerichtete Erklärung des Auftraggebers dar. Denn der Auftraggeber bestätigt damit nur das, was durch die Behinderung ohnehin gegeben ist. Vielmehr bleibt es für diese Fälle im VOB/B-Vertrag dabei, dass die Regelungen des § 6 VOB/B sowie § 642 BGB, auf den § 6 Abs. 6 Satz 2 VOB/B verweist, Anwendung finden.
Auch die Übermittlung von Bauablaufplänen stellt danach gemäß §§ 133, 157 BGB keine Anordnung des Auftraggebers iSd. § 2 Abs. 5 VOB/B dar, wenn mit ihnen lediglich auf behinderungsbedingte Störungen des Vertrags reagiert wird. Dies gilt auch, wenn darin im Hinblick auf die Behinderungen und die deshalb gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B verlängerten Ausführungsfristen zeitliche Konkretisierungen erfolgen. Der Auftraggeber kommt damit vielmehr nur seiner Koordinierungsaufgabe gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B nach, bei einem Bauvorhaben mit aufeinander aufbauenden Leistungen das Zusammenwirken der verschiedenen Auftragnehmer zu regeln und an die behinderungsbedingten Störungen anzupassen. Eine rechtsgeschäftliche Änderungsanordnung des Beklagten bezüglich der vereinbarten Ausführungszeit kann den Bauablaufplänen aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers nicht entnommen werden. Die hier in Rede stehenden Bauablaufpläne sahen insgesamt eine Verlängerung der vereinbarten Ausführungszeit und unterschiedliche Beginntermine für bestimmte Leistungen der Klägerin vor, die danach nicht parallel, sondern nur nacheinander erbracht werden konnten. Ursache für die Verlängerung der Bauzeit und die unterschiedlichen Beginntermine waren Behinderungen aus dem Risikobereich des Beklagten, nämlich die verspätete Vorlage von Ausführungsplänen und die verspätete Erstellung von erforderlichen Vorleistungen anderer Auftragnehmer. Die Bauablaufpläne bildeten daher in Bezug auf die verschiedenen Beginntermine für bestimmte Leistungen der Klägerin erkennbar nur die behinderungsbedingten Störungen ab, die dem vertraglich vereinbarten Ausführungsbeginn sowie einer parallelen Ausführung sämtlicher Leistungen ohnehin entgegenstanden, und konkretisierten die jeweilige Verschiebung der Ausführung in zeitlicher Hinsicht. Gleiches gilt für die Verschiebung der Fertigstellungsfrist und der damit einhergehenden Verlängerung der Gesamtbauzeit. Aufgrund der von der Klägerin geltend gemachten behinderungsbedingten Störungen hat sich die vertraglich vereinbarte Fertigstellungsfrist der Klägerin gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 1a) VOB/B verlängert. Dass mit dem Bauablaufplan abweichend hiervon die vereinbarte Fertigstellungsfrist einseitig geändert werden sollte, ist nicht ersichtlich.
- Kein Anspruch aus § 6 Abs. 6 Satz 1 VOB/B:
Das Berufungsgericht hat ebenfalls zu Recht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten gemäß § 6 Abs. 6 Satz 1 VOB/B verneint. Der gegen den Auftraggeber gerichtete Schadensersatzanspruch nach § 6 Abs. 6 Satz 1 VOB/B setzt voraus, dass die Bauzeitverzögerung adäquat-kausal durch hindernde Umstände verursacht worden ist, die auf der Verletzung einer vertraglichen Pflicht durch den Auftraggeber beruhen. Umstände aus der Risikosphäre des Auftraggebers, die nicht auf einer Pflichtverletzung beruhen, genügen nicht als Voraussetzung eines Anspruchs aus § 6 Abs. 6 Satz 1 VOB/B. § 6 Abs. 6 Satz 1 VOB/B verlangt, dass die hindernden Umstände von einem Vertragsteil zu vertreten sind, und nimmt damit auf § 276 BGB Bezug. Die danach zu vertretenden Verschuldensformen, die zu einem Schadensersatzanspruch führen können, setzen nach der Systematik des Gesetzes zunächst eine zurechenbare objektive Pflichtverletzung des Schuldners voraus. Eine Verletzung von Mitwirkungsobliegenheiten wird davon nicht erfasst. Dies gilt aufgrund der in § 6 Abs. 6 Satz 1 VOB/B formulierten Voraussetzung des Vertretenmüssens auch für den Schadensersatzanspruch nach dieser Regelung. Für den Fall der Obliegenheitsverletzung ist der Auftragnehmer daher auf den Entschädigungsanspruch gemäß § 6 Abs. 6 Satz 2 VOB/B in Verbindung mit § 642 BGB verwiesen. Der Beklagte hat keine Pflichtverletzung dadurch begangen, dass er Vorleistungen anderer Auftragnehmer nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt hat; vielmehr ist er insoweit nur seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht nachgekommen. Ob und welche Vertragspflichten den Auftraggeber gegenüber dem Auftragnehmer treffen, ist nach der jeweiligen vertraglichen Gestaltung zu beurteilen. Es ist danach durch Auslegung des Vertrags zu ermitteln, ob bei einem Bauvorhaben mit aufeinander aufbauenden Gewerken die zur Erbringung der Leistungen des Auftragnehmers erforderliche rechtzeitige Zurverfügungstellung von Vorleistungen anderer Auftragnehmer als Vertragspflicht oder als Obliegenheit ausgestaltet ist. Das Berufungsgericht hat den Bauvertrag dahin ausgelegt, dass keine Vertragspflicht des Beklagten gegenüber der Klägerin zur Herstellung der Baufreiheit zu bestimmten Zeitpunkten bestand, und zwar unabhängig davon, worauf die nicht rechtzeitige Zurverfügungstellung von Bauleistungen anderer Auftragnehmer beruhte. Diese Auslegung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Schließlich hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gemäß § 6 Abs. 6 Satz 1 VOB/B wegen verspäteter Übermittlung der Ausführungsplanung an sie verneint, weil die Klägerin nicht dargelegt habe, inwieweit dieser Umstand die Bauzeitverzögerung adäquat-kausal verursacht hat. Der Auftragnehmer hat schlüssig darzulegen, dass er durch eine Pflichtverletzung des Auftraggebers behindert worden ist. Es reicht grundsätzlich nicht aus, eine oder mehrere Pflichtverletzungen vorzutragen. Der Auftragnehmer muss vielmehr substantiiert zu den dadurch entstandenen Behinderungen seiner Leistung vortragen. Dazu ist in der Regel eine konkrete, bauablaufbezogene Darstellung der jeweiligen Behinderung erforderlich. Weder der Umstand, dass überhaupt eine Behinderung vorliegt, noch die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Behinderung ist einer einschätzenden Bewertung iSd. § 287 ZPO zugänglich. Diesen Grundsätzen wird der Vortrag der Klägerin nicht gerecht. Es fehlt an einer Darlegung, inwieweit eine etwaige Pflichtverletzung des Beklagten in Form der verzögerten Übermittlung der Ausführungspläne für die Behinderung der Klägerin ursächlich war. Der bloße Verweis auf die vom Beklagten erstellten Bauablaufpläne und die sich hieraus ergebende Verlängerung der Gesamtbauzeit nebst der verschiedenen zeitlichen Verschiebungen bezüglich der Ausführung einzelner Leistungen reicht schon deshalb nicht aus, weil sich aus diesen Plänen nicht ableiten lässt, inwieweit die Behinderungen auf der verzögerten Übermittlung der Ausführungspläne und inwieweit auf einer nicht rechtzeitigen Zurverfügungstellung von Vorleistungen anderer Auftragnehmer - und damit zumindest im letztgenannten Fall nicht auf einer Pflichtverletzung des Beklagten - beruhen. Gleichfalls lässt sich hieraus nicht ableiten, in welchem Umfang die Verlängerung der Gesamtbauzeit auf den vier Nachtragsvereinbarungen über weitere, von der Klägerin zu erbringende Leistungen - und damit ebenfalls nicht auf einer Pflichtverletzung des Beklagten - beruht.
- Kein Anspruch aus § 6 Abs. 6 Satz 2 VOB/B iVm. § 642 BGB:
Auch hat das Berufungsgericht zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf angemessene Entschädigung gemäß § 6 Abs. 6 Satz 2 VOB/B iVm. § 642 BGB verneint, weil die Klägerin die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 642 BGB nicht schlüssig dargelegt hat. § 642 BGB regelt einen verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch des Auftragnehmers, wenn der Auftraggeber eine ihm obliegende Mitwirkungshandlung unterlässt, die bei der Herstellung des Werks erforderlich ist, und der Auftraggeber hierdurch in Annahmeverzug gerät. Mit dieser Vorschrift soll dem Auftragnehmer eine angemessene Entschädigung dafür gewährt werden, dass er während des Annahmeverzugs des Auftraggebers infolge Unterlassens einer diesem obliegenden Mitwirkungshandlung Personal, Geräte und Kapital, also die Produktionsmittel zur Herstellung der Werkleistung, bereithält. Der Anspruch ist auf die Dauer des Annahmeverzugs begrenzt. Die Bestimmung der angemessenen Entschädigung erfordert eine Abwägungsentscheidung des Tatrichters auf der Grundlage der in § 642 Abs. 2 BGB genannten Kriterien. Dabei ist die angemessene Entschädigung im Ausgangspunkt an den auf die unproduktiv bereitgehaltenen Produktionsmittel entfallenden Vergütungsanteilen einschließlich der Anteile der allgemeinen Geschäftskosten sowie Wagnis und Gewinn zu orientieren. Der Auftragnehmer trägt die Darlegungslast für die Voraussetzungen des Anspruchs. Hierzu gehört auch die Dauer des Annahmeverzugs des Auftraggebers infolge Unterlassens einer diesem obliegenden Mitwirkungshandlung. Ferner hat der Auftragnehmer jedenfalls darzulegen, inwieweit er während der Dauer des Annahmeverzugs Leistungen nicht zu der nach dem Vertrag vorgesehenen Zeit ausführen konnte und deshalb Personal, Geräte und Kapital, also die Produktionsmittel zur Herstellung der Werkleistung, vergeblich bereitgehalten hat. Gemessen an diesen Grundsätzen fehlt es an einem hinreichenden Vortrag der Klägerin zu den Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs gemäß § 642 BGB. Denn die Klägerin hat ihren Anspruch bereits im Ansatz nicht nach Maßgabe des unproduktiven Vorhalts von Produktionsmitteln während der Dauer eines Annahmeverzugs des Beklagten bemessen, sondern Mehrkosten aufgrund der Verlängerung der ursprünglich vorgesehenen Bauzeit geltend gemacht.
- Kontext der Entscheidung
Das Kammergericht hat im Jahre 2019 für Recht erkannt: „Teilt der Besteller eines VOB/B-Vertrags dem Unternehmer mit, er könne nicht wie vorgesehen, sondern erst zu einer späteren Zeit auf der Baustelle arbeiten, liegt in dieser Verzugsmitteilung, mit der der Besteller dem Unternehmer seinen Mitwirkungsverzug anzeigt, in aller Regel eine Leistungsänderung nach § 2 Abs. 5 VOB/B.“. Deshalb stehe dem Unternehmer ein Mehrvergütungsanspruch nach dieser Vorschrift zu (KG Berlin, Urteil vom 29. Januar 2019 – 21 U 122/18 –, Rn. 158). Der BGH hat dieses Urteil auf die Revision der Klägerin teilweise aufgehoben, soweit das KG einen Anspruch aus § 642 BGB verneint hat (BGH, Urteil vom 30. Januar 2020 – VII ZR 33/19). Mit den Ausführungen des KG zur Anwendbarkeit des § 2 Abs. 5 VOB/B hat er sich jedoch nicht befassen müssen (Thode, jurisPR-BGHZivilR 20/2020 Anm. 2). Dies holt der Senat nunmehr nach: „Liegt eine Störung des Vertrags aufgrund einer Behinderung vor, die faktisch zu einer Bauzeitverzögerung führt, und teilt der Auftraggeber dem Auftragnehmer den Behinderungstatbestand und die hieraus resultierende Konsequenz mit, dass die Leistungen derzeit nicht erbracht werden können, liegt nach diesem Maßstab keine Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B vor. Allein eine solche Mitteilung stellt aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers gemäß §§ 133, 157 BGB keine rechtsgeschäftliche, auf einseitige Änderung der Vertragspflichten gerichtete Erklärung des Auftraggebers dar. Denn der Auftraggeber bestätigt damit nur das, was durch die Behinderung ohnehin gegeben ist.“ (BGH, Urteil vom 19. September 2024 – VII ZR 10/24 –, Rn. 21, mwN.). Dasselbe gilt für die Übermittlung von Bauablaufplänen, die ebenfalls gemäß §§ 133, 157 BGB keine Anordnung des Auftraggebers im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B dar, wenn mit ihnen lediglich auf behinderungsbedingte Störungen des Vertrags reagiert wird (BGH, Urteil vom 19. September 2024 – VII ZR 10/24 –, Rn. 22). Soweit der Senat in älteren Entscheidungen festgestellt hat, dass bei Behinderungen ein - verschuldensunabhängiger - Anspruch aus § 2 Nr. 5 VOB/B gegeben sein kann, und dass zu Anordnungen im Sinne dieser Bestimmung auch solche über die Bauzeit und über den Beginn der Ausführungen gehören können (BGH, Urteil vom 27. Juni 1985 – VII ZR 23/84 –, Rn. 25), gibt er diese Auffassung ausdrücklich auf (BGH, Urteil vom 19. September 2024 – VII ZR 10/24 –, Rn. 27).
- Auswirkungen für die Praxis
Nach § 6 Abs. 6 Satz 1 VOB/B hat, wenn die hindernden Umstände von einem Vertragsteil zu vertreten sind, der andere Teil Anspruch auf Ersatz des nachweislich entstandenen Schadens, des entgangenen Gewinns aber nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Diese Regelung setzt voraus, dass der Stillstand durch hindernde Umstände verursacht worden ist, die auf der Verletzung einer vertraglichen Pflicht durch den Auftraggeber beruhen. Umstände aus der Risikosphäre des Auftraggebers, die nicht auf einer Pflichtverletzung beruhen, genügen nicht als Voraussetzung eines Anspruchs aus § 6 Nr. 6 VOB/B (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2005 – VII ZR 190/02 –, Rn. 22, mwN.). Der Senat hält ausdrücklich daran fest, dass eine Verletzung von Mitwirkungsobliegenheiten nicht ausreicht. Dies gilt aufgrund der in § 6 Abs. 6 Satz 1 VOB/B formulierten Voraussetzung des Vertretenmüssens auch für den Schadensersatzanspruch nach dieser Regelung. Für den Fall der Obliegenheitsverletzung ist der Auftragnehmer daher auf den Entschädigungsanspruch gemäß § 6 Abs. 6 Satz 2 VOB/B in Verbindung mit § 642 BGB verwiesen (BGH, Urteil vom 19. September 2024 – VII ZR 10/24 –, Rn. 30, mwN.).
BGH: Zur anwaltlichen Fristenkontrolle
Auch bei einer elektronischen Kalenderführung bedarf es einer Kontrolle des Fristenkalenders, um Datenverarbeitungsfehler des eingesetzten Programms sowie Eingabefehler oder -versäumnisse mit geringem Aufwand rechtzeitig erkennen und beseitigen zu können.
BGH, Beschluss vom 26. September 2024 – III ZB 82/23
- Problemstellung
Wie die anwaltliche Fristenkontrolle bei einer elektronischen Kalenderführung organisiert sein muss, hatte der III. Zivilsenat zu klären.
- Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin hat gegen das am 18. April 2023 zugestellte Urteil des Landgerichts am 25. April 2023 Berufung eingelegt. Mit Verfügung der Berichterstatterin vom 23. Juni 2023 hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass bis zu diesem Zeitpunkt keine Berufungsbegründung eingegangen war. Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 6. Juli 2023 ihre Berufung begründet und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat ihr Prozessbevollmächtigter ausgeführt, die Fristversäumung beruhe allein auf einem leichten Versehen zweier sehr zuverlässiger und ansonsten beanstandungsfrei arbeitender Kanzleimitarbeiter. Die Berufungsbegründungsfrist und die zugehörige Vorfrist seien aufgrund eines Datenverarbeitungsfehlers im Fristenkalender einer nicht mehr in der Kanzlei tätigen nichtanwaltlichen Mitarbeiterin eingetragen worden und nicht, wie alle anderen Fristen, im Kalender des damals sachbearbeitenden Rechtsanwalts K. Bei der Bearbeitung der Posteingänge seien durch die damalige Auszubildende die Fristen in der Fristerfassung der in der Kanzlei verwendeten Software (RA-Micro) eingetragen worden. Dabei werde durch die Eingabe der Aktennummer automatisch der zuständige Rechtsanwalt ausgewählt, der als Sachbearbeiter hinterlegt sei. Nach einer erneuten Überprüfung der Eintragung der Fristen habe sie in der E-Akte an dem Urteil einen elektronischen Aktenvermerk mit den jeweiligen Fristabläufen angebracht. Eine Überprüfung des Sachbearbeiterkürzels und der Fristeneintragung im Hauptkalender, in dem die für alle Anwälte laufenden Fristen eingetragen seien, sei ihrerseits nicht erfolgt. Anschließend habe ein weiterer Mitarbeiter eine erneute Kontrolle im System vorgenommen. Eine Kontrolle der Fristeneintragung im Hauptkalender habe er nicht vorgenommen. Er habe dies nicht für notwendig erachtet, weil es nach logischen Grundsätzen technisch ausgeschlossen sei, dass das System einen falschen Sachbearbeiter vorschlage. Zu einem Datenverarbeitungsfehler der vorliegenden Art sei es in der sechsjährigen anwaltlichen Tätigkeit von Rechtsanwalt K. nicht gekommen. Am 24. April 2023 habe dieser die Deckungsanfrage bei der Rechtsschutzversicherung gestellt und anhand der Notiz überprüft, dass die Fristen eingetragen seien. Er habe nicht davon ausgehen müssen, dass die Berufungsbegründungs- und die zugehörige Vorfrist nicht in seinem Termin- und Fristenkalender erscheinen würden.
Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Berufung der Klägerin verworfen. Die Klägerin habe weder hinreichend dargelegt noch glaubhaft gemacht, dass die Fristversäumung unverschuldet erfolgt sei (§ 85 Abs. 2, §§ 233, 236 ZPO). Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe eine hinreichende Kontrolle der elektronischen Fristenführung durch eine entsprechende Büroorganisation nicht vorgetragen. Auch bei elektronischen Fristenkalendern müsse eine Kontrolle der Fristeneingabe gewährleistet sein. Da nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit dieser Kontrolle auch Datenverarbeitungsfehler ausgeschlossen werden sollten, müsse nach Abschluss der Fristeneintragung im System die korrekte Übertragung der Fristen in den Hauptkalender gewährleistet sein. Konkrete Anweisungen zur Kontrolle der Fristeneintragung im Hauptkalender seien nicht dargelegt und glaubhaft gemacht. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausführe, dass eine solche Anweisung nicht erforderlich sei, weil allen Kanzleimitarbeitern bekannt sei, wie wichtig die korrekte Fristeneintragung im Hauptkalender sei, könne dem nicht gefolgt werden. Allein die Überprüfung der Fristeneintragung könne zwar mögliche Tippfehler oder Irrtümer über den Fristablauf ausschließen, Datenverarbeitungsfehler würden so aber nicht erkannt. Ein Verschulden des damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin ergebe sich darüber hinaus daraus, dass er den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist und ihre Eintragung im Hauptkalender nicht eigenverantwortlich überprüft habe, obwohl ihm die Akte zur eigenen Bearbeitung vorgelegen habe. Zwar habe er sich grundsätzlich auf eine Prüfung des Erledigungsvermerks in der Handakte beschränken können. Dies setze aber eine hinreichende Büroorganisation voraus, an der es hier - wie dargelegt - gefehlt habe.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die Verwendung einer elektronischen Kalenderführung darf keine hinter der manuellen Führung zurückbleibende Überprüfungssicherheit bieten. Bei der Eingabe von Fristen in den elektronischen Fristenkalender bestehen spezifische Fehlermöglichkeiten, insbesondere auch bei der Datenverarbeitung. Es bedarf daher auch bei einer elektronischen Kalenderführung einer Kontrolle des Fristenkalenders, um Datenverarbeitungsfehler des eingesetzten Programms sowie Eingabefehler oder -versäumnisse mit geringem Aufwand rechtzeitig erkennen und beseitigen zu können. Danach ist die von der Rechtsbeschwerde als grundsätzlich angesehene Frage, ob eine hinreichende Fristenkontrolle durch den Rechtsanwalt bereits dadurch sichergestellt ist, dass eine auf dem Markt als erprobt und zuverlässig angesehene Kanzleisoftware verwendet und die Eingabe der fristrelevanten Daten in die Fristerfassungsmaske (sowie deren abschließende Bestätigung) geschultem und zuverlässigem Personal überlassen wird, das sie nach dem "Vier-Augen-Prinzip" vorzunehmen hat, zum Nachteil der Klägerin bereits geklärt. Die Rechtsbeschwerde sieht selbst, dass hierdurch der in Rede stehende Verarbeitungsfehler nicht erkannt werden kann. Ihre Auffassung, ein Rechtsanwalt dürfe die Korrektheit der Datenverarbeitung ohne weiteren Kontrollschritt voraussetzen, ist mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu vereinbaren. Dabei bedarf es weiterhin keiner Entscheidung, wie diese Kontrolle im Einzelnen zu erfolgen hat, insbesondere ob es eines Kontrollausdrucks in Papierform bedarf. Denn die Klägerin hat vorgetragen, es sei überhaupt keine Kontrolle des Ergebnisses der Datenverarbeitung in Bezug auf die richtige Zuordnung zu dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt vorgenommen worden. Soweit sie geltend macht, eine weitergehende Kontrolle sei nicht zumutbar, ergibt sich unter anderem aus dem vorgelegten Ausdruck der "Termine zur Akte", dass der für die Fristversäumung ursächliche Datenverarbeitungsfehler - die falsche Zuordnung des Sachbearbeiters - sich nicht nur im Fristenkalender ausgewirkt hat, sondern auch in der Aufstellung der Termine in der elektronischen Akte abgebildet und daher ohne weiteres erkennbar war.
- Kontext der Entscheidung
Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des BGH darf die Verwendung einer elektronischen Kalenderführung keine hinter der manuellen Führung zurückbleibende Überprüfungssicherheit bieten. Der Rechtsanwalt, der laufende Fristen in einem elektronischen Fristenkalender erfasst, muss durch geeignete Organisationsmaßnahmen die Kontrolle der Fristeingabe gewährleisten. Dies kann durch einen Ausdruck der eingegebenen Einzelvorgänge oder eines Fehlerprotokolls erfolgen. Werden die Eingaben in den EDV-Kalender nicht durch Ausgabe der eingegebenen Einzelvorgänge über den Drucker oder durch Ausgabe eines Fehlerprotokolls durch das Programm kontrolliert, ist darin ein anwaltliches Organisationsverschulden zu sehen. Die Fertigung eines Kontrollausdrucks ist erforderlich, um nicht nur Datenverarbeitungsfehler des EDV-Programms, sondern auch Eingabefehler oder -versäumnisse mit geringem Aufwand rechtzeitig zu erkennen und zu beseitigen (BGH, Beschluss vom 28. Februar 2019 – III ZB 96/18 –, Rn. 13, mwN.). Werden die Fristeingabe in den elektronischen Fristenkalender und die anschließende Eingabekontrolle in zwar mehrstufigen, aber ausschließlich EDV-gestützten und jeweils nur kurze Zeit benötigenden Arbeitsschritten am Bildschirm durchgeführt, besteht eine erhöhte Fehleranfälligkeit. Den Anforderungen, die an die Überprüfungssicherheit der elektronischen Kalenderführung zu stellen sind, wird durch eine solche Verfahrensweise nicht genügt ((BGH, Beschluss vom 28. Februar 2019 – III ZB 96/18 –, Rn. 16, mwN.). Die allgemeine Anordnung, einen Kontrollausdruck in die Handakte aufzunehmen, gewährleistet, dass der Rechtsanwalt, wenn ihm die Handakte vorgelegt wird, eine eigenverantwortliche Fristenkontrolle durchführen kann. Für eine Phase, in der eine Umstellung von einem herkömmlichen auf einen elektronisch geführten Fristenkalender vorgenommen wird, gelten dabei keine geringeren Sorgfaltsanforderungen (BGH, Beschluss vom 2. Februar 2021 – X ZB 2/20 –, Rn. 8 - 9, mwN.).
- Auswirkungen für die Praxis
Werden Handakten in Papierform geführt, besteht weiterhin die Verpflichtung zur Fertigung von Kontrollausdrucken (BGH, Beschluss vom 2. Februar 2021 – X ZB 2/20 –, Rn. 12). Auch bei elektronischer Aktenführung ist der Rechtsanwalt verpflichtet, die ordnungsgemäße Notierung von Fristen in eigener Verantwortung zu überprüfen. Von der Anfertigung von Kontrollausdrucken darf deshalb allenfalls dann abgesehen werden, wenn andere Vorkehrungen getroffen werden, die ein vergleichbares Maß an Sicherheit ermöglichen (BGH, Beschluss vom 2. Februar 2021 – X ZB 2/20 –, Rn. 13). Somit bedarf es auch bei elektronischer Kalenderführung einer Kontrolle des Fristenkalenders, um Datenverarbeitungsfehler des eingesetzten Programms sowie Eingabefehler oder -versäumnisse mit geringem Aufwand rechtzeitig erkennen und beseitigen zu können, wie der Senat ausdrücklich betont (BGH, Beschluss vom 26. September 2024 – III ZB 82/23 –, Rn. 9). Ein etwaiger Wiedereinsetzungsantrag kann daher nur dann Erfolg haben, wenn die notwendige Fristenkontrolle dargelegt und glaubhaft gemacht werden kann.
Auskunft über Kostenvorschussverwendung
1. Die Voraussetzungen für das Auskunftsverlangen eines Werkunternehmers liegen vor, wenn der Kunde die Mängelbeseitigungsarbeiten, wegen der ihm ein Kostenvorschuss gem. § 637 Abs. 3 BGB zugesprochen worden war, vorgenommen hat.
2. Der Vorschuss nach § 637 Abs. 3 BGB ist zweckgebunden und vom Kunden zur Mängelbeseitigung zu verwenden. Der Kunde muss seine Aufwendungen für die Mängelbeseitigung nachweisen, über den erhaltenen Kostenvorschuss Abrechnung erteilen und den für die Mängelbeseitigung nicht in Anspruch genommenen Betrag zurückerstatten. Es entsteht ein Rückzahlungsanspruch des Werkunternehmers in Höhe des nicht zweckentsprechend verbrauchten Vorschusses.
3. Dieser Anspruch ist kein Bereicherungsanspruch, sondern ein aus Treu und Glauben entwickelter Anspruch aus dem Vertragsverhältnis. Hat der Kunde die Mängelbeseitigung durchgeführt, so muss er den Vorschuss abrechnen. Ergibt die Abrechnung einen Überschuss für den Werkunternehmer, ist dieser an ihn zurückzuzahlen.
4. Der Auskunftsanspruch des Werkunternehmers ist nur dann durch Erfüllung erloschen, § 362 Abs. 1 BGB, wenn der Kunde ‒ um eine Prüfung durch den Werkunternehmer zu ermöglichen ‒ analog § 666 BGB die dortigen Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Auskunftserteilung erfüllt hat.
5. Dazu muss der Kunde den Werkunternehmer über die Einzelheiten der Auftragsausführung in verkehrsüblicher Weise informieren und ihm die Übersicht über das Besorgte verschaffen in einer Weise, die dem Werkunternehmer die Überprüfung der Besorgung gestattet. Es gilt § 259 BGB, so dass erforderlichenfalls genauere Information durch Vorlage einer geordneten Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben geschuldet ist. Die Beweislast für die Richtigkeit der Abrechnung trägt dabei der Kunde, insbesondere für den Verbleib der Einnahmen und dafür, dass er über nicht mehr vorhandene Vermögenswerte gemäß dem Auftrag, nach Weisungen oder im Interesse des Werkunternehmers verfügt hat. Ergänzt mit der Kommentierung zu § 259 BGB erfordert die Rechenschaftslegung eine übersichtliche, in sich verständliche Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben. Die Ausgaben müssen so detailliert und verständlich dargestellt sein, dass der Werkunternehmer ohne fremde Hilfe in der Lage ist, seine Ansprüche und die gegen ihn gerichteten Ansprüche nach Grund und Höhe zu überprüfen. Bei Unvollständigkeit der Rechnung besteht ein Anspruch auf Ergänzung.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 16. Oktober 2024 – 12 U 6/24
- Problemstellung
Mit den Anforderungen an den notwendigen Vortrag des Bestellers im Auskunftsprozess des Unternehmers nach Zahlung eines Kostenvorschusses zur Mängelbeseitigung hatte sich das OLG Schleswig zu befassen.
- Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Beklagte verband mit der A. GmbH ein Werkvertrag, der die Lieferung und Verlegung von Dielen in einem von der Beklagten betriebenen Schuhladen zum Gegenstand hatte. Die Klägerin nimmt die Beklagte, deren Identität mit der A. GmbH streitig ist, auf Auskunft über die Verwendung eines Kostenvorschusses zur Beseitigung von Mängeln an Bodenverlegungsarbeiten in Höhe von 19.038,39 € in Anspruch. Des Weiteren verlangt sie Rückzahlung des sich daraus ergebenden unverbrauchten Restbetrags. Mit Urteil des Landgerichts Kiel vom 19.07.2017 wurde die A. GmbH verurteilt, auf die Kosten zur Beseitigung von Mängeln ihrer Werkleistung einen Vorschuss in Höhe von 19.038,39 € zuzüglich Zinsen an die Beklagte zu zahlen. Da die Klägerin keine Zahlung leistete, leitete die Beklagte die Zwangsvollstreckung ein. Seitdem zahlt die Klägerin Raten auf den ausgeurteilten Betrag, wobei die Frage der vollständigen Zahlung zwischen den Parteien streitig ist. Zu den Mängelbeseitigungsarbeiten reichte die Beklagte die Rechnung vom 08.08.2016 über 10.829,-- € brutto sowie die Rechnung vom 19.09.2023 über 28.129,22 € brutto zur Akte. Umfang, Art und Weise sowie die Frage, ob diese Sanierung den Vorgaben des landgerichtlichen Urteils vom 19.07.2017 entspricht, sind streitig. Das Landgericht hat die Klage insgesamt mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht ihre Identität mit der A. GmbH nachgewiesen habe. Diesbezüglich nach der mündlichen Verhandlung eingegangenen Vortrag der Klägerin hat es gem. § 296a ZPO zurückgewiesen.
Die Berufung der Klägerin, mit der sie nach wie vor Abrechnung und Zahlung des unverbrauchten Kostenvorschusses im Rahmen einer Stufenklage verlangt, hat in der 1. Stufe (Auskunft) Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Auskunft über die Verwendung des von ihr geleisteten Kostenvorschusses von 19.038,39 €. Die Voraussetzungen für das Auskunftsverlangen der Klägerin liegen vor, da die Beklagte nach eigenem Vortrag die streitgegenständlichen Mängelbeseitigungsarbeiten am Fußboden ihres Ladengeschäfts vorgenommen hat. Der Vorschuss nach § 637 Abs. 3 BGB ist zweckgebunden und vom Auftraggeber zur Mängelbeseitigung zu verwenden. Der Auftraggeber muss seine Aufwendungen für die Mängelbeseitigung nachweisen, über den erhaltenen Kostenvorschuss Abrechnung erteilen und den für die Mängelbeseitigung nicht in Anspruch genommenen Betrag zurückerstatten. Es entsteht ein Rückzahlungsanspruch des Auftragnehmers in Höhe des nicht zweckentsprechend verbrauchten Vorschusses. Dieser Anspruch ist kein Bereicherungsanspruch, sondern ein aus Treu und Glauben entwickelter Anspruch aus dem Vertragsverhältnis. Hat der Auftraggeber die Mängelbeseitigung durchgeführt, so muss er den Vorschuss abrechnen. Ergibt die Abrechnung einen Überschuss für den Auftraggeber, ist dieser an den Auftragnehmer zu zahlen. Die Klägerin ist mit der A. GmbH identisch und deshalb Gläubigerin des geltend gemachten Anspruchs. Dies ergibt sich aus dem von ihr vorgelegten Handelsregisterauszug, dessen Richtigkeit die Beklagte nicht bestritten hat. Die Verspätungsvorschriften des § 531 ZPO - hier § 531 Abs. 2 ZPO - hindern die Berücksichtigung nicht, weil der Vortrag der Klägerin nunmehr unstreitig ist.
Der Auskunftsanspruch der Klägerin ist auch nicht durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Zwar hat die Beklagte zwei Rechnungen über durchgeführte Bodenbelagsarbeiten zur Akte gereicht, die ihrer Ansicht nach eine Erfüllung darstellen. Dem folgt der Senat jedoch nicht. Vielmehr hat die Beklagte ‒ um eine Prüfung durch die Klägerin zu ermöglichen ‒ analog § 666 BGB die dortigen Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Auskunftserteilung zu erfüllen. Danach muss der Beauftragte den Auftraggeber über die Einzelheiten der Auftragsausführung in verkehrsüblicher Weise informieren und ihm die Übersicht über das Besorgte verschaffen in einer Weise, die dem Auftraggeber die Überprüfung der Besorgung gestattet. Es gilt § 259 BGB, so dass erforderlichenfalls genauere Information durch Vorlage einer geordneten Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben geschuldet ist. Die Beweislast für die Richtigkeit der Abrechnung trägt dabei der Beauftragte, insbesondere für den Verbleib der Einnahmen und dafür, dass er über nicht mehr vorhandene Vermögenswerte gemäß dem Auftrag, nach Weisungen oder im Interesse des Auftraggebers verfügt hat. Demnach erfordert die Rechenschaftslegung eine übersichtliche, in sich verständliche Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben. Die Ausgaben müssen so detailliert und verständlich dargestellt sein, dass der Berechtigte ohne fremde Hilfe in der Lage ist, seine Ansprüche und die gegen ihn gerichteten Ansprüche nach Grund und Höhe zu überprüfen. Bei Unvollständigkeit der Rechnung besteht ein Anspruch auf Ergänzung.
Überträgt man diese Grundsätze auf die hier erforderliche Auskunft über die Verwendung des Kostenvorschusses, ist die Beklagte bislang ihrer Verpflichtung zur Abrechnung nicht vollständig nachgekommen. Die zuletzt vorgelegten Rechnungen reichen nicht aus, um der Klägerin eine Überprüfung zu ermöglichen. Zu den Positionen der Rechnung vom 19.09.2023 im Einzelnen:
- Pos. 1 (Vorhandene Ladeneinrichtung teilweise demontiert, verpackt und eingelagert): Hier fehlt eine Aufschlüsselung nach Anzahl, Stunden und Stundensatz.
- Pos. 2 (Massivholzboden demontiert und auf Paletten gelagert): s. Pos. 1
- Pos. 3 (145 qm Boden für Neuverlegung vorbereiten): Es ist unklar, was konkret unter der Vorbereitung des Bodens zu verstehen ist. Außerdem fehlt hinsichtlich der qm-Angabe eine Abgrenzung zu den bereits zuvor durchgeführten Teilarbeiten gem. Rechnung vom 18.08.2016.
- Pos. 4 (145 qm Boden neu liefern und verlegt): Es fehlen Angaben zu Art/Qualität des neu verlegten Bodens.
- Pos. 5 (Fugen verfüllt und Übergangsschienen montiert): s. Pos. 1
- Pos. 6 (Montage von Ladeneinrichtung inkl. Anlieferung): s. Pos. 1
- Pos. 7 (92 lfm Eichenfußleisten neu geliefert und montiert): Es fehlen Angaben zu Art/Qualität der verlegten Eichenfußleisten.
Da die Beklagte selbst ausführt, sie habe nicht die gleichen Dielen wie zuvor verlegt, weil dies zu teuer gewesen wäre und sie nicht erwarte, von der Klägerin zeitnah über den Vorschuss hinausgehende Mängelbeseitigungskosten erstattet zu bekommen, fehlt es für eine ordnungsgemäße Abrechnung zusätzlich an Vortrag dazu, dass die von ihr durchgeführten Mängelbeseitigungsarbeiten tatsächlich insgesamt günstiger waren, als wenn sie ‒ wonach der Kostenvorschuss berechnet ist ‒ Dielen der gleichen Art wie zuvor verlegt hätte.
- Kontext der Entscheidung
Prozesse, mit denen der Kostenvorschuss nach § 637 Abs. 3 BGB zurückgefordert werden, sind bisher in der Vergangenheit relativ selten geführt worden. Der Unternehmer kann einen an den Besteller gezahlten Vorschuss auf die Mängelbeseitigungskosten zurückfordern, wenn feststeht, dass die Mängelbeseitigung nicht mehr durchgeführt wird. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Auftraggeber seinen Willen aufgegeben hat, die Mängel zu beseitigen. Ein Rückforderungsanspruch entsteht auch dann, wenn der Auftraggeber die Mängelbeseitigung nicht binnen angemessener Frist durchgeführt hat. Welche Frist für die Mängelbeseitigung angemessen ist, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände zu ermitteln, die für diese maßgeblich sind. Abzustellen ist auch auf die persönlichen Verhältnisse des Auftraggebers und die Schwierigkeiten, die sich für ihn ergeben, weil er in der Beseitigung von Baumängeln unerfahren ist und hierfür fachkundige Beratung benötigt. Der Vorschuss ist trotz Ablauf einer angemessenen Frist zur Mängelbeseitigung nicht zurückzuzahlen, soweit er im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zweckentsprechend verbraucht worden ist oder es feststeht, dass er alsbald verbraucht werden wird (BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 – VII ZR 108/08; dazu: Krug, jurisPR-PrivBauR 5/2010 Anm. 1). Dass angesichts der Anforderungen, die der BGH an die Darlegungs- und Beweislast stellt, Rückforderungsprozesse selten sind, erstaunt nicht. Hinzu kam in der Vergangenheit, dass der auf Rückzahlung in Anspruch genommene Besteller gegen den Rückforderungsanspruch, sofern der Unternehmer dessen Voraussetzungen darstellen und beweisen kann, mit einem – nicht abrechenbaren – Schadensersatzanspruch in gleicher Höhe aufrechnen konnte. Nach der Rechtsprechung des VII. Zivilsenats war der Besteller auch nach Empfang eines Kostenvorschusses grundsätzlich nicht gehindert, vor dessen bestimmungsgemäßer Verwendung Schadensersatz zu verlangen. Mit einem solchen Anspruch konnte er gegen die Forderung des Unternehmers auf Rückgewähr des Vorschusses aufrechnen (BGH, Urteil vom 24. November 1988 – VII ZR 112/88 –, Rn. 14). Durch die Änderung der Rechtsprechung zur Bemessung des Schadens nach den fiktiven Kosten der Mängelbeseitigung hat der Vorschussanspruch an Bedeutung gewonnen. Denn eine Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch wird regelmäßig daran scheitern, dass dieser nicht mehr nach den Mängelbeseitigungskosten zu berechnen ist, nach denen sich der Kostenvorschuss richtet. Der Rückforderungsprozess verspricht daher für den Unternehmer – bzw. (ggf.) dessen Haftpflichtversicherer – größere Erfolgsaussichten, soweit die Voraussetzungen für die Rückforderung gegeben sind. Zu unterscheiden vom Vorschussanspruch des § 637 BGB ist der vom VII. Zivilsenat praeter legem kreierte Schadensersatzanspruch des Bestellers gegenüber dem Architekten wegen Planungs- oder Überwachungsfehlern, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, auf Vorfinanzierung in Form der vorherigen Zahlung eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrags (BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 – VII ZR 46/17, Rn. 67). Auch der vom Architekten zu zahlende Betrag ist zweckgebunden und abzurechnen. Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Abrechnung des Anspruchs gemäß § 637 Abs. 3 BGB sind auf die Abrechnung des Schadensersatzanspruchs auf Kostenvorschuss gegenüber dem Architekten ebenfalls anzuwenden (Einzelheiten bei: Rodemann, NZBau 2022, 713).
- Auswirkungen für die Praxis
Ob die Stufenklage auf Auskunft und (spätere) Zahlung zulässig ist, hat das OLG Schleswig nicht hinterfragt. Das Gericht geht vielmehr ohne weiteres davon aus, dass dem Unternehmer ein Auskunftsanspruch gemäß § 666 BGB analog zusteht (Rn. 23). Der Besteller wird aber nicht als Beauftragter des Unternehmers tätig wird, wenn er den Mangel beseitigt, sondern allein im eigenen Interesse, wenn er die Selbstvornahme wählt, zu deren Finanzierung der Kostenvorschussanspruch des § 637 Abs. 3 BGB dient. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 666 BGB sind daher nicht gegeben. Denn der Auftrag ist wegen seiner Unentgeltlichkeit ein Gefälligkeitsvertrag, gerichtet auf fremdnütziges Handeln des Beauftragten (Berger in: Erman, BGB, 17. Auflage 2023, § 662 Rn. 2 mwN.). Damit fehlt es an der notwendigen materiell-rechtlichen Grundlage für eine Stufenklage gemäß § 254 ZPO. Wenn der Besteller über den Vorschuss nicht binnen angemessener Frist abrechnet, kann der Unternehmer den Vorschuss zurückfordern. Der Rückzahlungsanspruch wird fällig. Mangels Verwendungsnachweises war der Anspruch auf Rückzahlung des Vorschusses entstanden. Dieser Anspruch kann aber entfallen, wenn der Besteller prüfbar die Verwendung des Vorschusses nachweist. Der Unternehmer muss dann die Klage für erledigt erklären, um die negative Kostenfolge der Abweisung der Klage zu vermeiden.
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